Die Genehmigungsfiktion ist eine gesetzlich verankerte Vermutung, dass eine Genehmigung als erteilt gilt, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist tatsächlich erteilt oder abgelehnt wird. Dieses Rechtsinstitut findet in verschiedenen Bereichen des deutschen Rechts Anwendung, wie etwa im Baurecht, Umweltrecht oder im gewerblichen Rechtsschutz. Die Voraussetzungen, unter denen sie greift, sowie ihre Rechtsfolgen können von Bereich zu Bereich variieren. In diesem ausführlichen Blog-Beitrag erhalten Sie einen umfassenden Überblick über dieses juristische Konzept, seine Anwendungsbereiche sowie wesentliche rechtliche Grundlagen und aktuelle Entwicklungen. Zusätzlich finden Sie eine FAQ-Sektion zur Klärung häufiger Fragen.

Inhaltsübersicht

  • Rechtliche Grundlagen
  • Anwendungsbereiche der Genehmigungsfiktion
  • Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion
  • Rechtsfolgen der Genehmigungsfiktion
  • Aktuelle Gerichtsurteile zur Genehmigungsfiktion
  • FAQs

Rechtliche Grundlagen

Die Genehmigungsfiktion findet ihren Ursprung im Verwaltungsrecht und ist ein Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips, das in Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verankert ist. Die Idee hinter ihr ist es, die Effizienz und Rechtssicherheit im Verwaltungshandeln zu fördern, indem Genehmigungsverfahren durch die Setzung von Fristen für die Verwaltung beschleunigt werden. Um dies zu erreichen, hat der Gesetzgeber in verschiedenen Gesetzesmaterien, die Genehmigungsfiktion gesetzlich verankert.

Ein Beispiel für die rechtlichen Grundlagen ist § 42a Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), der regelt, dass bei Anzeigeverfahren bestimmte Genehmigungen als erteilt gelten, wenn die zuständige Behörde nicht innerhalb einer Frist tätig wird. Weitere rechtliche Grundlagen finden sich u. a. in:

  • § 18 Bauordnung (BauO) – bestätigungsfreies Bauvorhaben;
  • § 64 Abs. 3 der Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV) – immissionsschutzrechtliche Genehmigungen;
  • § 12a Verkehrszulassungsverordnung (FZV) – Fahrzeugzulassungen;
  • § 70 Markengesetz (MarkenG) – Markeneintragungen.

Je nach Anwendungsbereich können Berechnung, Umfang und Frist variieren.

Anwendungsbereiche der Genehmigungsfiktion

Die Anwendungsbereiche sind weit gefächert und betreffen viele Lebensbereiche. Im Folgenden werden einige dieser Anwendungsbereiche kurz dargestellt:

Baurecht

Im Baurecht gilt sie insbesondere für bestätigungsfreie Bauvorhaben nach § 18 BauO. Wird die zuständige Bauaufsichtsbehörde innerhalb eines Monats über das Vorhaben informiert und verstreicht die gesetzliche Prüffrist von zwei Wochen (in manchen Bundesländern drei Wochen) ohne Beanstandungen, so gilt die Baugenehmigung als erteilt. Dabei handelt es sich um eine Genehmigungsfiktion, die dem Bauherrn eine Planungssicherheit für sein Vorhaben bietet.

Umweltrecht

Im Umweltrecht betrifft sie insbesondere immissionsschutzrechtliche Genehmigungen nach § 64 Abs. 3 BImSchV. Hier hat die zuständige Behörde im Regelfall einen Monat Zeit, zu prüfen, ob das Vorhaben im Einklang mit dem Immissionsschutzrecht steht. Erfolgt binnen dieser Frist keine Ablehnung des Vorhabens, gilt die Genehmigung als erteilt.

Gewerblicher Rechtsschutz

Betrachtet man beispielsweise das Markenrecht, so greift die Genehmigungsfiktion in Form der Eintragungsfiktion nach § 70 MarkenG. Geht der Antrag auf Eintragung einer Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) ein und erfolgt binnen einer Frist von zwei Monaten keine Mitteilung über eine absolute Schutzhindernisprüfung, so ist die Marke automatisch ins Markenregister einzutragen.

Fahrzeugzulassung

Die Genehmigungsfiktion findet auch bei der Fahrzeugzulassung Anwendung: Gemäß § 12a FZV gilt eine Fahrzeugzulassung als erteilt, wenn die Zulassungsbehörde ihren Entscheid nicht binnen einer Woche nach Antragstellung trifft.

Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion

Trotz der unterschiedlichen Regelungen in den Anwendungsbereichen lassen sich allgemeine Voraussetzungen für die Anwendbarkeit feststellen, die in verschiedenen Ausprägungen in den verschiedenen Rechtsgebieten auftreten.

  1. Antrag oder Anzeige des Rechtsuchenden: Die Genehmigungsfiktion setzt stets voraus, dass der Antragsteller (oder sein gesetzlicher Vertreter) bei der zuständigen Behörde einen Antrag stellt oder ein Projekt anzeigt. Die Fristen der Genehmigungsfiktion beginnen erst mit der Antragstellung oder Anzeigeerstattung.
  2. Fristablauf: Die Genehmigungsfiktion tritt nur ein, wenn die in den jeweiligen Gesetzen festgelegten Fristen ablaufen, ohne dass die Behörde in der Sache entschieden hat.
  3. Keine ausdrückliche Ablehnung: Eine Genehmigung gilt nur dann als erteilt, wenn sie nicht ausdrücklich abgelehnt wurde. Wird die Genehmigung abgelehnt, so tritt keine Genehmigungsfiktion ein.
  4. Ansonsten vollständige und formelle Ordnungsmäßigkeit des Antrags/Projekts: Die Voraussetzungen, insbesondere die formalen, müssen in der Regel erfüllt sein, um die Fiktion greifen zu lassen. Hinreichende Unterlagen und die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen an den Antrag oder das Projekt sind somit zwingend erforderlich.

In jedem Einzelfall sind jedoch immer die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften und Bestimmungen maßgeblich, auf die bei der erlaubten Fiktion Bezug genommen wird. Daher ist es unerlässlich, sich im Zweifelsfall von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen.

Rechtsfolgen der Genehmigungsfiktion

Die Rechtsfolgen sind grundsätzlich auf den jeweiligen Anwendungsbereich ausgerichtet und geben dem Antragsteller die Sicherheit, dass sein Vorhaben gemäß den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist. Einige grundlegende Rechtsfolgen der Genehmigungsfiktion sind:

  • Die Genehmigungsfiktion beinhaltet grundsätzlich Rechts- und Planungssicherheit für den Antragsteller. Da ihm keine Ablehnung zugeht, erhalten Genehmigungsfiktionen bei Bauprojekten einen besseren Haftungsgrund.
  • Die Genehmigungsfiktion führt dazu, dass der Genehmigungsinhalt sich aus dem Antrag und den gesetzlichen Vorschriften ergibt. Das kann dazu führen, dass die Genehmigungsfiktion strenger oder weniger streng ist als eine möglicherweise ausdrücklich erteilte Genehmigung.
  • Die Genehmigungsfiktion hat grundsätzlich Bestandsschutz zur Folge. Nach Fristablauf kann die Genehmigung grundsätzlich nicht mehr zurückgenommen oder widerrufen werden, sofern keine sonstigen Rechtsgrundlagen dafür bestehen.
  • Bei Eintritt der Genehmigungsfiktion bleibt den Nachbarn und Betroffenen grundsätzlich der Rechtsweg offen. Sie können gegen die Genehmigungsfiktion klagen, um feststellen zu lassen, ob die Voraussetzungen für die Genehmigungsfiktion erfüllt sind oder nicht.

Die rechtlichen Konsequenzen sind im jeweiligen Anwendungsbereich unterschiedlich und möglicherweise umfassender, als hier dargestellt. Die oben aufgeführten Rechtsfolgen sind daher nur als beispielhaft zu verstehen.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Genehmigungsfiktion

Da die Genehmigungsfiktion in der Rechtsprechung in verschiedenen Materien auftritt, sind auch die Urteile vielfältig. Hier sind einige aktuelle Beispiele für Rechtsprechung:

  • Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg: OVG 4 Bf 133/17 – Das Gericht hat entschieden, dass nachbarschützende Normen bei Bauanträgen, bei denen eine Genehmigungsfiktion eingetreten ist, als nachbarliche Rücksichtnahme berücksichtigt werden können.
  • Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 07.12.2016 – BVerwG 4 C 4.15 – Das Gericht hat festgestellt, dass das Fiktionsverfahren im Immissionsschutzrecht nicht verpflichtend ist und Behörden auch eine ausdrückliche Genehmigung erteilen können.
  • Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 07.03.2018 – BVerwG 8 C 1.17 – Das Gericht hat entschieden, dass Einwendungen von Nachbarn gegen eine immissionsschutzrechtliche Fiktion statthaft sind, wenn die Genehmigungsfiktion aufgrund unzureichender Prüfung eingetreten ist.

Diese Urteile sind Beispiele dafür, dass sie in der Rechtsprechung betrachtet wird und Gerichte die Fiktion umfassend prüfen und bewerten.

FAQs

Was ist eine Genehmigungsfiktion?

Eine Genehmigungsfiktion ist eine gesetzliche Vermutung, dass eine Genehmigung als erteilt gilt, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist tatsächlich erteilt oder abgelehnt wird.

In welchen Bereichen findet die Genehmigungsfiktion Anwendung?

Sie findet in verschiedenen Materien des deutschen Rechts Anwendung, wie etwa im Baurecht, Umweltrecht oder im gewerblichen Rechtsschutz.

Welche Voraussetzungen müssen für eine Genehmigungsfiktion erfüllt werden?

Allgemeine Voraussetzungen für die Anwendbarkeit sind: Antrag oder Anzeige des Rechtsuchenden, Fristablauf, keine ausdrückliche Ablehnung, ansonsten vollständige und formelle Ordnungsmäßigkeit des Antrags/Projekts. Individuelle Voraussetzungen ergeben sich aus den jeweiligen Gesetzesmaterien.

Welche Rechtsfolgen hat die Genehmigungsfiktion?

Rechtsfolgen können sein: Rechts- und Planungssicherheit, Genehmigungsinhalt ergibt sich aus Antrag und gesetzlichen Vorschriften, Bestandsschutz und der Rechtsweg für Nachbarn und Betroffene bleibt offen. Je nach Anwendungsbereich können weitere Rechtsfolgen auftreten.

Was tun, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Genehmigungsfiktion bestehen?

Im Zweifelsfall ist die Beratung durch einen Rechtsanwalt angezeigt, um die jeweiligen Voraussetzungen und Rechtsfolgen im Einzelfall korrekt beurteilen zu können.

Insgesamt bietet die Genehmigungsfiktion eine gesetzliche Möglichkeit, Verwaltungshandeln zu beschleunigen und mehr Rechtssicherheit zu gewährleisten. Allerdings ist ihre Anwendbarkeit von Bereich zu Bereich unterschiedlich geregelt, sodass bei Unsicherheiten anwaltliche Beratung empfehlenswert ist. Dieser Blog-Beitrag soll Ihnen dazu dienen, die Grundlagen und Anwendungsbereiche der Genehmigungsfiktion besser zu verstehen und Ihnen einige rechtliche Aspekte näherzubringen.

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