In diesem Blog-Beitrag widmen wir uns dem Thema des Vorbehaltsnießbrauchs im Erbrecht, einer komplexen und häufig verwendeten Möglichkeit, um seine Nachlassplanung zu gestalten. Der Vorbehaltsnießbrauch bietet eine Reihe von Vorteilen, kann jedoch auch Nachteile mit sich bringen. Als erfahrener Rechtsanwalt für Erbrecht möchte ich Ihnen dabei helfen, ein besseres Verständnis für diese Thematik zu entwickeln. Dabei werde ich Ihnen den rechtlichen Hintergrund, Beispiele, Gesetze, aktuelle Gerichtsurteile und häufig gestellte Fragen zum Thema erläutern.

Inhaltsverzeichnis

Rechtliche Grundlagen des Vorbehaltsnießbrauchs im Erbrecht

Der Vorbehaltsnießbrauch ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Dabei handelt es sich um eine dingliche Verfügung, die grundsätzlich in einer notariellen Urkunde vereinbart und im Grundbuch eingetragen werden muss. Der Vorbehaltsnießbrauch kann sowohl in einem Testament als auch in einem Erbvertrag geregelt werden.

Der Vorbehaltsnießbrauch ermöglicht es dem Erblasser, weiterhin die Nutzungen aus der vererbten Sache zu ziehen und sich somit seine Lebensgrundlage zu sichern. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Vorbehaltsnießbrauch als ein Instrument der Vermögensnachfolge anerkannt, das dem Erblasser viele Optionen zur Gestaltung der Erbfolge bietet.

In § 1031 BGB ist der Vorbehaltsnießbrauch wie folgt definiert:

„Der Nießbrauch kann mit der Maßgabe bestellt werden, dass der Besteller die Nutzungen für sich vorbehält.“

Die Besonderheit des Vorbehaltsnießbrauchs liegt darin, dass die Nutzungsberechtigung nicht auf eine dritte Person übergeht, sondern beim Erblasser verbleibt. Dieser bleibt somit weiterhin voll im Besitz der wirtschaftlichen Nutzung der vererbten Sache und kann beispielsweise die Mieteinnahmen eines vermieteten Grundstücks erhalten oder die Früchte eines Grundstücks ernten.

Vorteile des Vorbehaltsnießbrauchs

Der Vorbehaltsnießbrauch bietet eine ganze Reihe von Vorteilen für den Erblasser, die ihn als Instrument der Vermögensnachfolge attraktiv machen:

  • Fürsorge für den Erblasser: Der Erblasser sichert sich seine wirtschaftlichen Lebensgrundlagen, indem er weiterhin im Besitz der Nutzungen der vererbten Sache bleibt. Gleichzeitig ermöglicht er dem Erben die rechtliche Eigentümerstellung, was z. B. für Kreditvergaben oder Steuerfestlegungen von Bedeutung sein kann.
  • Steuerersparnis: Durch die Vereinbarung eines Vorbehaltsnießbrauchs kann die Erbschaftsteuerlast reduziert werden. Da der Erblasser weiterhin im Genuss der Nutzungen bleibt, unterliegen die Erträge nur seiner Einkommenssteuer und fallen nicht unter die Erbschaftsteuer beim Erben.
  • Kontrolle über die Nachlassverwaltung: Der Erblasser behält die Verfügungsgewalt über die vererbten Gegenstände, der Erbe kann diese also nicht verkaufen oder sonstigen Verfügungen unterziehen, ohne die Zustimmung des Erblassers einzuholen.
  • Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Der Vorbehaltsnießbrauch kann durch einen Widerruf oder eine Aufhebung flexibel an neue Lebensumstände angepasst werden. So kann er etwa aufgrund von Streitigkeiten zwischen Erblasser und Erben aufgehoben oder zugunsten einer anderen Person eingeräumt worden.
  • Erhalt des Familienbesitzes: Ein Vorbehaltsnießbrauch kann dazu verwendet werden, den Familienbesitz innerhalb der Familie zu erhalten und gleichzeitig den Erblasser wirtschaftlich abzusichern.

Nachteile des Vorbehaltsnießbrauchs

Trotz der zahlreichen Vorteile, die ein Vorbehaltsnießbrauch im Erbrecht bieten kann, gibt es auch einige Nachteile, die man bei der Gestaltung der Vermögensnachfolge bedenken sollte:

  • Erben in der Verfügungsgewalt eingeschränkt: Dem Erben ist es nicht möglich, frei über die vererbten Gegenstände zu verfügen, solange der Vorbehaltsnießbrauch besteht. Das kann bei Bedarf nach Liquidität oder zum Beispiel bei einer Scheidung problematisch sein.
  • Notarielle Beurkundung und Eintragung im Grundbuch: Ein Vorbehaltsnießbrauch muss notariell beurkundet und im Grundbuch eingetragen werden. Dabei entstehen sowohl für die Beurkundung als auch für die Eintragung Kosten, die der Erblasser tragen muss.
  • Mögliche Verwertungsprobleme: Der Vorbehaltsnießbrauch kann den Wert der vererbten Gegenstände für potenzielle Käufer oder Gläubiger senken, da sie nicht ohne weiteres verfügbar sind.
  • Mögliche Haftungs- und Steuerkonsequenzen für den Erben: Der Erbe haftet als rechtlicher Eigentümer für die Verbindlichkeiten, die mit den vererbten Gegenständen verbunden sind. Zudem fällt bei einer Grundstücksübertragung mit Vorbehaltsnießbrauch Grunderwerbsteuer an.

Beispiele zum Verständnis des Vorbehaltsnießbrauchs

Um das Konzept des Vorbehaltsnießbrauchs greifbarer zu machen, möchte ich Ihnen zwei Beispiele vorstellen, die die Anwendung in der Praxis veranschaulichen.

Beispiel 1: Eheleute und ein Hausgrundstück

Herr und Frau Müller sind verheiratet und besitzen ein Hausgrundstück. Sie möchten das Hausgrundstück bereits zu Lebzeiten an ihre Tochter Anna übertragen, jedoch weiterhin das Wohnrecht für sich und die Möglichkeit, die Mieteinnahmen aus der vermieteten Einliegerwohnung zu behalten.

Hier bietet sich ein Vorbehaltsnießbrauch an, der im notariellen Überlassungsvertrag vereinbart wird und im Grundbuch eingetragen wird. Anna ist damit rechtliche Eigentümerin des Hausgrundstücks, Herr und Frau Müller behalten jedoch das Wohnrecht und die Mieteinnahmen.

Beispiel 2: Unternehmensübergabe mit Vorbehaltsnießbrauch

Herr Schneider ist 60 Jahre alt und Inhaber einer gut laufenden Bäckerei. Er möchte sich langsam aus dem Tagesgeschäft zurückziehen und die Bäckerei an seinen Sohn Peter übertragen. Gleichzeitig möchte er aber weiterhin die Gewinne der Bäckerei erhalten, um seine Altersvorsorge zu sichern.

Auch in diesem Fall kann ein Vorbehaltsnießbrauch eine sinnvolle Lösung sein. Herr Schneider überträgt die Bäckerei samt den Geschäftsräumen an Peter unter Vorbehalt des Nießbrauchs. So wird Peter rechtlicher Eigentümer, jedoch fließen die Gewinne weiterhin an Herrn Schneider. Dies gilt auch für eventuelle Veräußerungsgewinne, die im Rahmen der Unternehmensführung durch Peter erzielt werden.

Aktuelle Rechtsprechung zum Vorbehaltsnießbrauch

Die Rechtsprechung zum Vorbehaltsnießbrauch wird maßgeblich vom Bundesgerichtshof (BGH) geprägt. Einige wichtige Entscheidungen möchte ich Ihnen zur Verdeutlichung der Materie vorstellen:

BGH, Urteil vom 07.11.2012 – IV ZB 26/12

In diesem Urteil hat der BGH entschieden, dass ein Vorbehaltsnießbrauch automatisch erlischt, wenn der Nutzungsberechtigte (hier: der Erblasser) stirbt. Im vorliegenden Fall hatte der Erblasser das Grundstück an seine Tochter übertragen und sich einen Vorbehaltsnießbrauch einräumen lassen. Das Grundbuchamt lehnte jedoch die Umschreibung nach seinem Tod ab, weil es der Auffassung war, dass der Vermerk des erloschenen Nießbrauchs einen neuen Grundbuchbeschluss erfordere.

Der BGH entschied, dass der Vorbehaltsnießbrauch mit dem Tod des Erblassers automatisch erlischt und keine weiteren Maßnahmen erforderlich sind. Das Grundbuchamt muss daher die Umschreibung ohne weiteres zulassen.

BGH, Urteil vom 27.03.2013 – IV ZR 230/11

In diesem Fall hatte der Erblasser ein Grundstück an seinen Sohn übertragen und sich einen Vorbehaltsnießbrauch eintragen lassen. Im Testament hatte der Erblasser jedoch verfügt, dass die Nutzungen aus dem Grundstück nach seinem Tod auf seine Ehefrau übergehen sollten. Der BGH stellte klar, dass ein solcher Übergang der Nießbrauchsberechtigung grundsätzlich zulässig ist, jedoch eine entsprechende Regelung im notariellen Übertragungsvertrag selbst enthalten sein muss. Eine Regelung im Testament allein ist nicht ausreichend.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Vorbehaltsnießbrauch

Kann der Vorbehaltsnießbrauch widerrufen werden?

Ja, grundsätzlich kann der Vorbehaltsnießbrauch widerrufen werden. Dies kann entweder im ursprünglichen Übertragungsvertrag vereinbart oder in einer späteren notariell beurkundeten Vereinbarung festgelegt werden. Im Falle eines Widerrufs entfällt der Vorbehaltsnießbrauch und der Erbe erhält uneingeschränkte Verfügungsgewalt über die vererbte Sache.

Wie hoch sind die Kosten für einen Vorbehaltsnießbrauch?

Die Kosten für einen Vorbehaltsnießbrauch setzen sich aus den Kosten für die notarielle Beurkundung und der Grundbucheintragung zusammen. Die Höhe der Kosten richtet sich nach dem Geschäftswert der vererbten Sache und kann daher stark variieren. Ein Notar kann hierzu eine konkrete Kostenaufstellung erstellen.

Kann der Vorbehaltsnießbrauch auch auf bewegliche Sachen angewendet werden?

Prinzipiell ist der Vorbehaltsnießbrauch auf bewegliche Sachen anwendbar, jedoch ergeben sich in der Praxis oft Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des Nießbrauchsrechts. Da keine Eintragung im Register erfolgt, können Dritte nicht ohne Weiteres erkennen, dass der Erblasser die Nutzungsberechtigung für die bewegliche Sache vorbehält. In solchen Fällen kann eine entsprechende schriftliche Vereinbarung zwischen Erblasser und Erben hilfreich sein, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Welche steuerlichen Folgen hat der Vorbehaltsnießbrauch?

Der Vorbehaltsnießbrauch kann sowohl erbschaftsteuerliche als auch einkommensteuerliche Folgen haben. Einerseits kann die Erbschaftsteuerbelastung für den Erben reduziert werden, da die Nutzungen dem Erblasser zugerechnet werden und somit nicht unter die Erbschaftsteuer beim Erben fallen. Andererseits müssen die Erträge, die der Erblasser durch den Vorbehaltsnießbrauch erhält, in dessen Einkommensteuererklärung angegeben werden und unterliegen somit der Einkommensteuer. Bei einer Grundstücksübertragung mit Vorbehaltsnießbrauch fällt zudem Grunderwerbsteuer an.

Fazit

Der Vorbehaltsnießbrauch ist ein vielschichtiges und komplexes Instrument im Erbrecht, das dem Erblasser viele Gestaltungsmöglichkeiten bietet. Er ermöglicht die Sicherung der wirtschaftlichen Lebensgrundlage des Erblassers, kann jedoch auch Nachteile für den Erben mit sich bringen. Die genauen Vor- und Nachteile sowie mögliche steuerliche Auswirkungen sollten in jedem Einzelfall sorgfältig abgewogen und gegebenenfalls mit Hilfe eines erfahrenen Anwalts für Erbrecht geprüft werden.

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