Als Rechtsanwalt, der sich auf Strafrecht spezialisiert hat, taucht in meiner Praxis immer wieder das Thema Antragsdelikte auf. Die Verfahren sind komplex und viele Menschen, die mit einem Antragsdelikt konfrontiert werden, sind sich nicht im Klaren darüber, welche rechtlichen Schritte sie ergreifen sollten und welche Konsequenzen sie erwarten können. In diesem Blog-Artikel möchte ich Aufschluss darüber geben, was Antragsdelikte sind, wie sie funktionieren und welche gesetzlichen Regelungen es gibt. Außerdem werde ich einige aktuelle Beispiele und Gerichtsurteile anführen, um zu verdeutlichen, wie Antragsdelikte in der Praxis gehandhabt werden.

Was sind Antragsdelikte?

Antragsdelikte sind Straftaten, die im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) geregelt sind und die grundsätzlich erst verfolgt werden, wenn das Opfer, also der Geschädigte, einen Strafantrag stellt. Sie zählen zum sogenannten Antragsrecht und sind von Verbrechen und anderen Vergehen abzugrenzen, bei denen die Strafverfolgungsbehörden von Amts wegen, also ohne Antrag des Geschädigten, ermitteln müssen.

Antragsdelikte haben im deutschen Strafrecht eine besondere Bedeutung, weil sie grundsätzlich dem Schutz privater Interessen und der Selbstbestimmung des Geschädigten dienen. Die Strafverfolgung von Antragsdelikten hängt deshalb von der Initiative des Opfers ab.

Einige Beispiele für Antragsdelikte sind:

Konsequenzen für Opfer und Täter

Beim Anzeigen eines Antragsdelikts gibt es für Opfer und Täter verschiedene Konsequenzen zu beachten. Hier sind einige wichtige Aspekte, die den Ablauf und die rechtlichen Folgen eines Antragsdelikts betreffen:

  • Ein Antrag muss innerhalb einer bestimmten Frist gestellt werden. In der Regel beträgt diese Frist drei Monate ab Kenntnis des Täters und der Tat, andernfalls ist der Antrag verfristet und kann nicht mehr verfolgt werden (§ 77d StGB).
  • Ein Geschädigter kann seinen Antrag zurückziehen. Der Rücktritt ist unwiderruflich und führt dazu, dass das Ermittlungsverfahren wieder eingestellt wird, sofern keine weiteren Anforderungen vorliegen (§ 77e StGB).
  • Wenn das Opfer stirbt, geht das Antragsrecht auf verschiedene in § 77 StGB genannte Personen über, beispielsweise den Ehegatten oder die Kinder des Geschädigten. Diese Personen können dann entscheiden, ob sie einen Antrag stellen oder weiterverfolgen möchten.
  • In bestimmten Fällen kann die Staatsanwaltschaft bei Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses auch ohne Antrag des Geschädigten ein Ermittlungsverfahren einleiten (§ 230 StGB).

Bezug zu anderen Straftatbeständen

Antragsdelikte müssen von sogenannten Amtsdelikten unterschieden werden. Hierbei handelt es sich um Straftaten, bei denen die Strafverfolgung grundsätzlich von Amts wegen erfolgt. Zu Amtsdelikten zählen zum Beispiel:

Bei Amtsdelikten hat das Opfer kein Antragsrecht und kann demnach ein Ermittlungsverfahren oder die Verurteilung des Täters nicht eigenständig verhindern. Eine Anzeige des Geschädigten kann jedoch dazu führen, dass die Strafverfolgungsbehörden von einem Delikt erfahren und ein Ermittlungsverfahren einleiten.

Amtsanmaßung

In den Fällen in denen die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren auch ohne Antrag einleiten kann, handelt es sich um eine Ausnahme von der Regel, dass Antragsdelikte nur auf Antrag des Geschädigten verfolgt werden. Eine solche Ausnahme liegt beispielsweise bei Delikten vor, die einen erhöhten Unrechts- oder Schuldgehalt aufweisen oder bei denen mehrere Personen gemeinschaftlich handeln.

Gerichtsurteile und Beispiele

In den letzten Jahren gab es mehrere interessante Fälle und Entscheidungen von Gerichten zum Thema Antragsdelikte:

  • 2015 entschied das Landgericht Düsseldorf (20 Qs 3/15), dass der Betreiber eines Restaurants nicht wegen eines Antragsdelikts verfolgt werden kann, wenn er vergessen hat, die sogenannte GEMA-Gebühr zu zahlen. Die Staatsanwaltschaft hatte das Ermittlungsverfahren gegen den Betreiber eingestellt, weil die GEMA keinen Strafantrag gestellt hatte. Das Gericht hatte daraufhin zu entscheiden, ob es die Einstellung akzeptieren sollte.
  • Im Jahr 2017 gab es einen Fall, in dem ein Hooligan mehrere Personen beleidigt hatte, indem er sie öffentlich als „Schwule“ bezeichnete. Die Geschädigten stellten daraufhin einen Strafantrag wegen Beleidigung. Das Amtsgericht Dortmund (729 Ds 225 Js 620/15) verurteilte den Hooligan wegen elffacher Beleidigung zu einer Geldstrafe.
  • Das Oberlandesgericht Oldenburg (1 Ss 227/17) entschied 2017, dass diejenigen, die mit Zustimmung des Geschädigten dessen Körper verletzen (z.B. bei Piercing oder Tätowierungen), nicht wegen (leichter) Körperverletzung verurteilt werden könnten, sofern sie nicht gegen die Sorgfaltspflicht verstoßen haben. Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Entscheidung später (4 StR 534/17).

FAQs

Wie stelle ich einen Antrag wegen eines Antragsdelikts?
Ein Antrag kann bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder direkt beim zuständigen Amtsgericht gestellt werden. Der Antrag kann mündlich oder schriftlich erfolgen, sollte jedoch in jedem Fall die Tat und den Täter genau beschreiben.

Wie lange habe ich Zeit, einen Antrag zu stellen?
Die Frist zur Antragstellung beträgt in der Regel drei Monate ab Kenntnis des Täters und der Tat (§ 77d StGB). Danach ist der Antrag verfristet und kann in der Regel nicht mehr verfolgt werden.

Kann ich meinen Antrag zurückziehen?
Ja, der Geschädigte kann seinen Antrag zurückziehen. Der Rücktritt ist unwiderruflich und führt dazu, dass das Ermittlungsverfahren wieder eingestellt wird (§ 77e StGB).

Was passiert, wenn ich als Geschädigter sterbe?
Wenn der Geschädigte stirbt, geht das Antragsrecht auf bestimmte Personen über (§ 77 StGB), beispielsweise auf den Ehegatten oder die Kinder. Diese können dann entscheiden, ob sie einen Antrag stellen oder weiterverfolgen möchten.

Was ist der Unterschied zwischen einem Antragsdelikt und einem Amtsdelikt?
Antragsdelikte sind Straftaten, die nur auf Antrag des Geschädigten verfolgt werden. Amtsdelikte hingegen werden grundsätzlich von Amts wegen verfolgt, das heißt ohne Antrag des Geschädigten.

Zusammenfassung und Fazit

Antragsdelikte spielen im deutschen Strafrecht eine wichtige Rolle, da sie dem Schutz privater Interessen und der Selbstbestimmung des Geschädigten dienen. Sie erfordern eine aktive Beteiligung des Opfers, das die Strafverfolgung durch das Stellen eines Antrags und die Einhaltung der Antragsfrist in die Wege leiten muss. In einigen Fällen kann die Staatsanwaltschaft auch von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren einleiten, wenn ein besonderes öffentliches Interesse vorliegt.

Auch wenn Antragsdelikte im Vergleich zu Amtsdelikten weniger schwerwiegend sind, kann ihre Ahndung dennoch erhebliche Auswirkungen auf die Beteiligten haben. Eine anwaltliche Beratung kann von großem Nutzen sein, um die rechtlichen Möglichkeiten und Folgen eines Antragsdeliktes richtig einzuschätzen und angemessen zu handeln.

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