Die Gemeinschaftsordnung ist ein zentrales Element im Wohnungseigentumsrecht und regelt das Zusammenleben der Eigentümer in einer Wohnungseigentümergemeinschaft. In diesem umfassenden Blog-Beitrag erfahren Sie alles Wissenswerte über die Gemeinschaftsordnung, ihre Struktur und Bedeutung für Eigentümer, einschließlich gesetzlicher Grundlagen, Rechte, Pflichten und aktueller Gerichtsurteile.

Inhaltsübersicht

  1. Gesetzliche Grundlagen der Gemeinschaftsordnung
  2. Struktur und Bestandteile einer Gemeinschaftsordnung
  3. Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer
  4. Sonder- und Gemeinschaftseigentum
  5. Verwalter und Verwaltungsbeirat
  6. Eigentümerversammlung
  7. Änderung der Gemeinschaftsordnung
  8. Aktuelle Gerichtsurteile zur Gemeinschaftsordnung
  9. Häufig gestellte Fragen zur Gemeinschaftsordnung
  10. Fazit zur Gemeinschaftsordnung

Gesetzliche Grundlagen der Gemeinschaftsordnung

Die gesetzliche Grundlage für die Gemeinschaftsordnung ist das Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Das WEG regelt das Recht der Wohnungseigentümer an ihrem Sondereigentum und dem gemeinschaftlichen Eigentum. Die Gemeinschaftsordnung stellt dabei eine vertragliche Ergänzung zum WEG dar und konkretisiert die gesetzlichen Regelungen für die jeweilige Wohnungseigentümergemeinschaft.

Der § 10 Abs. 2 WEG ermöglicht es den Wohnungseigentümern, eine solche Gemeinschaftsordnung zu vereinbaren, und gibt vor, dass sie Bestandteil des Grundbuchs sein muss. Dadurch wird sie für jeden Wohnungseigentümer und Dritte, die ein berechtigtes Interesse haben, einsehbar und verbindlich.

Struktur und Bestandteile einer Gemeinschaftsordnung

Eine Gemeinschaftsordnung kann unterschiedlich strukturiert sein, je nach den Bedürfnissen und Anforderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft. Im Folgenden sind einige typische Bestandteile einer Gemeinschaftsordnung aufgeführt:

  • Regelungen zur Nutzung von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum
  • Bestimmungen zur Instandhaltung und Instandsetzung von Gebäuden und Grünanlagen
  • Regelungen zur Hausordnung, z. B. Ruhezeiten, Müllentsorgung, Haustiere, etc.
  • Regelungen zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, z. B. Verwalterwahl, Verwaltervertrag, etc.
  • Regelungen zur Eigentümerversammlung, z. B. Einberufung, Beschlussfassung, Stimmrecht, etc.
  • Regelungen zur Finanzierung von Instandhaltungsmaßnahmen und sonstigen Ausgaben
  • Regelungen zur Änderung der Gemeinschaftsordnung
  • Regelungen zur Haftung der Wohnungseigentümer

Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer

Die Gemeinschaftsordnung regelt auch die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer. Im Folgenden sind einige wichtige Rechte und Pflichten aufgeführt, die häufig in Gemeinschaftsordnungen verankert sind:

  • Recht auf Nutzung des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentumspflicht zur Beteiligung an den gemeinschaftlichen Kosten, z. B. Heizung, Wasser, Instandhaltung, Verwaltung
  • Recht auf Teilnahme an der Eigentümerversammlung und Stimmrecht
  • Pflicht zur Einhaltung der Hausordnung und der Gemeinschaftsordnung
  • Recht, Anträge und Vorschläge zur Tagesordnung der Eigentümerversammlung einzureichen
  • Pflicht, bei der Durchführung von Maßnahmen zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums mitzuwirken
  • Recht auf Information und Einsichtnahme in die Verwaltungsdokumente

Sonder- und Gemeinschaftseigentum

Ein zentrales Element der Gemeinschaftsordnung im Immobilienrecht ist die Regelung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum. Sonder- und Gemeinschaftseigentum sind grundlegend voneinander zu unterscheiden:

  • Sondereigentum: Das Sondereigentum umfasst die Räume, die im Alleineigentum eines Wohnungseigentümers stehen, wie z. B. die Wohnung selbst, Kellerräume oder Garagen. Der Wohnungseigentümer hat das alleinige Nutzungsrecht an seinem Sondereigentum und trägt die Kosten für dessen Instandhaltung und Instandsetzung.
  • Gemeinschaftseigentum: Das Gemeinschaftseigentum umfasst alle Teile des Grundstücks und des Gebäudes, die allen Wohnungseigentümern gemeinsam gehören, wie z. B. das Grundstück, die Außenfassade, das Dach, Treppenhäuser, Versorgungsleitungen und Gemeinschaftsräume wie Waschküche oder Fahrradkeller. Die Nutzung, Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums sowie die Kosten hierfür werden gemeinschaftlich von allen Wohnungseigentümern getragen.

Die Gemeinschaftsordnung kann Regelungen enthalten, die den Umgang mit Sonder- und Gemeinschaftseigentum näher konkretisieren, z. B. hinsichtlich der Nutzung von Gemeinschaftsräumen oder der Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen.

Verwalter und Verwaltungsbeirat

Die Gemeinschaftsordnung regelt in der Regel auch die Bestellung und Abberufung des Verwalters sowie die Aufgaben und Befugnisse des Verwalters und des Verwaltungsbeirats:

  • Verwalter: Der Verwalter ist für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zuständig und wird von der Eigentümerversammlung bestellt und abberufen. Die Gemeinschaftsordnung kann Regelungen enthalten, die die Auswahl, die Bestellung und die Abberufung des Verwalters, die Verwaltervergütung sowie die Aufgaben und Befugnisse des Verwalters konkretisieren.
  • Verwaltungsbeirat: Der Verwaltungsbeirat unterstützt und überwacht den Verwalter bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Er besteht in der Regel aus drei Mitgliedern, die von der Eigentümerversammlung gewählt werden. Die Gemeinschaftsordnung kann Regelungen enthalten, die die Wahl, die Abberufung und die Aufgaben des Verwaltungsbeirats regeln.

Eigentümerversammlung

Die Eigentümerversammlung ist das zentrale Entscheidungsgremium der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Gemeinschaftsordnung kann Regelungen enthalten, die die Einberufung, die Durchführung und die Beschlussfassung der Eigentümerversammlung betreffen. Hierzu zählen z. B.:

  • Regelungen zur Einberufungsfrist und zur Tagesordnung
  • Regelungen zum Stimmrecht, z. B. Stimmrechtsverteilung, Stimmrechtsübertragung
  • Regelungen zur Beschlussfassung, z. B. erforderliche Mehrheiten, Beschlussfähigkeit
  • Regelungen zur Protokollierung der Eigentümerversammlung, z. B. Protokollführer, Anforderungen an das Protokoll

Änderung der Gemeinschaftsordnung

Die Gemeinschaftsordnung kann von den Wohnungseigentümern geändert werden, sofern eine entsprechende Mehrheit zustande kommt. Die Anforderungen für die Änderung der Gemeinschaftsordnung sind in § 10 Abs. 2 WEG geregelt. Demnach ist eine Änderung nur wirksam, wenn sie von mindestens drei Vierteln aller Wohnungseigentümer beschlossen und im Grundbuch eingetragen wird. Die Gemeinschaftsordnung kann jedoch auch abweichende Regelungen zur Änderung vorsehen, sofern diese nicht gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstoßen.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Gemeinschaftsordnung

Im Folgenden finden Sie eine Auswahl aktueller Gerichtsurteile, die sich mit verschiedenen Aspekten der Gemeinschaftsordnung befassen:

  • BGH, Urteil vom 04.12.2020 – V ZR 299/19: Bei der Anfechtung eines Beschlusses über die Änderung der Gemeinschaftsordnung ist das Gericht nicht berechtigt, eine inhaltliche Überprüfung der neuen Regelungen vorzunehmen. Es kann lediglich prüfen, ob formelle Anforderungen eingehalten wurden.
  • BGH, Urteil vom 14.09.2018 – V ZR 138/17: Eine Regelung in der Gemeinschaftsordnung, die eine einheitliche Farbgebung der Fenster und Rollläden vorschreibt, ist grundsätzlich zulässig. Eine Ausnahme besteht, wenn die Regelung eine unangemessene Benachteiligung eines Wohnungseigentümers darstellt.
  • OLG Frankfurt, Urteil vom 25.09.2019 – 20 W 261/19: Eine Regelung in der Gemeinschaftsordnung, die die Verwendung von Gemeinschaftsflächen durch einzelne Wohnungseigentümer ausschließt, kann gegen das Gebot der gleichmäßigen Lastenverteilung verstoßen und damit unwirksam sein.
  • LG München I, Urteil vom 16.08.2019 – 1 S 7163/18 WEG: Eine Regelung in der Gemeinschaftsordnung, die die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zur Vermietung von Wohnungen an bestimmte Personengruppen (z. B. Asylbewerber) vorsieht, ist unwirksam, da sie gegen das Diskriminierungsverbot des § 19 Abs. 1 AGG verstößt.

Häufig gestellte Fragen zur Gemeinschaftsordnung

Ist die Gemeinschaftsordnung für alle Wohnungseigentümer verbindlich?

Ja, die Gemeinschaftsordnung ist für alle Wohnungseigentümer verbindlich, da sie Bestandteil des Grundbuchs ist. Auch bei einem Eigentümerwechsel bleibt die Gemeinschaftsordnung wirksam und bindend für den neuen Eigentümer.

Was passiert, wenn ein Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaftsordnung verstößt?

Ein Verstoß gegen die Gemeinschaftsordnung kann zu unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen führen, je nach Art und Schwere des Verstoßes. Dies kann z. B. eine Abmahnung, ein Unterlassungsanspruch oder eine Schadensersatzforderung zur Folge haben. In schwerwiegenden Fällen kann auch die Entziehung des Wohnungseigentums in Betracht gezogen werden.

Kann ein Wohnungseigentümer von der Gemeinschaftsordnung abweichende Regelungen treffen?

Grundsätzlich sind individuelle Regelungen, die von der Gemeinschaftsordnung abweichen, nicht zulässig. Eine Ausnahme besteht, wenn alle Wohnungseigentümer zustimmen und die abweichende Regelung nicht gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt. In diesem Fall kann eine abweichende Regelung im Rahmen einer Vereinbarung oder einer Beschlussfassung getroffen werden.

Wie kann die Gemeinschaftsordnung geändert werden, wenn ein Wohnungseigentümer dies wünscht?

Ein Wohnungseigentümer kann einen Antrag auf Änderung der Gemeinschaftsordnung stellen, der dann in der nächsten Eigentümerversammlung zur Abstimmung gebracht wird. Für die Änderung der Gemeinschaftsordnung ist in der Regel eine Mehrheit von mindestens drei Vierteln aller Wohnungseigentümer erforderlich, sofern die Gemeinschaftsordnung keine abweichenden Regelungen vorsieht. Die Änderung wird erst wirksam, wenn sie im Grundbuch eingetragen wird.

Kann die Gemeinschaftsordnung Regelungen enthalten, die gegen das WEG verstoßen?

Nein, Regelungen in der Gemeinschaftsordnung, die gegen zwingende gesetzliche Vorschriften des WEG oder andere zwingende Gesetze verstoßen, sind unwirksam. In solchen Fällen gelten die gesetzlichen Regelungen des WEG oder des betreffenden Gesetzes.

Sind Regelungen in der Gemeinschaftsordnung auch für Mieter verbindlich?

Grundsätzlich sind die Regelungen der Gemeinschaftsordnung für Mieter nicht unmittelbar verbindlich, da sie nur zwischen den Wohnungseigentümern vereinbart wurden. Allerdings können bestimmte Regelungen, insbesondere solche, die das Zusammenleben in der Wohneigentumsanlage betreffen (z. B. Hausordnung, Ruhezeiten), auf den Mietvertrag übertragen werden und damit auch für den Mieter verbindlich werden. Dies geschieht in der Regel durch eine entsprechende Bezugnahme im Mietvertrag oder durch Aushändigung einer Kopie der Gemeinschaftsordnung an den Mieter.

Wie ist die Gemeinschaftsordnung im Verhältnis zu einzelnen Beschlüssen der Eigentümerversammlung zu sehen?

Die Gemeinschaftsordnung ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Wohnungseigentümern und hat somit grundsätzlich Vorrang vor einzelnen Beschlüssen der Eigentümerversammlung. Beschlüsse, die gegen Regelungen der Gemeinschaftsordnung verstoßen, sind unwirksam. Allerdings können einzelne Beschlüsse inhaltlich ergänzend oder konkretisierend zur Gemeinschaftsordnung wirken, sofern sie nicht im Widerspruch zu dieser stehen.

Gibt es rechtliche Grenzen für Regelungen in der Gemeinschaftsordnung?

Ja, es gibt rechtliche Grenzen für Regelungen in der Gemeinschaftsordnung. Insbesondere dürfen Regelungen nicht gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstoßen, etwa gegen das WEG, das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) oder das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Darüber hinaus dürfen Regelungen nicht gegen das Gebot der gleichmäßigen Lastenverteilung verstoßen oder die Rechte der Wohnungseigentümer unangemessen beschränken. Regelungen, die gegen diese Grundsätze verstoßen, sind unwirksam.

Können Regelungen in der Gemeinschaftsordnung auch stillschweigend geändert werden?

Nein, eine stillschweigende Änderung der Gemeinschaftsordnung ist nicht möglich. Änderungen der Gemeinschaftsordnung bedürfen einer entsprechenden Mehrheit der Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung und müssen im Grundbuch eingetragen werden, um wirksam zu sein.

Was geschieht, wenn die Gemeinschaftsordnung widersprüchliche Regelungen enthält?

Widersprüchliche Regelungen in der Gemeinschaftsordnung führen zu Rechtsunsicherheiten und können im Einzelfall zu Streitigkeiten zwischen den Wohnungseigentümern führen. In solchen Fällen ist es ratsam, die Regelungen durch einen Beschluss der Eigentümerversammlung zu klären oder die Gemeinschaftsordnung entsprechend zu ändern. Gegebenenfalls kann auch die Hilfe eines erfahrenen Rechtsanwalts oder einer entsprechenden Beratungsstelle in Anspruch genommen werden.

Fazit zur Gemeinschaftsordnung

Die Gemeinschaftsordnung ist ein essenzieller Bestandteil des Wohnungseigentumsrechts und dient als vertragliche Ergänzung zum Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Sie legt die Struktur und die Verwaltung einer Wohnungseigentümergemeinschaft fest und regelt die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer in Bezug auf Sondereigentum, Gemeinschaftseigentum, Verwaltung, Eigentümerversammlungen und finanzielle Aspekte. Da die Gemeinschaftsordnung Bestandteil des Grundbuchs ist, ist sie für alle Wohnungseigentümer sowie für Dritte mit berechtigtem Interesse verbindlich.

Die Gestaltung und Änderung der Gemeinschaftsordnung unterliegt rechtlichen Grenzen und bedarf der Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der Wohnungseigentümer. Aktuelle Gerichtsurteile verdeutlichen die Relevanz der Gemeinschaftsordnung in der Rechtsprechung und geben Hinweise darauf, welche Regelungen zulässig sind und welche nicht. Bei Unklarheiten oder Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Gemeinschaftsordnung ist es ratsam, sich an einen erfahrenen Rechtsanwalt oder eine entsprechende Beratungsstelle zu wenden.

Insgesamt ist die Gemeinschaftsordnung ein unverzichtbares Instrument für das harmonische Zusammenleben und die effiziente Verwaltung einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Kenntnis und das Verständnis der Gemeinschaftsordnung und ihrer rechtlichen Grundlagen sind für Eigentümer von großer Bedeutung, um ihre Rechte und Pflichten wahrzunehmen und potenzielle Konflikte zu vermeiden.

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