Der Firmentarifvertrag ist ein zentrales Instrument im deutschen Arbeitsrecht, dessen Bedeutung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen hoch ist. In diesem umfassenden und fundierten Beitrag erhalten Sie einen detaillierten Überblick über die rechtlichen Grundlagen und die erfolgreiche Umsetzung von Firmentarifverträgen. Erfahren Sie, was Firmentarifverträge auszeichnet, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen zu beachten sind und wie aktuelle Gerichtsurteile die Tarifvertragslandschaft beeinflussen.

Inhalt

  1. Definition Firmentarifvertrag
  2. Gründe für Firmentarifverträge
  3. Rechtliche Grundlagen
  4. Tarifvertragsarten und Regelungsbereiche
  5. Zustandekommen eines Firmentarifvertrags
  6. Durchsetzung und Geltendmachung von Firmentarifverträgen
  7. Aktuelle Gerichtsurteile und ihre Bedeutung für Firmentarifverträge
  8. Beispiele erfolgreicher Firmentarifverträge in Deutschland
  9. Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Firmentarifvertrag
  10. Firmentarifvertrag – alles, was Sie wissen müssen

Definition Firmentarifvertrag

Ein Firmentarifvertrag ist ein schriftlich abgeschlossener Vertrag zwischen einem Arbeitgeber oder Arbeitgeberverband und einer Gewerkschaft, der die arbeitsrechtlichen Bedingungen für einen bestimmten Betrieb oder für ein Unternehmen regelt. Firmentarifverträge sind somit individualisierte tarifvertragliche Regelungen für einzelne Betriebe. Im Unterschied zu Flächentarifverträgen gelten sie ausschließlich für die beteiligten Unternehmen.

Gründe für Firmentarifverträge

Firmentarifverträge sind ein wichtiges Gestaltungsinstrument für Arbeitgeber und Gewerkschaften, um auf spezifische betriebliche Gegebenheiten einzugehen. Die Gründe für Firmentarifverträge können vielfältig sein:

  • Anpassung an Strukturveränderungen oder wirtschaftliche Entwicklungen im betreffenden Unternehmen
  • Ausgestaltung von betriebsinternen Regelungen, die über gesetzliche Mindeststandards hinausgehen
  • Absicherung von Beschäftigungsverhältnissen durch tarifvertragliche Regelungen
  • Gezielte Regelung von Themen wie Entgelt, Arbeitszeit oder Urlaub

Rechtliche Grundlagen

Tarifvertragsgesetz

Die rechtlichen Grundlagen für Firmentarifverträge finden sich insbesondere im Tarifvertragsgesetz (TVG). Das TVG enthält Vorgaben für das Verhältnis von Tarifvertragsparteien sowie für die Wirkungen von Firmentarifverträgen auf Arbeitsverhältnisse.

Bindungswirkung

Nach § 4 Abs. 1 TVG sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer eines Betriebs, für den ein Firmentarifvertrag geschlossen wurde, unmittelbar und zwingend an die tarifvertraglichen Regelungen gebunden, sofern sie Mitglieder der Tarifvertragsparteien sind (Arbeitgeberverband bzw. Gewerkschaft). Für Arbeitnehmer, die keine Gewerkschaftsmitglieder sind, können Firmentarifverträge durch entsprechende arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln Anwendung finden.

Allgemeinverbindlichkeit

Zudem besteht nach § 5 TVG die Möglichkeit, Firmentarifverträge durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales für allgemeinverbindlich zu erklären. Dies führt zur Geltung der tarifvertraglichen Regelungen für sämtliche Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Geltungsbereich des Firmentarifvertrags, unabhängig von einer Mitgliedschaft in Tarifvertragsparteien. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung setzt voraus, dass der Firmentarifvertrag für mindestens 50 Prozent der im Geltungsbereich beschäftigten Arbeitnehmer gelten muss und im öffentlichen Interesse liegt.

Tarifvertragsarten und Regelungsbereiche

Firmentarifverträge können verschiedene Regelungsbereiche abdecken und sich inhaltlich auf unterschiedliche Themen fokussieren. Einige der häufigsten Tarifvertragsarten sind:

  • Manteltarifverträge: Diese regeln die allgemeinen Rahmenbedingungen des Arbeitsverhältnisses, wie z. B. Arbeitszeit, Urlaub und Kündigungsfristen.
  • Lohntarifverträge: Hier werden die Grundlagen der Entgeltzahlung, wie Lohngruppen, Lohnstufen und Zulagen, festgelegt.
  • Entgeltrahmentarifverträge: Sie legen die Struktur und Bewertung von Arbeitsaufgaben im Zusammenhang mit der Entlohnung fest.
  • Ausbildungstarifverträge: Diese betreffen die vergütungs- und arbeitsrechtlichen Regelungen für Auszubildende.
  • Sozialtarifverträge: In diesen Verträgen werden Bedingungen für Sozialpläne oder Maßnahmen der betrieblichen Altersversorgung geregelt.
  • Werks- oder Dienstverkehrsordnungen: Hierbei handelt es sich um Regelungen zum Ablauf und zur Gestaltung des betrieblichen Verkehrs.

Zustandekommen eines Firmentarifvertrags

Ein Firmentarifvertrag kommt durch Verhandlungen zwischen den Tarifvertragsparteien zustande. Nach § 2 TVG kann jeder Arbeitgeber oder Arbeitgeberverband sowie jede Gewerkschaft Tarifverträge abschließen. Die jeweiligen Verhandlungsführer sind durch eine Beschlussfassung ihrer Organisationen legitimiert. Die Zustandekommen eines Firmentarifvertrags kann grundsätzlich wie folgt ablaufen:

  1. Aufnahme von Verhandlungen: Eine Verhandlungspartei (Arbeitgeber/Arbeitgeberverband oder Gewerkschaft) nimmt Kontakt zur anderen Seite auf und signalisiert Verhandlungsbereitschaft.
  2. Verhandlungen: Die Parteien führen Verhandlungen, um ihre Interessen in den Firmentarifvertrag einzubringen. Diese Verhandlungsphase kann mehrere Sitzungen umfassen und sich über einen längeren Zeitraum erstrecken.
  3. Einigung: Die Verhandlungsparteien einigen sich auf eine gemeinsame Regelung und unterzeichnen den Firmentarifvertrag.
  4. Inkrafttreten: Der neue Firmentarifvertrag tritt nach einer vertraglich vereinbarten Frist oder einem festgelegten Datum in Kraft.

Durchsetzung und Geltendmachung von Firmentarifverträgen

Die Durchsetzung von Firmentarifverträgen und die Geltendmachung von Ansprüchen aus diesen Verträgen sind wichtige Aspekte im Arbeitsrecht. Dabei sind folgende Punkte von Bedeutung:

  • Arbeitnehmer können ihre tarifvertraglichen Ansprüche im Rahmen einer Individualklage geltend machen. Dabei ist das zuständige Arbeitsgericht in der Regel das Arbeitsgericht am Standort des Betriebs oder des Unternehmens.
  • Arbeitnehmervertretungen wie Betriebs- oder Personalräte können ebenfalls tarifvertragliche Belange gegenüber dem Arbeitgeber vertreten, indem sie beispielsweise die Einhaltung von Firmentarifverträgen kontrollieren oder Regelungen in Arbeitsverträgen prüfen.
  • Die Tarifvertragsparteien selbst, also Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, können Ansprüche aus dem Tarifvertrag gerichtlich durchsetzen, etwa wenn eine Vertragspartei gegen die vereinbarten Regelungen verstößt.
  • Im Falle von Streitigkeiten um die Auslegung von Firmentarifverträgen können die Tarifvertragsparteien eine Schlichtung oder Schiedsgerichtsverfahren einleiten, um eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen.

Aktuelle Gerichtsurteile und ihre Bedeutung für Firmentarifverträge

In den letzten Jahren hat es eine Reihe von Gerichtsurteilen gegeben, die die Gestaltung und Umsetzung von Firmentarifverträgen beeinflussen. Hier sind einige wichtige Beispiele:</

BAG, Urteil vom 14.08.2019, Az. 4 AZR 95/18: In dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag eindeutig und konkret formuliert sein muss, damit ein Firmentarifvertrag auch für Arbeitnehmer ohne Gewerkschaftsmitgliedschaft gilt.

BAG, Urteil vom 16.05.2017, Az. 1 AZR 714/15: Das BAG hat entschieden, dass ein Arbeitgeber verpflichtet sein kann, etwaige Überschüsse aus der betrieblichen Altersversorgung an die Arbeitnehmer auszuzahlen, wenn dies im Firmentarifvertrag so geregelt ist.

BAG, Urteil vom 25.10.2016, Az. 1 AZR 53/15: In diesem Urteil hat das BAG konkretisiert, welche arbeitszeitrechtlichen Pauschalvergütungen im Firmentarifvertrag zulässig sind und unter welchen Voraussetzungen eine solche Vergütung als Langzeitkonto zur Freizeitnutzung verwendet werden darf.

BAG, Urteil vom 25.04.2012, Az. 4 AZR 139/10: Das BAG hat in diesem Verfahren entschieden, dass Betriebsvereinbarungen nicht gegen Firmentarifverträge verstoßen dürfen und bei einem Verstoß die Betriebsvereinbarung unwirksam ist.

Beispiele erfolgreicher Firmentarifverträge in Deutschland

In der deutschen Wirtschaft gibt es zahlreiche Beispiele von erfolgreichen Firmentarifverträgen, die auf individuelle betriebliche Bedürfnisse eingehen und den Mitarbeitern bessere Arbeitsbedingungen bieten:

  • BMW: Der bayerische Automobilhersteller hat in Zusammenarbeit mit der IG Metall einen Firmentarifvertrag zur flexiblen Gestaltung der Arbeitszeit im Betrieb abgeschlossen. Dieser beinhaltet flexible Arbeitszeitkonten und ein Zeitguthabenmodell, das den Mitarbeitern eine individuelle Freizeit- und Arbeitszeitgestaltung ermöglicht.
  • Volkswagen: Das Unternehmen hat mit der IG Metall einen Firmentarifvertrag ausgehandelt, der auf betriebliche Altersversorgung abzielt und den Mitarbeitern im Laufe ihres Arbeitslebens eine finanzielle Absicherung bietet.
  • Siemens: Im Bereich der digitalen Transformation hat Siemens einen Firmentarifvertrag geschlossen, der u.a. zusätzliche Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, Vereinbarungen zur Ausbildung von IT-Fachkräften sowie den Ausbau betrieblicher Kinderbetreuungsplätze beinhaltet.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Firmentarifvertrag

Wie kann ich prüfen, ob in meinem Betrieb ein Firmentarifvertrag gilt?

Um festzustellen, ob ein Firmentarifvertrag in Ihrem Betrieb gilt, können Sie folgende Schritte unternehmen: Prüfen Sie, ob der Arbeitgeber Mitglied eines Arbeitgeberverbandes ist, der gemeinsam mit einer Gewerkschaft einen Firmentarifvertrag abgeschlossen hat. Lesen Sie Ihren Arbeitsvertrag und achten Sie darauf, ob eine tarifvertragliche Bezugnahmeklausel enthalten ist. Informieren Sie sich bei Ihrem Betriebs- oder Personalrat über geltende tarifliche Regelungen in Ihrem Betrieb.

Was passiert, wenn mein Arbeitsvertrag Bestimmungen enthält, die von einem Firmentarifvertrag abweichen?

Im Falle einer Abweichung zwischen einer Regelung im Arbeitsvertrag und einer Bestimmung aus einem geltenden Firmentarifvertrag gilt grundsätzlich die tarifvertragliche Regelung, vorausgesetzt, sie ist günstiger für den Arbeitnehmer. Dies folgt aus dem sogenannten „Günstigkeitsprinzip“, das in § 4 Abs. 3 TVG verankert ist.

Wie kann ich als Arbeitnehmer Einfluss auf die Gestaltung eines Firmentarifvertrags nehmen?

Sie können Ihren Einfluss auf die Gestaltung eines Firmentarifvertrags meistens am besten durch eine Mitgliedschaft in der zuständigen Gewerkschaft ausüben. Als Gewerkschaftsmitglied haben Sie in der Regel die Möglichkeit, über Ziele und Forderungen in Tarifauseinandersetzungen abzustimmen, an betrieblichen Tarifkommissionen teilzunehmen oder gegebenenfalls auch selbst als Verhandlungsführer aktiv zu werden.

Was passiert, wenn mein Arbeitgeber gegen einen Firmentarifvertrag verstößt?

Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen einen Firmentarifvertrag haben betroffene Arbeitnehmer grundsätzlich die Möglichkeit, ihre tariflichen Ansprüche vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen. Zudem können die Tarifparteien, also die Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbände, auf die Einhaltung des Firmentarifvertrags klagen oder auch eine einstweilige Verfügung beantragen, um schwerwiegende Verstöße zu unterbinden.

Kann ein Firmentarifvertrag gekündigt werden?

Ja, ein Firmentarifvertrag kann gekündigt werden. Im Tarifvertrag selbst sind in der Regel die Fristen und Bedingungen für eine Kündigung festgelegt. Nach einer Kündigung des Firmentarifvertrags durch eine der Tarifparteien können die Parteien neue Verhandlungen aufnehmen oder der Tarifvertrag wird durch einen Nachfolgevertrag abgelöst.

Was ist der Unterschied zwischen einem Firmentarifvertrag und einem Flächentarifvertrag?

Ein Firmentarifvertrag ist ein Vertrag zwischen einem Arbeitgeber oder Arbeitgeberverband und einer Gewerkschaft, der die Arbeitsbedingungen für einen bestimmten Betrieb oder ein Unternehmen regelt. Im Unterschied dazu gilt ein Flächentarifvertrag für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer einer bestimmten Branche oder Region, unabhängig vom einzelnen Betrieb oder Unternehmen. Während Firmentarifverträge individuelle betriebliche Gegebenheiten berücksichtigen, sorgen Flächentarifverträge für einheitliche Regelungen in einer Branche oder Region.

Kann ein Arbeitgeber Firmentarifverträge und Flächentarifverträge gleichzeitig anwenden?

Grundsätzlich ist es möglich, dass ein Arbeitgeber sowohl einen Firmentarifvertrag als auch einen Flächentarifvertrag anwendet. In diesem Fall ist für die Regelung einzelner Punkte zu klären, welcher Tarifvertrag jeweils maßgeblich ist. In vielen Fällen regeln Firmentarifverträge bestimmte Spezialregelungen, während der Flächentarifvertrag die allgemeinen Rahmenbedingungen vorgibt. Im Zweifelsfall sollte auf die entsprechenden Regelungen im Firmentarifvertrag oder im Arbeitsvertrag zurückgegriffen werden.

Firmentarifvertrag – alles, was Sie wissen müssen

Es ist offensichtlich, dass Firmentarifverträge ein entscheidendes Instrument im Arbeitsrecht sind und sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber erheblich beeinflussen können. Durch die Ausarbeitung und Umsetzung solider Firmentarifverträge können Unternehmen und ihre Mitarbeiter von verbesserten Arbeitsbedingungen, gerechter Entlohnung und angemessenen sozialen Sicherungsmaßnahmen profitieren. Indem Sie sich über die rechtlichen Grundlagen von Firmentarifverträgen informieren, sind Sie in der Lage, die Relevanz und den Einfluss solcher Verträge in Ihrem Berufsalltag besser zu verstehen und Ihre Rechte zu wahren.

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