Immobilien sind in der heutigen Zeit eine beliebte Investitionsmöglichkeit. Sei es der Kauf eines Eigenheims, der Erwerb eines Renditeobjektes oder der Verkauf einer geerbten Immobilie – in allen Fällen stellt sich eine zentrale Frage: Wie viel ist die Immobilie wirklich wert? Hierbei hilft ein Verkehrswertgutachten, welches den Wert einer Liegenschaft fundiert und transparent ermittelt. In diesem Blog-Beitrag werden wir das Thema Verkehrswertgutachten aus rechtlicher Sicht umfassend beleuchten und Ihre Fragen dazu beantworten.

Was ist ein Verkehrswertgutachten?

Das Verkehrswertgutachten ist eine detaillierte Wertermittlung, die den Verkehrswert einer Immobilie ermittelt. Verkehrswert ist der Wert, der bei einer freihändigen, auf dem Markt üblichen und angemessenen Veräußerung der Immobilie zum Stichtag erzielbar wäre.

Der Verkehrswert wird insbesondere nach den gesetzlichen Vorgaben der Wertermittlungsverordnung (WertV), den Wertermittlungsrichtlinien (WertR) und der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) ermittelt. Das Verkehrswertgutachten gibt Käufern, Verkäufern, Banken und Gerichten eine sachliche Grundlage für Entscheidungen rund um die Immobilie.

Wann ist ein Verkehrswertgutachten sinnvoll oder erforderlich?

Ein Verkehrswertgutachten kann in verschiedenen Situationen sinnvoll oder erforderlich sein:

  • Immobilienkauf oder -verkauf: Um ein angemessenes Angebot oder eine fundierte Verhandlungsbasis zu haben;
  • Erbschaften oder Schenkungen: Zur Ermittlung des Erb- oder Schenkungswerts und zur steuerlichen Abwicklung;
  • Trennung oder Scheidung: Um den Wert einer Immobilie im Zuge der Vermögensaufteilung festzusetzen;
  • Betreuung oder Pflegeheimunterbringung: Zur Feststellung des Vermögenswertes der Immobilie;
  • Kreditvergabe: Banken fordern häufig ein Verkehrswertgutachten als Sicherheit für eine Immobilienfinanzierung;
  • Gerichtsverfahren: Bei Rechtsstreitigkeiten, die den Wert einer Immobilie betreffen, kann ein Verkehrswertgutachten als Beweismittel dienen;
  • Portfolio-Bewertung: Für institutionelle Investoren ist eine regelmäßige Bewertung ihrer Immobilienbestände erforderlich.

Wie wird der Verkehrswert einer Immobilie ermittelt?

Bei der Ermittlung des Verkehrswerts einer Immobilie werden verschiedene Verfahren angewendet:

  • Vergleichswertverfahren: Hierbei werden aktuelle Verkaufspreise von vergleichbaren Immobilien herangezogen. Dabei spielen Faktoren wie Lage, Größe, Ausstattung und Zustand der Immobilie eine Rolle. Dieses Verfahren eignet sich insbesondere für Wohnimmobilien, für die ausreichend Vergleichsdaten vorhanden sind.
  • Ertragswertverfahren: Bei diesem Verfahren wird der Wert der Immobilie auf Basis der zu erwartenden Erträge ermittelt. Dabei werden möglichst genaue Daten zur erzielbaren Miete bzw. Pacht sowie zur Restnutzungsdauer und den Bewirtschaftungskosten herangezogen. Das Ertragswertverfahren wird vornehmlich für Renditeobjekte wie Mehrfamilienhäuser, Geschäftshäuser und Gewerbeimmobilien angewendet.
  • Sachwertverfahren: Dieses Verfahren berücksichtigt den Wert des Grundstücks sowie den Wert der darauf befindlichen Gebäude. Dabei werden sowohl die Herstellungskosten als auch der Wertverlust des Gebäudes aufgrund von Alter und Zustand miteinbezogen. Das Sachwertverfahren findet Anwendung bei Ein- und Zweifamilienhäusern sowie bei Immobilien, für die keine ausreichenden Vergleichs- oder Ertragsdaten verfügbar sind.

In der Praxis kommt häufig eine Kombination der genannten Verfahren zur Anwendung, um ein möglichst realistisches Bild des Verkehrswerts zu erhalten. Hierbei fließen oft auch örtliche Besonderheiten, Marktsituationen und Gutachteraussagen in die Bewertung ein.

Wer erstellt ein Verkehrswertgutachten?

Ein Verkehrswertgutachten kann von verschiedenen Sachverständigen erstellt werden:

  • Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige: Sie werden von der zuständigen Industrie- und Handelskammer oder der Architektenkammer öffentlich bestellt und sind in ihrer Tätigkeit unabhängig und weisungsfrei. Durch ihre besondere Qualifikation und Erfahrung genießen ihre Gutachten ein hohes Maß an Anerkennung.
  • Zertifizierte und freie Sachverständige: Sie haben eine anerkannte Qualifikation und sind im Immobilienbereich tätig, jedoch nicht öffentlich bestellt. Ihre Gutachten entsprechen meist dem aktuellen Stand der Technik und sind auf Grundlage der anerkannten Bewertungsverfahren erstellt.
  • Sachverständige der Gutachterausschüsse: Sie werden von den zuständigen Behörden der Bundesländer eingesetzt und erstellen Verkehrswertgutachten zum Beispiel für steuerliche Zwecke.

Die Wahl des Sachverständigen sollte aufgrund der Qualifikation, Erfahrung und des Vertrauens in die fachliche Kompetenz getroffen werden.

Was ist beim Auftrag zu beachten?

Beim Auftrag eines Verkehrswertgutachtens sollten verschiedene Aspekte beachtet werden:

  • Auftraggeber: Der Auftraggeber ist in der Regel der Eigentümer, Käufer oder Verkäufer einer Immobilie. Auch Banken, Gerichte oder Behörden können Auftraggeber sein. Im Falle einer gemeinsamen Beauftragung (z.B. bei Scheidung oder Erbauseinandersetzung) ist der Sachverständige zur Neutralität und zur Gleichbehandlung aller Beteiligten verpflichtet.
  • Auftragsgegenstand: Es sollte klar definiert werden, für welche Immobilie bzw. für welchen Teil einer Immobilie das Gutachten erstellt werden soll. Beispielsweise kann das Gutachten nur für das Gebäude oder auch für das gesamte Grundstück erstellt werden.
  • Auftragsziel: Das Hauptziel des Gutachtens besteht darin, den Verkehrswert der Immobilie zu ermitteln. Zusätzlich können aber auch spezielle Fragestellungen vereinbart werden, etwa eine Prognose zu erwartenden Wertentwicklungen oder die Ermittlung von Sanierungskosten.
  • Stichtag der Bewertung: Maßgeblich für die Ermittlung des Verkehrswertes ist der Stichtag, an dem das Gutachten erstellt wird. Dieser kann etwa der Tag des Vertragsabschlusses oder auch ein Tag in der Vergangenheit sein.
  • Kosten und Honorare: Die Kosten für ein Verkehrswertgutachten sind abhängig von der Größe und Komplexität der Immobilie sowie von der Qualifikation und dem Zeitaufwand des Sachverständigen. Es sollten vorab verbindliche Preisvereinbarungen getroffen werden.

Wie ist ein Verkehrswertgutachten aufgebaut?

Ein Verkehrswertgutachten ist in der Regel wie folgt aufgebaut:

  • Deckblatt: Mit Informationen zum Auftraggeber, zum Sachverständigen, zum Gutachtensgegenstand und zum Bewertungsstichtag;
  • Inhaltsverzeichnis und Einleitung: Hier werden Ziel und Zweck des Gutachtens sowie die methodische Vorgehensweise erläutert;
  • Beschreibung der Immobilie: Die Immobilie wird in ihren Grundlagen, wie etwa Lage, Größe, Baujahr, Ausstattung, Bauweise, energetische Kennzahlen oder Nutzungsart, ausführlich beschrieben;
  • Wertermittlungsverfahren: Die angewandten Verfahren zur Ermittlung des Verkehrswerts werden erläutert und begründet;
  • Wertberechnung: Die eigentliche Wertberechnung wird detailliert und nachvollziehbar dargelegt, sodass der Verkehrswert plausibel erscheint;
  • Zusammenfassung und Fazit: Der ermittelte Verkehrswert wird zusammengefasst und das Ergebnis des Gutachtens dargelegt. Bei Bedarf erfolgt auch eine Stellungnahme zu konkreten Fragestellungen des Auftraggebers;
  • Anlagen: Hier können beispielsweise Grundrisse, Lagepläne, Fotos, Berechnungstabellen, Referenzen oder Gutachteraussagen angefügt sein;
  • Abschließende Unterschrift: Der Sachverständige bestätigt die Richtigkeit seiner Angaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Gutachtens mit seiner Unterschrift und ggf. mit dem Stempel der zugehörigen Sachverständigenorganisation.

Wie zuverlässig ist ein Verkehrswertgutachten?

Die Zuverlässigkeit eines Verkehrswertgutachtens hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Qualifikation und Erfahrung des Sachverständigen: Je besser ein Gutachter ausgebildet ist und je mehr Erfahrung er hat, desto zuverlässiger sind seine Gutachten;
  • Aktualität und Vollständigkeit der Daten: Je aktueller und vollständiger die dem Gutachten zugrunde liegenden Daten sind, desto realistischer ist das ermittelte Ergebnis;
  • Transparenz und Plausibilität: Ein gutes Gutachten sollte für Laien verständlich und nachvollziehbar sein. Eine übersichtliche Gliederung und klare Schlussfolgerungen erhöhen die Zuverlässigkeit und Akzeptanz des Gutachtens;
  • Neutralität und Unabhängigkeit: Ein unabhängiger und unparteilicher Gutachter, der kein Interesse am Verkaufspreis oder der Finanzierung der Immobilie hat, erhöht die Glaubwürdigkeit des Gutachtens.

Obwohl ein Verkehrswertgutachten den Wert einer Immobilie möglichst realistisch ermittelt, ist ein gewisser Unsicherheitsfaktor immer vorhanden. Der tatsächliche Verkaufspreis einer Immobilie kann durch individuelle Käufer- und Verkäuferinteressen, Marktschwankungen oder zeitliche Veränderungen beeinflusst sein und vom ermittelten Verkehrswert abweichen.

Welche Alternativen gibt es zum Verkehrswertgutachten?

Es gibt verschiedene Alternativen zum Verkehrswertgutachten, die je nach Umfang und Genauigkeitsanforderung in Betracht gezogen werden können:

  • Kurzgutachten oder Immobilienbewertung: Eine weniger detaillierte und kostengünstigere Möglichkeit zur Ermittlung des Verkehrswerts. Sie eignet sich für Fälle, in denen keine konkreten rechtlichen oder steuerlichen Fragestellungen geklärt werden müssen.
  • Selbstständige Recherche: Käufer, Verkäufer oder Eigentümer können auch selbstständig Informationen über vergleichbare Immobilien ermitteln und daraus einen möglichen Verkehrswert ableiten. Dafür können Immobilienportale, Preisstatistiken oder regionale Angebots- und Nachfragedaten genutzt werden.
  • Maklerbewertung: Bei der Maklerbewertung werden vergleichbare Immobilien herangezogen, um eine möglichst realistische Einschätzung des Verkaufspreises zu erhalten. Bei einem Immobilienkauf oder -verkauf können Immobilienmakler diese Dienstleistung oftmals kostenfrei anbieten.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Alternativen zum Verkehrswertgutachten nicht die gleiche Fundiertheit bieten und in manchen Fällen nicht als rechtssichere Grundlage dienen können.

FAQs zum Thema

Die gängigsten Fragen und Antworten haben wir im Folgenden für Sie aufgeführt.

Was kostet ein Verkehrswertgutachten?

Die Kosten für ein Verkehrswertgutachten hängen von der Größe und Komplexität der Immobilie sowie von der Qualifikation und dem Zeitaufwand des Sachverständigen ab. Für ein Einfamilienhaus können die Kosten zwischen 1.000 und 2.500 Euro liegen, bei Mehrfamilienhäusern, Gewerbeimmobilien und Sonderimmobilien können sie jedoch auch höher ausfallen. Vorab sollte eine schriftliche Vereinbarung über die zu erbringende Leistung und die Kosten getroffen werden.

Wie lange ist ein Verkehrswertgutachten gültig?

Ein Verkehrswertgutachten hat keine feste Gültigkeitsdauer, da es eine Momentaufnahme zum Bewertungsstichtag ist. Allerdings kann der Verkehrswert einer Immobilie durch Veränderungen in der Umgebung, auf dem Immobilienmarkt oder in der Immobilie selbst beeinflusst werden. Deshalb sollte ein Verkehrswertgutachten je nach Zweck und Situation nach einigen Jahren aktualisiert werden.

Was ist im Verkehrswertgutachten enthalten?

Ein Verkehrswertgutachten enthält die Beschreibung der Immobilie, die verwendeten Wertermittlungsverfahren, die Berechnungen des Verkehrswerts und die Begründung für das ermittelte Ergebnis. Abgerundet wird das Gutachten durch die abschließende Unterschrift und ggf. den Stempel des Sachverständigen.

Wie lang ist ein Verkehrswertgutachten?

Die Länge eines Verkehrswertgutachtens hängt von der Größe und Komplexität der Immobilie sowie von den Anforderungen des Auftraggebers ab. In der Regel umfasst ein Gutachten für ein Einfamilienhaus 40 bis 70 Seiten, bei Mehrfamilienhäusern, Gewerbeimmobilien und Sonderimmobilien kann es jedoch auch umfangreicher ausfallen.

Was ist der Unterschied zwischen Verkehrswertgutachten und Kurzgutachten?

Ein Verkehrswertgutachten ist eine detaillierte Wertermittlung einer Immobilie, die den Verkehrswert zu einem bestimmten Stichtag ermittelt. Ein Kurzgutachten hingegen ist eine weniger detaillierte und kostengünstigere Methode zur Ermittlung des Verkehrswerts, die lediglich auf einer gröberen Schätzung und der Bewertung von vergleichbaren Immobilien beruht. Es kann jedoch nicht als rechtssichere Grundlage für bestimmte Fragestellungen, wie beispielsweise Erbschafts- oder Schenkungsangelegenheiten, dienen.

Abschlussbemerkung

Ein Verkehrswertgutachten ist eine fundierte und transparente Methode zur Ermittlung des Verkehrswerts einer Immobilie. Auch wenn ein Gutachten eine Momentaufnahme darstellt und nicht die tatsächlichen Verkaufspreisentwicklungen abbilden kann, bietet es Käufern, Verkäufern, Banken und Gerichten eine sachliche Grundlage für Entscheidungen rund um die Immobilie.

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