In diesem Beitrag widmen wir uns einem wichtigen Aspekt des deutschen Vertragsrechts: Dem Erklärungsirrtum. Erfahren Sie mehr über dessen gesetzliche Grundlagen, aktuelle Gerichtsurteile und praktische Hinweise für den Umgang mit dem Erklärungsirrtum im Alltag. Hierbei schöpfen wir aus unserer langjährigen Erfahrung als Rechtsanwälte auf dem Gebiet des Vertragsrechts und geben wertvolle Einblicke in diesen hochkomplexen Themenbereich.

Inhaltsübersicht

  1. Definition und Erscheinungsformen des Erklärungsirrtums
  2. Gesetzliche Grundlagen und Auswirkungen auf Verträge
  3. Aktuelle Gerichtsurteile zum Erklärungsirrtum
  4. Praktische Hinweise für den Umgang mit dem Erklärungsirrtum
  5. FAQ zum Erklärungsirrtum
  6. Umgang mit dem Erklärungsirrtum im deutschen Recht

Definition und Erscheinungsformen des Erklärungsirrtums

Ein Erklärungsirrtum liegt vor, wenn eine Person eine Willenserklärung abgibt, die nicht ihrem tatsächlich gewollten und geäußerten Willen entspricht. Dieser Irrtum kann unterschiedliche Formen annehmen:

Inhaltsirrtum: Die Person ist sich beim Abgeben der Erklärung im Unklaren darüber, welche rechtliche Bedeutung oder Tragweite ihre Erklärung hat.

Erklärungsirrtum im engeren Sinne: Die Person verwendet zur Äußerung ihres Willens eine andere Formulierung als die eigentlich gewollte, beispielsweise durch Versprechen, Verschreiben oder Vergreifen.

Verbotsirrtum: Die Person hält fälschlicherweise einen rechtlichen Grund für ihre Willenserklärung als unzulässig und gibt daher eine unerwünschte Erklärung ab.

Gesetzliche Grundlagen und Auswirkungen auf Verträge

Die gesetzlichen Regelungen zum Erklärungsirrtum finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).§§ 119 ff. BGB regeln die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen, die unter einem Irrtum zustande gekommen sind.

  • § 119 BGB – Anfechtbarkeit wegen Irrtums: Eine Willenserklärung, die unter einem Inhalts- oder Erklärungsirrtum abgegeben wurde, ist gemäß § 119 Abs. 1 BGB anfechtbar. Hierbei ist nach herrschender Meinung auch der Verbotsirrtum umfasst.
  • § 120 BGB – Anfechtbarkeit wegen Irrtums über die verkehrswesentliche Eigenschaft: Sofern die Erklärung unter einem Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften oder Umstände zustande gekommen ist, kann diese gemäß § 120 BGB angefochten werden.
  • § 121 BGB – Anfechtungsfrist: Die Anfechtung muss innerhalb von zwei Wochen nach Entdecken des Irrtums erfolgen. Nach Ablauf der Frist ist die Anfechtung ausgeschlossen.
  • § 122 BGB – Schadensersatzpflicht des Anfechtenden: Im Falle einer erfolgreichen Anfechtung kann der Anfechtungsempfänger gemäß § 122 BGB Ersatz für den Vertrauensschaden verlangen, der ihm durch die Anfechtung entstanden ist.
  • § 123 BGB – Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung: In bestimmten Fällen, wie etwa bei arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung, ist eine Anfechtung gemäß § 123 BGB ebenfalls möglich.

Die Anfechtung eines Vertrages aufgrund eines Erklärungsirrtums hat zur Folge, dass der Vertrag als von Anfang an nichtig gilt. Dies betrifft jedoch nur die Willenserklärung des Anfechtenden, nicht diejenige des Anfechtungsgegners. Letzterer kann in bestimmten Fällen gemäß § 122 BGB Schadensersatz verlangen.

Aktuelle Gerichtsurteile zum Erklärungsirrtum

Einige aktuelle Gerichtsurteile verdeutlichen, wie der Erklärungsirrtum in der Praxis angewendet und behandelt wird:

  1. BGH, Urteil vom 21. Juni 2017, Az. XII ZR 69/16: In diesem Fall fochten die Kläger ihre Willenserklärung erfolgreich wegen eines Erklärungsirrtums nach § 119 BGB an. Sie hatten irrtümlich einen Mietvertrag für Wohnraum statt Gewerberaum unterzeichnet und konnten so die eingegangene Verpflichtung rückgängig machen.
  2. OLG Frankfurt, Urteil vom 22. Februar 2018, Az. 6 U 17/17: Dagegen scheiterte die Anfechtung wegen Inhaltsirrtums in diesem Fall, da der Klägerin ein Prüfungsverschulden angelastet wurde. Sie hätte vor Unterzeichnung des Vertrags die tatsächlichen Konditionen überprüfen müssen und hatte dies unterlassen.
  3. OLG Hamburg, Urteil vom 12. Juni 2019, Az. 5 U 139/18: Eine erfolgreiche Anfechtung wegen Verbotsirrtums bejahte das Gericht in diesem Fall. Der Kläger war über die rechtliche Zulässigkeit eines Mietverzichts im Unklaren und konnte seine Erklärung deshalb anfechten.

Praktische Hinweise für den Umgang mit dem Erklärungsirrtum

Im geschäftlichen und privaten Alltag können Erklärungsirrtümer zu erheblichen Problemen führen. Daher ist es wichtig, mögliche Stolperfallen im Umgang mit Verträgen und Willenserklärungen zu kennen und entsprechend vorzusorgen:

Gründliche Prüfung: Bevor Sie einen Vertrag unterzeichnen oder eine rechtlich bindende Willenserklärung abgeben, sollten Sie den Inhalt genau prüfen und sich über die rechtlichen Folgen im Klaren sein. Bei Unsicherheiten oder Fragen empfiehlt es sich, juristischen Rat einzuholen.

Verständliche Vertragsgestaltung: Sorgen Sie dafür, dass Verträge und Erklärungen in einer klaren und verständlichen Sprache verfasst sind. Vermeiden Sie komplizierte juristische Fachbegriffe, wenn diese nicht zwingend erforderlich sind.

Kommunikation: Um Missverständnisse und Erklärungsirrtümer zu vermeiden, sollten Sie klar und deutlich kommunizieren, was Sie wollen und erwarten. Klären Sie Unklarheiten bereits im Vorfeld und besprechen Sie strittige Punkte mit der Gegenseite.

Anfechtungsfrist beachten: Stellen Sie fest, dass Sie eine Willenserklärung unter einem Erklärungsirrtum abgegeben haben, sollten Sie die Anfechtungsfrist von zwei Wochen gemäß § 121 BGB beachten und rasch handeln.

FAQ zum Erklärungsirrtum

  1. Welche Arten von Erklärungsirrtümern gibt es?
    Es gibt den Inhaltsirrtum, den Erklärungsirrtum im engeren Sinne und den Verbotsirrtum.
  2. Was passiert, wenn ich einen Vertrag wegen eines Erklärungsirrtums anfechte?
    Der Vertrag gilt als von Anfang an nichtig, allerdings können Ansprüche des Anfechtungsgegners entstehen, etwa auf Schadensersatz gemäß § 122 BGB.
  3. Wie kann ich einen Erklärungsirrtum vermeiden?
    Indem Sie Verträge und Willenserklärungen genau prüfen, verständliche Vertragsgestaltung verwenden, klar kommunizieren und juristischen Rat einholen, wenn erforderlich.
  4. Wie lange habe ich Zeit, eine Willenserklärung wegen eines Erklärungsirrtums anzufechten?
    Die Anfechtungsfrist beträgt zwei Wochen und beginnt, sobald Sie den Irrtum entdecken, gemäß § 121 BGB.
  5. Kann ich meine Willenserklärung anfechten, wenn ich bewusst einen falschen Sachverhalt angegeben habe?
    Nein, in solchen Fällen liegt keine Schutzwürdigkeit des Anfechtenden vor und eine Anfechtung ist nicht zulässig.

Umgang mit dem Erklärungsirrtum im deutschen Recht

Der Erklärungsirrtum ist im deutschen Recht ein zentrales Thema, das im Vertragsrecht erhebliche Bedeutung hat. Um die negativen Auswirkungen eines Erklärungsirrtums zu minimieren, ist es entscheidend, präventive Maßnahmen in die Praxis umzusetzen – etwa durch eine sorgfältige Vertragsgestaltung, das Einholen juristischer Beratung und eine transparente Kommunikation.

Im Falle eines eingetretenen Erklärungsirrtums ist die Kenntnis der relevanten gesetzlichen Regelungen sowie aktueller Gerichtsurteile hilfreich, um den richtigen Umgang mit der Situation zu finden. Durch die Einhaltung der Anfechtungsfrist und das erfolgreiche Anfechten einer fehlerhaften Willenserklärung können Verträge rückabgewickelt werden, um die ursprünglich gewünschte rechtliche Situation wiederherzustellen.

Letztendlich ist es jedoch die Kombination aus einer gewissenhaften Vorbereitung, rechtlichem Know-how und einer proaktiven Herangehensweise, die dazu beiträgt, Erklärungsirrtümern effektiv zu begegnen und somit rechtliche Schwierigkeiten zu vermeiden.

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