Erbfall im Ausland – In einer immer stärker globalisierten und vernetzten Welt ist es keine Seltenheit mehr, dass Menschen im Ausland leben und arbeiten. Die internationale Mobilität ist mittlerweile eine Selbstverständlichkeit geworden, was jedoch in rechtlichen Angelegenheiten, insbesondere im Erbrecht, eine Reihe von Besonderheiten und Herausforderungen mit sich bringt. Der Zweck dieses Beitrags besteht darin, sowohl Erblassern als auch Erben einen umfassenden Einblick in die rechtlichen Regelungen und Fallstricke eines Erbfalls im Ausland zu geben. Dabei werden sowohl zentrale rechtliche Aspekte erörtert als auch praktische Tipps und Empfehlungen gegeben, um mögliche Probleme und Missverständnisse zu vermeiden.

Inhaltsverzeichnis:

  • Grundzüge des internationalen Erbrechts
  • Deutsches Erbrecht vs. ausländisches Erbrecht
  • Anwendbares Recht im Erbfall im Ausland
  • Anerkennung ausländischer Testamente
  • Erbschaftssteuer im internationalen Kontext
  • Vorsorgende Maßnahmen und Tipps
  • Fragen und Antworten

Grundzüge des internationalen Erbrechts

Das internationale Erbrecht ist ein komplexes und vielfältiges Rechtsgebiet, das nationale und internationale Gesetze, Verordnungen und Abkommen berührt. In erster Linie regelt es die Frage, welches nationale Erbrecht auf einen Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug anzuwenden ist. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte oder im Ausland Vermögen besaß.

Bei der Beurteilung, welches nationale Erbrecht anwendbar ist, spielen sowohl die Staatsangehörigkeit des Erblassers als auch der Ort seines letzten gewöhnlichen Aufenthalts und die Lage seines Vermögens eine entscheidende Rolle:

  • Das Erbrecht des Staates, dem der Erblasser angehört (z.B. deutsche Staatsangehörigkeit, deutsches Erbrecht)
  • Das Erbrecht des Staates, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte
  • Das Erbrecht des Staates, in dem sich Vermögensgegenstände des Erblassers befinden.

Deutsches Erbrecht vs. ausländisches Erbrecht

Das deutsche Erbrecht unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von ausländischen Erbrechtsordnungen. Eine zentrale Besonderheit des deutschen Erbrechts ist das Konzept der gesetzlichen Erbfolge, bei dem die Erben von Gesetzes wegen eingesetzt werden, also ohne ausdrückliche Erbeinsetzung durch den Erblasser. Dies gilt insbesondere, wenn der Erblasser kein Testament hinterlassen hat oder ein Testament unwirksam ist.

In anderen Rechtsordnungen können hingegen ganz unterschiedliche Regelungen gelten. So gibt es beispielsweise Länder, in denen das Erbrecht aufgrund von religiösen und kulturellen Einflüssen anders gestaltet ist, wie etwa in Ländern mit islamischem Recht.

Es ist daher von großer Bedeutung, sich über die erbrechtlichen Regelungen im jeweiligen Land, in dem ein Erbfall eintreten könnte, zu informieren und entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

Anwendbares Recht im Erbfall im Ausland

Die Frage, welches Erbrecht im Einzelfall zur Anwendung kommt, richtet sich in Deutschland nach der Europäischen Erbrechtsverordnung (EUErbVO), die seit dem 17. August 2015 gilt. Die EUErbVO sieht grundsätzlich vor, dass das Erbrecht des Staates anzuwenden ist, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Diese Regelung gilt unabhängig davon, ob der Erblasser die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates oder eines Drittstaates besitzt.

Die Regelung des gewöhnlichen Aufenthalts wird jedoch dann durchbrochen, wenn der Erblasser in einer letztwilligen Verfügung (z.B. Testament oder Erbvertrag) das Recht seines Heimatlandes als anwendbares Recht wählt. Diese Rechtswahl ermöglicht es, eine einheitliche Rechtsgrundlage für den gesamten Nachlass zu schaffen und mögliche Probleme bei der Nachlassabwicklung zu reduzieren.

Anerkennung ausländischer Testamente

Die Anerkennung von im Ausland errichteten Testamenten ist für die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung von großer Bedeutung. Grundsätzlich gilt gemäß Art. 75 EUErbVO, dass ein Testament, das im Ausland errichtet wurde, in Deutschland anzuerkennen ist, wenn es nach dem Recht des Staates, in dem es errichtet wurde oder nach dem Recht des Staates, dem der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung oder seines Todes angehört, wirksam ist.

Dies bedeutet jedoch nicht immer, dass ein ausländisches Testament ohne Weiteres rechtlichen Bestand hat. Es können dennoch nationale Beschränkungen oder zwingende Vorschriften des anwendbaren Erbrechts die Wirksamkeit einschränken. Bei Unklarheiten empfiehlt es sich daher, die Hilfe eines im internationalen Erbrecht erfahrenen Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen.

Erbschaftssteuer im internationalen Kontext

Im Erbfall kann auch die Erbschaftssteuer grenzüberschreitende Besonderheiten aufweisen. Grundsätzlich ist die Erbschaftssteuer in dem Staat zu entrichten, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Auch hier kann jedoch im Rahmen einer letztwilligen Verfügung die Anwendung des Steuerrechts der eigenen Staatsangehörigkeit gewählt werden.

Das deutsche Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz sieht zudem die Möglichkeit einer Steuerfreistellung für im Ausland befindliche Vermögensgegenstände vor, sofern zwischen Deutschland und dem betreffenden Land ein Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Erbschaftssteuer besteht.

Es ist daher ratsam, sich im Vorfeld über die steuerlichen Regelungen im jeweiligen Land zu informieren und entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu treffen.

Vorsorgende Maßnahmen und Tipps für einen Erbfall im Ausland

Um mögliche rechtliche und praktische Probleme bei einem Erbfall im Ausland zu vermeiden, sollten Sie die folgenden vorsorgenden Maßnahmen und Tipps berücksichtigen:

Letztwillige Verfügung unter Berücksichtigung des internationalen Erbrechts

Errichten Sie ein Testament oder einen Erbvertrag, in dem Sie das anwendbare Erbrecht bestimmen. Durch eine ausdrückliche Rechtswahl können Sie festlegen, welches nationale Erbrecht auf Ihren Nachlass angewendet werden soll. Zudem sollten Sie Ihre Erbfolge und die Verteilung des Vermögens detailliert regeln, um Streitigkeiten unter den Erben vorzubeugen.

Konsultation eines Rechtsanwalts mit internationaler Expertise

Ziehen Sie einen im internationalen Erbrecht erfahrenen Rechtsanwalt hinzu, um sich umfassend über die Besonderheiten und Regelungen im jeweiligen Land zu informieren. Der Rechtsanwalt kann Ihnen auch dabei helfen, mögliche steuerliche Auswirkungen zu klären und Ihre letztwillige Verfügung rechtskonform und wirksam zu gestalten.

Abgleich und Anpassung vorhandener Testamente

Überprüfen Sie Ihre bereits erstellten Testamente und passen Sie diese gegebenenfalls an die internationalen Regelungen und Gegebenheiten an. Dabei sollten Sie auch die Anerkennung Ihres Testaments im jeweiligen Land sicherstellen, um Verzögerungen oder Schwierigkeiten bei der Nachlassabwicklung zu vermeiden.

Ausstellung einer Vollmacht für den Erbschaftsfall

Erteilen Sie einer vertrauenswürdigen Person (z.B. einem Familienmitglied oder Rechtsanwalt) eine Vollmacht für den Erbschaftsfall. Diese Person kann in Ihrem Namen und im Sinne Ihrer letztwilligen Verfügung handeln. Damit wird die Kommunikation und der Umgang mit ausländischen Behörden und Institutionen für Ihre Erben erleichtert.

Dokumentation und Sicherung von Vermögenswerten im Ausland

Erstellen Sie eine übersichtliche Dokumentation Ihrer im Ausland befindlichen Vermögenswerte. Informieren Sie Ihre Erben darüber, wo die Dokumentation aufbewahrt wird und wie sie im Erbfall darauf zugreifen können. Auf diese Weise können Ihre Erben den Überblick über Ihre ausländischen Vermögenswerte behalten und diese werden in die Nachlassabwicklung einbezogen.

Kommunikation und Koordination mit ausländischen Stellen

Bereits vor Eintritt des Erbfalls sollten Sie Kontakte zu ausländischen Behörden, Notaren und Rechtsanwälten herstellen, um mögliche Komplikationen bei der Nachlassabwicklung frühzeitig zu erkennen und gemeinsame Lösungen zu erarbeiten.

Absicherung der finanziellen Interessen Ihrer Erben

Um Ihre Erben finanziell abzusichern und insbesondere mögliche Steuerbelastungen zu minimieren, sollten Sie bereits vor Ihrem Todesfall entsprechende Regelungen treffen, etwa durch Schenkungen, Vermögensübertragungen oder die Absicherung durch eine Lebensversicherung mit Begünstigung Ihrer Erben.

Indem Sie diesen vorsorgenden Maßnahmen und Tipps folgen, können Sie nicht nur Unklarheiten und Streitigkeiten im Erbfall vermeiden, sondern auch Ihren Erben den Umgang mit der komplexen Nachlassabwicklung im internationalen Kontext erleichtern. Dabei ist die Zusammenarbeit und Kommunikation mit einem im internationalen Erbrecht erfahrenen Rechtsanwalt für die erfolgreiche und rechtskonforme Abwicklung Ihres Nachlasses von entscheidender Bedeutung.

Fragen und Antworten

In diesem Abschnitt finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen in Bezug auf internationale Erbfälle und deren Regelungen:

Wie kann ich sicherstellen, dass mein im Ausland errichtetes Testament in Deutschland anerkannt wird?

Um die Anerkennung eines im Ausland errichteten Testaments in Deutschland sicherzustellen, sollte das Testament in Übereinstimmung mit den formalen Anforderungen des Staates, in dem es errichtet wurde oder nach dem Recht des Staates, dem der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung oder seines Todes angehört, erstellt sein. Eine Rechtswahl im Testament kann zusätzliche Klarheit über das anzuwendende Erbrecht schaffen. Dennoch empfiehlt es sich, die Hilfe eines im internationalen Erbrecht erfahrenen Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen, um sicherzustellen, dass das ausländische Testament in Deutschland anerkannt wird.

Wie werden im Ausland befindliche Vermögensgegenstände in die Erbmasse einbezogen?

Um im Ausland befindliche Vermögensgegenstände in die Erbmasse einzubeziehen, sollte eine umfassende Bestandsaufnahme aller im Ausland befindlichen Vermögenswerte erfolgen. Diese Werte sollten im Testament oder in einer Erbverfügung berücksichtigt werden. Bei der Verteilung und Abwicklung der Vermögenswerte kann es hilfreich sein, die Unterstützung eines Rechtsanwalts hinzuzuziehen, der mit den jeweiligen Regelungen des ausländischen Erbrechts vertraut ist, um etwaige Schwierigkeiten oder Verzögerungen bei der Aufteilung und Übertragung der Vermögensgegenstände zu vermeiden.

Kann ich von einer im Ausland anfallenden Erbschaftssteuer befreit werden?

In einigen Fällen kann es möglich sein, von einer im Ausland anfallenden Erbschaftssteuer befreit zu werden, wenn zwischen Deutschland und dem betreffenden Land ein Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Erbschaftssteuer besteht. Die Befreiung hängt jedoch von den Details des jeweiligen Abkommens ab und kann verschieden ausgestaltet sein. Um herauszufinden, ob und in welchem Umfang eine Steuerbefreiung möglich ist, empfiehlt es sich, die Hilfe eines steuerlichen Beraters oder Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen.

Wie kann ich meinen Erben den Umgang mit ausländischen Behörden und Institutionen erleichtern?

Um Ihren Erben den Umgang mit ausländischen Behörden und Institutionen zu erleichtern, kann es sinnvoll sein, während Ihrer Lebzeit einen Verantwortlichen in dem jeweiligen Land zu benennen, der bei der Abwicklung des Nachlasses unterstützt. Dies kann beispielsweise ein Rechtsanwalt oder Notar sein, der auf das ausländische Erbrecht spezialisiert ist. Zudem kann die Erteilung einer Vollmacht für den Erbschaftsfall hilfreich sein, um Vertretungsregelungen im Ausland zu erleichtern und den Erben den Zugang zu notwendigen Informationen und Dokumenten zu ermöglichen.

Fazit: Erfolgreiche Nachlassabwicklung im internationalen Kontext

Ein Erbfall im Ausland wirft zahlreiche rechtliche und steuerliche Fragen auf und kann für alle Beteiligten eine Herausforderung darstellen. Die Beachtung der Besonderheiten und Regelungen des internationalen Erbrechts sowie die Einbeziehung länderspezifischer Vorgaben sind für eine erfolgreiche und stressfreie Abwicklung des Erbfalls unerlässlich.

Erben und Erblasser sollten sich frühzeitig über die erbrechtlichen Regelungen im jeweiligen Land informieren und in enger Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Rechtsanwalt für internationales Erbrecht Vorsorgemaßnahmen treffen. Letztwillige Verfügungen, die das anwendbare Erbrecht festlegen, sowie die Erteilung von Vollmachten können dabei helfen, möglichen Streitigkeiten und Unklarheiten vorzubeugen und den Erben den Umgang mit den ausländischen Behörden und Institutionen zu erleichtern.

Der in diesem Beitrag aufgezeigte Überblick über das internationale Erbrecht sowie die praxisnahen Tipps und Antworten auf häufig gestellte Fragen sollen Erblassern und Erben bei der Bewältigung der rechtlichen und organisatorischen Herausforderungen im Erbfall im Ausland unterstützen und ihnen Sicherheit im Umgang mit diesen komplexen Fragestellungen geben.

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