Anwalt befangen – Eine Frage, die sowohl für Rechtsanwälte als auch deren Mandanten wichtig ist, ist: Wann ist ein Anwalt befangen und welche Konsequenzen hat dies für beide Parteien? Im folgenden Beitrag möchten wir Ihnen diesen Begriff näher erläutern und Ihnen aufzeigen, wie Sie in solchen Situationen vorgehen sollten, um Ihre rechtlichen Interessen bestmöglich zu schützen.

Was bedeutet Befangenheit bei einem Anwalt?

Befangenheit bei einem Anwalt bedeutet, dass dieser aufgrund persönlicher oder beruflicher Verwicklungen nicht in der Lage ist, einen Mandanten in einer Rechtsangelegenheit objektiv zu vertreten. Eine solche Befangenheit kann aus verschiedenen Gründen entstehen, wie etwa aufgrund familiärer, freundschaftlicher oder wirtschaftlicher Verbindungen. In solchen Fällen ist der Anwalt verpflichtet, sich vor Beginn seiner Tätigkeit vom Mandat zurückzuziehen oder das Mandat abzugeben.

Rechtliche Grundlagen der Befangenheit

Die Befangenheit eines Rechtsanwalts ist in Deutschland in verschiedenen Gesetzen geregelt. Die wichtigsten Regelungen finden sich in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) und der Standesregelung der Rechtsanwälte in der Europäischen Union (EuRAG).

In § 45 BRAO heißt es beispielsweise, dass ein Rechtsanwalt ein entgegenstehendes Interesse nicht vertreten darf. Hierzu zählen sowohl eigene Interessen des Anwalts als auch solche, die im Widerspruch zu den Interessen seiner anderen Mandanten stehen. Des Weiteren bestimmt § 3 Abs. 1 BORA, dass ein Rechtsanwalt seinen Beruf gewissenhaft und unabhängig auszuüben hat. Er ist demnach verpflichtet, auf die Interessen seiner Auftraggeber unter Beachtung der rechtlichen Grenzen Rücksicht zu nehmen.

In der Standesregelung der Rechtsanwälte in der Europäischen Union finden sich ebenfalls Vorgaben zur Befangenheit. So heißt es in Artikel 8 Abs. 1 EuRAG, dass ein Rechtsanwalt von der Vertretung eines Mandanten in einer bestimmten Angelegenheit ausgeschlossen ist, wenn er bereits in dieser Angelegenheit oder in einer sehr ähnlichen Angelegenheit einen anderen Mandanten vertreten hat.

Typische Situationen, in denen ein Anwalt befangen sein kann

Lesen Sie hier mehr über typische Situationen, in denen ein Anwalt befangen sein kann.

Vertretung gegen eigene Verwandte oder Freunde

Eine häufige Situation, in der ein Anwalt befangen sein kann, ergibt sich, wenn dieser gegen eigene Verwandte oder Freunde vorgehen soll. Aufgrund der familiären oder freundschaftlichen Beziehungen kann in solchen Fällen eine objektive Vertretung des Mandanten nicht gewährleistet werden. Daher ist der Anwalt verpflichtet, das Mandat abzulehnen.

Wirtschaftliche Verbindungen

Eine weitere Situation, in der eine Befangenheit entstehen kann, liegt vor, wenn der Anwalt wirtschaftliche Verbindungen zu einer der Parteien oder auch zur Gegenseite hat. Zum Beispiel könnte der Anwalt Gesellschafter eines Unternehmens sein, das in einen Rechtsstreit verwickelt ist. In solchen Fällen kann die objektive Vertretung des Mandanten gefährdet sein, weshalb der Anwalt das Mandat ebenfalls ablehnen oder zurückgeben sollte.

Zeugeneigenschaft

Eine Befangenheit kann auch dann vorliegen, wenn der Anwalt selbst als Zeuge in einem Verfahren in Betracht kommt. In dieser Situation besteht die Gefahr, dass der Anwalt den Sachverhalt nicht objektiv beurteilen kann, da er möglicherweise selbst an der Entstehung der Rechtsstreitigkeit beteiligt war. Auch hier ist der Anwalt gehalten, das Mandat niederzulegen.

Vertretung mehrerer Parteien

Ein Anwalt kann zudem befangen sein, wenn er mehrere Parteien in einer Rechtsangelegenheit vertritt, bei der entgegenstehende Interessen bestehen. Hier besteht das Risiko, dass der Anwalt nicht alle Interessen gleichzeitig angemessen vertreten kann. Um einen Interessenkonflikt zu vermeiden, sollte der Anwalt in solchen Fällen entweder beide Mandate niederlegen oder Vorkehrungen treffen, dass die einzelnen Parteien von verschiedenen Anwälten innerhalb seiner Kanzlei vertreten werden.

Frühere Tätigkeit für die Gegenseite

Ein Anwalt kann auch dann befangen sein, wenn er in einer früheren Rechtsangelegenheit bereits einmal für die Gegenseite eines jetzigen Mandanten tätig geworden ist. In solch einem Fall besteht die Möglichkeit, dass der Anwalt im aktuellen Mandat Informationen und Wissen aus der früheren Zusammenarbeit mit der Gegenseite verwendet, was unzulässig wäre. Um die Objektivität der Vertretung sicherzustellen, sollte der Anwalt das Mandat in diesem Fall abgeben.

Mögliche Folgen einer Befangenheit

Wird ein Rechtsanwalt tätig, obwohl er befangen ist, kann dies verschiedene Konsequenzen haben. Zum einen kann der Mandant den Anwalt wegen Verstoßes gegen die Berufsordnung auf Schadensersatz verklagen, wenn ihm durch die Befangenheit ein Schaden entstanden ist. Darüber hinaus kann der Mandant eine Beschwerde bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer einreichen, die dann eine berufsrechtliche Prüfung durchführt.

Die Rechtsanwaltskammer kann in schweren Fällen bei Verstößen gegen die Berufspflichten disziplinarische Maßnahmen gegen den Anwalt einleiten, die bis hin zu einem Verweis, einer Geldbuße oder sogar einem Berufsverbot reichen können.

Wie sollte man vorgehen, wenn man den Verdacht hat, dass der eigene Anwalt befangen ist?

Sollten Sie als betroffene Person den Eindruck bekommen, dass Ihr Anwalt aufgrund von Befangenheit Ihr Rechtsanliegen nicht angemessen vertritt, ist es wichtig, schnell und angemessen zu handeln, um Ihre rechtlichen Interessen zu schützen.

Sprechen Sie den Anwalt auf Ihre Bedenken an

Der erste Schritt sollte immer sein, den Anwalt offen und ehrlich auf Ihre Bedenken anzusprechen. Schildern Sie ihm Ihre Wahrnehmung und fragen Sie ihn nach seiner Meinung zur Sache. Geben Sie ihm die Möglichkeit, Ihre Bedenken auszuräumen oder zu erklären, wie er trotz möglicher Befangenheit eine objektive Vertretung gewährleisten kann.

Überprüfen Sie die Rechtslage selbst

Informieren Sie sich auch selbst umfassend über die Rechtslage und die gesetzlichen Vorschriften zur Befangenheit. So können Sie einerseits besser abschätzen, wie schwerwiegend der Verdacht ist, und andererseits gegebenenfalls beim nächsten Gespräch mit Ihrem Anwalt fundierter argumentieren.

Suchen Sie gegebenenfalls einen anderen Anwalt auf

Wenn Sie sich weiterhin unsicher sind, ob Ihr Anwalt trotz Ihrer Bedenken objektiv und unabhängig handelt, sollten Sie überlegen, den Rat eines anderen Anwalts einzuholen. Dieser kann die Situation aus seiner Sicht bewerten und Ihnen bei Bedarf bei der Suche nach einem neuen Anwalt behilflich sein.

Ziehen Sie rechtliche Schritte in Betracht

Sollten Sie zu dem Schluss kommen, dass Ihr Anwalt tatsächlich befangen ist und Sie Ihr Rechtsanliegen nicht ausreichend vertritt, sollten Sie auch die Möglichkeit ins Auge fassen, rechtliche Schritte gegen ihn einzuleiten. Hierzu zählen beispielsweise Schadensersatzklagen oder eine Beschwerde bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer.

Fazit

Die Befangenheit eines Anwalts ist eine ernstzunehmende Angelegenheit, die sowohl für den Anwalt selbst als auch für seinen Mandanten weitreichende Konsequenzen haben kann. Um eine objektive und unabhängige Vertretung sicherstellen zu können, sollten Anwälte sensibel mit Situationen umgehen, in denen ihre Befangenheit in Frage gestellt werden könnte.

Haben Sie als betroffene Person Zweifel an der Objektivität Ihres Anwalts, gilt es, diese Bedenken offen anzusprechen und gegebenenfalls rechtliche Schritte in Betracht zu ziehen, um Ihre rechtlichen Interessen bestmöglich zu schützen.

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