Arbeitsrecht ist ein umfassendes und komplexes Rechtsgebiet, das sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber wichtig ist. Eine der Kernfragen im Arbeitsrecht ist die Gesamtzusage – eine Art von Zusicherung, die zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern getroffen wird.

In diesem Artikel werden wir einen umfassenden Blick auf die Gesamtzusage, ihre rechtliche Bedeutung, Beispiele, Gesetze, aktuelle Gerichtsurteile, FAQs und die wichtigsten Aspekte, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber kennen sollten, werfen.

Was ist eine Gesamtzusage? Definition und Hintergrund

Eine Gesamtzusage ist eine verbindliche Erklärung des Arbeitgebers, die gegenüber einem größeren Kreis von Arbeitnehmern abgegeben wird, und bestimmte Leistungen oder Regelungen zusichern soll. Eine solche Erklärung kann schriftlich oder mündlich erfolgen und ist grundsätzlich im Sinne von § 242 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) auslegungsfähig.

In der Regel betrifft die Gesamtzusage Leistungen, die über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinausgehen und als freiwillige Sozialleistungen gelten.

Beispiele für Gegenstand von Gesamtzusagen

Die rechtliche Bedeutung

Die Gesamtzusage hat im Arbeitsrecht eine besondere Rechtsqualität. Sie ist eine eigenständige, kollektivrechtliche Verpflichtungsgrundlage und wirkt einerseits normativ als kollektivrechtliche Regelung, andererseits besteht eine konstitutive Einzelrechtsbindung für die betroffenen Arbeitnehmer. Damit wird sie zum Bestandteil des einzelnen Arbeitsvertrags und bindet damit den Arbeitgeber.

Für eine wirksame Gesamtzusage müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Bekanntgabe an die betroffenen Arbeitnehmer
  • Bestimmtheit und Eindeutigkeit der Leistungszusage
  • Ein Rechtsbindungswille des Arbeitgebers
  • Einbeziehung der betroffenen Arbeitnehmer in den Geltungsbereich der Zusicherungen

Im Folgenden werden verschiedene Aspekte detailliert erörtert.

Die Abgrenzung von Betriebsvereinbarungen, Tarifverträgen und Individualarbeitsverträgen}

Die Gesamtzusage ist eine kollektive Regelung, die als eigenständige Rechtsquelle im Arbeitsrecht gilt. Sie ist abzugrenzen von anderen kollektiven arbeitsrechtlichen Instrumenten wie Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen.

  • Die Betriebsvereinbarung ist eine Rechtsnorm, die zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber vereinbart wurde und im Betrieb unmittelbar und zwingend gilt. Im Gegensatz zur Gesamtzusage erfordert die Betriebsvereinbarung eine Zustimmung des Betriebsrats.
  • Der Tarifvertrag ist ein Kollektivvertrag, der zwischen den Tarifvertragsparteien, also den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden, abgeschlossen wird, und unmittelbar und zwingend im Betrieb gilt. Im Gegensatz zur Gesamtzusage erfordert der Tarifvertrag eine Zustimmung der Tarifparteien.
  • Der Individualarbeitsvertrag ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer, die individuell ausgehandelt und abgeschlossen wird. Eine Gesamtzusage kann in einzelne Arbeitsverträge aufgenommen werden, sie bleibt jedoch eine eigenständige Regelung.

Die Einbeziehung der Arbeitnehmer in die Gesamtzusage

Arbeitnehmer werden in den Geltungsbereich einer Gesamtzusage einbezogen, wenn sie zum Kreis der begünstigten Arbeitnehmer gehören. Dabei kann es sich um Kriterien wie Betriebszugehörigkeit, Tätigkeit oder Funktion im Unternehmen handeln.

Die Einbeziehung kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen, z. B. durch die Erwähnung der Zusage im Arbeitsvertrag oder durch konkludente Handlungen des Arbeitgebers, wie die Leistung von Sonderzahlungen.

Die Änderung oder Beendigung einer Gesamtzusage

Eine Gesamtzusage kann vom Arbeitgeber geändert oder beendet werden, wenn er hierfür einen triftigen Grund hat. Dieser kann z. B. in einer erheblichen finanziellen Notlage des Unternehmens oder einer tiefgreifenden organisatorischen Umstrukturierung liegen.

Eine Änderung oder Beendigung der Gesamtzusage bedarf der Schriftform und muss den betroffenen Arbeitnehmern bekannt gegeben werden. Die Arbeitnehmer können der Änderung oder Beendigung der Gesamtzusage widersprechen. In diesem Fall bleibt die ursprüngliche Regelung für die betroffenen Arbeitnehmer in Kraft, solange kein triftiger Grund für die Änderung oder Beendigung vorliegt.

Relevante Gesetze und aktuelle Gerichtsurteile

Im Folgenden werden einige relevante Gesetze und aktuelle Gerichtsurteile vorgestellt.

Gesetze zur Gesamtzusage im Arbeitsrecht

Im deutschen Arbeitsrecht gibt es keine expliziten gesetzlichen Regelungen zur Gesamtzusage. Allerdings finden sich einige relevante Vorschriften im BGB:

  • § 133 BGB (Auslegung einer Willenserklärung) – Für die Auslegung einer Gesamtzusage gilt der Grundsatz, dass eine Willenserklärung so auszulegen ist, wie der sie Empfangende sie nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste.
  • § 242 BGB (Treu und Glauben) – Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
  • § 305 BGB (Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag) – Bei der Einbeziehung der Gesamtzusage in den Arbeitsvertrag gelten die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen.
  • § 623 BGB (Schriftform der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses) – Die Schriftform ist auch für die Änderung oder Aufhebung einer Gesamtzusage erforderlich.

Aktuelle Urteile zur Gesamtzusage

In jüngerer Zeit haben mehrere Gerichtsurteile zur Gesamtzusage für Aufmerksamkeit gesorgt. Hier eine Auswahl:

  • Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 25.04.2013, Az.: 8 AZR 287/12: Eine vom Betriebsrat abgeschlossene Betriebsvereinbarung kann eine zuvor bestehende Gesamtzusage ersetzen, wenn die Betriebsvereinbarung eine abschließende Regelung für die betreffenden Leistungen enthält und die betroffenen Arbeitnehmer darüber informiert werden.
  • BAG, Urteil vom 18.02.2015, Az.: 10 AZR 47/14: Die Änderung einer Gesamtzusage bedarf der Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer, wenn diese zu ihren Gunsten in den Arbeitsvertrag einbezogen sind. Eine einseitige Änderung durch den Arbeitgeber ist grundsätzlich unzulässig.
  • BAG, Urteil vom 27.09.2016, Az.: 3 AZR 439/15: Eine betriebliche Übung kann nicht einfach durch den Abschluss einer Betriebsvereinbarung abgelöst werden, wenn dadurch Leistungskürzungen für die Arbeitnehmer eintreten und die Arbeitnehmer diesen Leistungskürzungen nicht ausdrücklich zugestimmt haben.

FAQs

Abschließend möchten wir auf häufig gestellte Fragen rund um das Thema eingehen und praxisnahe Antworten bieten.

Kann mein Arbeitgeber seine Gesamtzusage widerrufen oder ändern?

Die Änderung oder der Widerruf einer Gesamtzusage ist grundsätzlich möglich, allerdings unter bestimmten Voraussetzungen. Der Arbeitgeber benötigt hierfür einen triftigen Grund, wie zum Beispiel eine erhebliche finanzielle Schieflage oder tiefgreifende organisatorische Umstrukturierungen.

Darüber hinaus muss er die Arbeitnehmer schriftlich über die Änderung oder den Widerruf informieren und ihnen die Möglichkeit geben, hiergegen Widerspruch einzulegen. Widersprechen die Arbeitnehmer der Änderung oder dem Widerruf und liegt kein triftiger Grund vor, dann bleibt die ursprüngliche Gesamtzusage in Kraft.

Unterscheidet sich eine Gesamtzusage von einer betrieblichen Übung?

Ja, eine Gesamtzusage unterscheidet sich von einer betrieblichen Übung. Während die Gesamtzusage eine verbindliche Erklärung des Arbeitgebers über bestimmte Leistungen oder Regelungen ist, handelt es sich bei einer betrieblichen Übung um eine Verpflichtung des Arbeitgebers aufgrund eines konkludenten Verhaltens.

Das bedeutet, dass der Arbeitgeber durch sein Verhalten (zum Beispiel durch wiederholte, vorbehaltlose Sonderzahlungen) über einen längeren Zeitraum hinweg eine Verpflichtung begründet, obwohl er dies nicht ausdrücklich erklärt hat. Eine betriebliche Übung kann jedoch durch eine Gesamtzusage ersetzt werden, wenn diese dem bisherigen Umfang der betrieblichen Übung entspricht.

Wie kann ich herausfinden, ob eine Gesamtzusage in meinem Arbeitsvertrag enthalten ist?

In vielen Fällen wird die Gesamtzusage ausdrücklich im Arbeitsvertrag erwähnt. Es kann aber auch sein, dass sie stillschweigend, z. B. durch konkludentes Handeln des Arbeitgebers oder durch eine betriebliche Übung, in den Arbeitsvertrag aufgenommen wurde.

Um herauszufinden, ob eine Gesamtzusage für Sie gilt, sollten Sie Ihren Arbeitsvertrag genau durchlesen und prüfen, ob darin Regelungen enthalten sind, die auf eine derartige Zusicherung hindeuten. Bei Zweifeln können Sie auch Ihren Betriebsrat oder einen Anwalt für Arbeitsrecht zurate ziehen.

Wie kann ich mich als Arbeitnehmer gegen die Änderung oder den Widerruf einer Gesamtzusage wehren?

Wenn Ihr Arbeitgeber eine Gesamtzusage ändern oder widerrufen möchte, hat er dies schriftlich und ausführlich zu begründen. Ihnen als Arbeitnehmer steht das Recht zu, gegen diese Änderung oder den Widerruf der Gesamtzusage Widerspruch einzulegen. Der Widerspruch sollte schriftlich und innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen.

Liegt kein triftiger Grund für die Änderung oder den Widerruf vor und haben Sie fristgerecht Widerspruch eingelegt, bleibt die ursprüngliche Gesamtzusage für Sie in Kraft. Bei Unklarheiten oder Auseinandersetzungen empfiehlt es sich, die Unterstützung eines Anwalts für Arbeitsrecht oder des Betriebsrats in Anspruch zu nehmen.

Kann eine Gesamtzusage durch eine Betriebsvereinbarung ersetzt werden?

Grundsätzlich ist es möglich, dass sie durch eine Betriebsvereinbarung ersetzt wird. Dies setzt jedoch voraus, dass die Betriebsvereinbarung eine abschließende Regelung für die betreffenden Leistungen enthält und die Arbeitnehmer ausreichend über die Änderung informiert wurden.

Darüber hinaus müssen die Arbeitnehmer über den Betriebsrat oder auf anderem Wege angemessen an der Änderung der Regelung beteiligt worden sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann die Betriebsvereinbarung die Gesamtzusage ablösen.

Fazit

Die Gesamtzusage ist ein wertvolles Instrument im Arbeitsrecht, das Arbeitnehmern und Arbeitgebern gleichermaßen Sicherheit bietet. Sie ermöglicht es, zusätzliche Leistungen und Regelungen zu vereinbaren, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Arbeitnehmer sollten sich daher genau über ihre Rechte und Pflichten informieren.

Gleichzeitig sollten Arbeitgeber beachten, dass eine Gesamtzusage sorgfältig formuliert und befolgt werden muss, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. In jedem Fall empfiehlt es sich, bei Unklarheiten oder Konflikten eine fachkundige rechtliche Beratung einzuholen.

Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen bundesweit und im deutschsprachigen Ausland zur Verfügung.

Rechtsanwalt Arthur Wilms - Kanzlei Herfurtner

Arthur Wilms | Rechtsanwalt | Associate

Philipp Franz Rechtsanwalt

Philipp Franz | Rechtsanwalt | Associate

Anwalt Wolfgang Herfurtner Hamburg - Wirtschaftsrecht

Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Herfurtner Rechtsanwälte. Mehr Infos anzeigen.

Aktuelle Beiträge aus dem Rechtsgebiet Arbeitsrecht