In der juristischen Praxis treten häufig komplizierte Konstellationen auf, bei denen ein Vertrag nicht nur zwischen zwei rechtlichen Subjekten geschlossen wird, sondern auch die Interessen einer dritten Partei berührt. Ein klassisches Beispiel hierfür sind Verträge zugunsten Dritter. In diesem ausführlichen Blog-Beitrag beleuchten wir die verschiedenen Facetten von Verträgen zugunsten Dritter, werfen einen Blick auf die rechtlichen Grundlagen, erläutern aktuelle Gerichtsurteile und beantworten häufig gestellte Fragen (FAQs).

Definition und Begriffsbestimmung

Ein Vertrag zugunsten Dritter ist ein Vertragsverhältnis, bei dem mindestens einer der Vertragspartner Leistungen oder Rechte in Bezug auf einen Dritten vereinbart. Die grundlegende Idee besteht darin, dass die vertraglichen Leistungen oder Rechte nicht nur den unmittelbar verpflichteten Parteien, sondern auch einer außenstehenden Person (dem Dritten) zugutekommen sollen. In einem Vertrag zugunsten Dritter kann der begünstigte Dritte Rechte aus dem Vertrag erwerben bzw. eine vertragliche Verpflichtung des Versprechenden einklagbar machen.

Der Vertrag zugunsten Dritter lässt sich in zwei grundlegende Kategorien unterteilen:

  • Vertrag mit Schuldbeitritt: Hier tritt der Dritte als zusätzlicher Schuldner neben dem ursprünglich Verpflichteten in den Vertrag ein und wird ebenfalls verpflichtet, die vereinbarten Leistungen zu erbringen.
  • Vertrag mit Sicherungsabrede: Bei dieser Variante vereinbart der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer, einem Dritten bestimmte Leistungen zu erbringen, um dessen Forderung gegenüber dem Hauptschuldner abzusichern.

Rechtliche Grundlagen

Die rechtlichen Grundlagen für Verträge zugunsten Dritter finden sich in den §§ 328 bis 334 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die wichtigsten Vorschriften sind:

  • § 328 BGB: Vertrag zugunsten Dritter: Durch einen Vertrag kann jemand zugleich im eigenen Namen verpflichtet und im Namen eines Dritten berechtigt werden.
  • § 329 BGB: Anfechtung der Annahmeerklärung: Die Anfechtung eines Vertrags zugunsten Dritter richtet sich nach den für Anfechtungen geltenden Vorschriften mit entsprechenden Abweichungen.
  • § 330 BGB: Widerruf der Vereinbarung: Die Vereinbarung über die Rechtsposition des Dritten kann von den Vertragsparteien grundsätzlich nur gemeinsam aufgehoben oder abgeändert werden.
  • § 331 BGB: Annahme und Verlust des Rechts: Die Verpflichtung des Versprechenden kann von dem Dritten angenommen werden; sein Recht ist unentziehbar, sobald er seine Annahme erklärt hat.
  • § 332 BGB: Vertretung bei der Annahme: Der Dritte kann sich bei der Annahme durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen.
  • § 333 BGB: Einrede der Nacherfüllung: Kommt der Dritte aus einem Vertrag zugunsten Dritter in Anspruch, kann der Versprechende die Einrede der Nacherfüllung erheben.
  • § 334 BGB: Anspruch des Versprechenden auf Befriedigung: Der Versprechende kann bei einem Vertrag zugunsten Dritter vom Dritten die Befriedigung seiner Forderung gegen den Versprechensempfänger verlangen, wenn dieser seinerseits verpflichtet ist.

Für die Gültigkeit eines Vertrags zugunsten Dritter gelten die allgemeinen Voraussetzungen für schuldrechtliche Verträge: Einigung der Vertragsparteien über die Bestandteile des Vertrages, Vertragsgegenstand, Verpflichtung des Versprechenden zur Leistung und Zustandekommen des Vertrags durch Angebot und Annahme.

Aktuelle Gerichtsurteile

Im Folgenden stellen wir einige aktuelle Gerichtsurteile vor, die sich mit verschiedenen Aspekten von Verträgen zugunsten Dritter befassen.

Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 18. Mai 2016, Az. XII ZR 62/14

In diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass auch ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH einen Vertrag zugunsten Dritter abschließen kann. Hierbei wurde unter anderem klargestellt, dass die §§ 328 ff. BGB auch für juristische Personen gelten und dass die höchstpersönliche Natur des Vertrags zugunsten Dritter nicht entgegensteht. Darüber hinaus stellte der BGH fest, dass ein Vertrag zugunsten Dritter auch mündlich geschlossen werden kann.

Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Urteil vom 28. August 2015, Az. I-16 U 5/15

In diesem Fall befand das OLG Düsseldorf, dass die Erben eines Verstorbenen gegenüber dem Versprechensempfänger aus einem Vertrag zugunsten Dritter einen Herausgabeanspruch hinsichtlich bestimmter Gegenstände haben können. Damit wurde die Rechtsprechung bestätigt, dass jeder einzelne Erbe berechtigt ist, Leistungen aus dem Vertrag zugunsten Dritter geltend zu machen.

OLG Hamm, Urteil vom 7. April 2014, Az. 9 U 133/13

Das OLG Hamm entschied, dass bei einem Vertrag zugunsten Dritter die Einwendungen des Versprechenden gegen den Dritten nicht im Rahmen von § 333 BGB geltend gemacht werden können. Für eine erfolgreiche Berufung auf die Einrede der Nacherfüllung ist es laut Gericht erforderlich, dass der Versprechensempfänger in einer entsprechenden Leistungsbeziehung zum Dritten steht.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Im Folgenden beantworten wir einige häufig gestellte Fragen zum Thema Vertrag zugunsten Dritter:

Kann ein Vertrag zugunsten Dritter auch mündlich geschlossen werden?

Ja, grundsätzlich kann ein Vertrag zugunsten Dritter auch mündlich geschlossen werden. Allerdings sind hiervon Ausnahmen bei bestimmten Vertragstypen zu beachten, bei denen das Gesetz die Schriftform vorschreibt, wie z.B. bei Grundstückskaufverträgen.

Kann ein Vertrag zugunsten Dritter widerrufen oder abgeändert werden?

Grundsätzlich kann die Vereinbarung über die Rechtsposition des Dritten nur gemeinsam von allen Vertragsparteien aufgehoben oder abgeändert werden (§ 330 BGB). Allerdings ist dies nur möglich, solange der Dritte sein Recht noch nicht durch die Annahme erklärt hat.

Kann ich als Dritter den Vertrag auch ablehnen?

Ja, als begünstigter Dritter haben Sie grundsätzlich die Möglichkeit, den Vertrag zugunsten Dritter abzulehnen, indem Sie Ihre Annahme nicht erklären. Allerdings sollte dieser Schritt gut überlegt sein, da unter Umständen wertvolle Rechte verloren gehen können.

Fazit

Verträge zugunsten Dritter sind ein fester Bestandteil des Vertragsrechts und eröffnen vielfältige Möglichkeiten der Gestaltung von Vertragsbeziehungen. Eine sorgfältige Prüfung der rechtlichen Grundlagen, der aktuellen Rechtsprechung und der individuellen Konstellation ist jedoch von entscheidender Bedeutung, um mögliche Fallstricke und Risiken zu minimieren. Durch die enge Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Rechtsanwalt können mögliche Probleme frühzeitig erkannt und vermieden werden, sodass eine sachgerechte Regelung im Interesse aller Beteiligten gewährleistet ist.

Wir hoffen, dass dieser ausführliche Blog-Beitrag Ihnen bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Vertrag zugunsten Dritter helfen konnte. Sollten Sie weitere Fragen haben oder eine juristische Beratung wünschen, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.

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