Eine Gratifikation ist eine Sonderzahlung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, die über das geschuldete Gehalt hinausgeht. Sie ist als Leistungsanreiz oder Belohnung für Loyalität und Betriebstreue gedacht und nicht gesetzlich vorgeschrieben.
In diesem umfassenden Blog-Beitrag wollen wir uns mit den verschiedenen Aspekten der Gratifikation im Arbeitsrecht befassen, wobei wir den Schwerpunkt auf rechtliche Grundlagen, Voraussetzungen, Rechtsfolgen sowie aktuelle Gerichtsurteile legen werden.
Gliederung
- Formen der Gratifikation
- Anspruchsgrundlagen für Gratifikationen
- Voraussetzungen und Ausschlussgründe
- Rückzahlung und Kürzung von Gratifikationen
- Rechtsfolgen bei Kündigung durch den Arbeitnehmer
- Auswirkungen auf Sozialversicherungsbeiträge und Steuern
- Aktuelle Gerichtsurteile zur Gratifikation
- Fragen und Antworten (FAQ)
- Fazit zur Gratifikation
Formen der Gratifikation
Sie können in verschiedenen Formen auftreten. Dabei lassen sie sich in folgende Hauptkategorien einteilen:
- Weihnachts- und Urlaubsgeld: Diese Sonderzahlungen werden oft zu festgelegten Zeiten im Jahr gewährt, meist zum Jahresende oder vor dem Urlaubsantritt des Arbeitnehmers.
- Jubiläumszuwendungen: Hierbei handelt es sich um Gratifikationen, die anlässlich bestimmter Betriebszugehörigkeitsjubiläen, z.B. 10-, 20- oder 25-jährige Betriebszugehörigkeit, an den Arbeitnehmer gezahlt werden.
- Tantiemen: Tantiemen sind erfolgsabhängige Gratifikationen, die auf der Grundlage von Unternehmens- oder Geschäftsergebnissen an einen Arbeitnehmer gezahlt werden. Sie dienen vor allem als Leistungsreiz und Motivationsinstrument.
- Prämien: Eine Prämie ist eine einmalige oder wiederkehrende Zahlung, die für die Erreichung bestimmter Zielvorgaben oder spezieller Leistungen gewährt wird.
Anspruchsgrundlagen für Gratifikationen
Ein Anspruch kann sich aus verschiedenen rechtlichen Grundlagen ergeben. In Betracht kommen insbesondere:
- Individueller Arbeitsvertrag: In vielen Arbeitsverträgen sind Regelungen zu Gratifikationen enthalten, die den Arbeitnehmer zu einer entsprechenden Zahlung berechtigen.
- Tarifvertrag: Tarifverträge können neben Gehältern und Lohnerhöhungen auch Gratifikationen regeln, die für eine bestimmte Branche oder einen Betrieb gelten.
- Betriebsvereinbarung: Eine Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber kann Ansprüche auf Gratifikationen vorsehen. Dabei sollten die Regelungen klar und verständlich formuliert sein, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
- Gesetz: Ein gesetzlicher Anspruch besteht grundsätzlich nicht. Allerdings können gesetzliche Regelungen auf andere Anspruchsgrundlagen Einfluss nehmen, z.B. hinsichtlich der Höhe oder Fälligkeit einer Gratifikation.
- Gleichbehandlungsgrundsatz: Der Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG) gebietet es dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer, die in vergleichbaren Situationen sind, nicht unterschiedlich zu behandeln. Daraus kann sich unter Umständen ein Gratifikationsanspruch ergeben, wenn der Arbeitgeber anderen vergleichbaren Arbeitnehmern eine Gratifikation gewährt.
Voraussetzungen und Ausschlussgründe
Der Anspruch auf eine Gratifikation kann von diversen Voraussetzungen abhängig gemacht werden:
- Erreichung von Zielen: Die Auszahlung kann an die Erreichung bestimmter quantitativer oder qualitativer Ziele geknüpft werden, z.B. Umsatzziele, Kostenreduktion oder Mitarbeiterbewertungen.
- Anwesenheit: Eine Sonderzahlung kann von der persönlichen Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb während eines bestimmten Zeitraums abhängig gemacht werden.
- Betriebszugehörigkeit: In einigen Fällen kann die Gewährung an eine Mindestdauer der Betriebszugehörigkeit geknüpft werden.
Von diesen Voraussetzungen zu unterscheiden sind sogenannte Ausschlussgründe, aufgrund derer ein eigentlich entstandener Gratifikationsanspruch wieder entfallen kann:
- Rücktrittsrecht: Der Arbeitgeber kann vertraglich ein Rücktrittsrecht von der Gratifikationsvereinbarung vorsehen, wenn in der Person des Arbeitnehmers wichtige Gründe vorliegen oder das betriebliche Interesse es erfordert. Solche Gründe können z.B. Unregelmäßigkeiten in der Leistungserbrachtung oder Missachtung von Weisungen sein.
- Freiwilligkeitsvorbehalt: Ein Freiwilligkeitsvorbehalt bedeutet, dass die Zahlung in der Regel jedes Jahr neu vom Arbeitgeber freiwillig gewährt wird, auch wenn in der Vergangenheit bereits Gratifikationen gezahlt wurden. Damit sind zukünftige Ansprüche nicht begründet.
- Widerrufsvorbehalt: Der Arbeitgeber kann sich vertraglich das Recht vorbehalten, eine bereits zugesagte Gratifikation wieder zu widerrufen, z.B. aus betrieblichen oder persönlichen Gründen. Allerdings muss der Widerrufsvorbehalt klar und verständlich formuliert sein und die Gründe für den Widerruf konkret darlegen.
Rückzahlung und Kürzung von Gratifikationen
Unter bestimmten Voraussetzungen können sie vom Arbeitgeber zurückgefordert oder gekürzt werden:
- Rückzahlung: Eine Rückzahlung ist grundsätzlich dann möglich, wenn sie vertraglich vereinbart wurde oder wenn die Zahlung irrtümlich ohne Rechtsgrund erfolgt ist (z.B. doppelte Zahlung).
- Kürzung: Eine Kürzung von Gratifikationen ist möglich, wenn sie vertraglich vereinbart wurde oder wenn sie aufgrund betrieblicher Umstände gerechtfertigt ist (z.B. schlechte wirtschaftliche Lage).
Rechtsfolgen bei Kündigung durch den Arbeitnehmer
Bei Kündigung durch den Arbeitnehmer können sich unterschiedliche Rechtsfolgen hinsichtlich des Gratifikationsanspruchs ergeben:
- Ausschlussfrist: Eine arbeits- oder tarifvertragliche Ausschlussfrist kann dazu führen, dass der Arbeitnehmer seinen Gratifikationsanspruch nur innerhalb einer bestimmten Frist geltend machen kann. Versäumt er diese Frist, so verfällt der Anspruch.
- Freiwilligkeitsvorbehalt: Hat der Arbeitgeber einen Freiwilligkeitsvorbehalt vereinbart, kann er unter Umständen die Zahlung der Gratifikation verweigern, wenn der Arbeitnehmer gekündigt hat.
- Pro-rata-temporis-Regelung: Wird das Arbeitsverhältnis während des laufenden Jahres beendet, kann der Arbeitgeber eine anteilige Kürzung der Gratifikation vornehmen, sofern dies vertraglich vereinbart wurde.
- Ausschluss von Gratifikationen: Unter Umständen kann der Arbeitgeber im Falle einer Kündigung durch den Arbeitnehmer den Anspruch auf Gratifikationen ganz ausschließen – etwa bei einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund.
Auswirkungen auf Sozialversicherungsbeiträge und Steuern
Gratifikationen können sowohl sozialversicherungs- als auch steuerrechtliche Auswirkungen haben:
- Sozialversicherungsbeiträge: Sie sind in der Regel sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt, was bedeutet, dass sie bei der Berechnung der Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung berücksichtigt werden.
- Steuern: Gratifikationen unterliegen der Einkommensteuer und sind als sonstige Bezüge dem zu versteuernden Einkommen hinzuzufügen. Allerdings können bei der Berechnung der Steuer gewisse Freibeträge und Pauschalen berücksichtigt werden, um die steuerliche Belastung zu reduzieren.
Aktuelle Gerichtsurteile zur Gratifikation
Im Folgenden werden einige aktuelle Gerichtsurteile aufgeführt, die zum Thema ergangen sind:
- BAG, Urteil vom 31.10.2018 – 10 AZR 562/17: Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass ein arbeitsvertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der die regelmäßige Zahlung einer Weihnachtsgeldgratifikation vorsieht, regelmäßig nicht zu einer betrieblichen Übung der Zahlung führt.
- BAG, Urteil vom 25.05.2016 – 10 AZR 233/15: Das Bundesarbeitsgericht hat die Anforderungen an eine wirksame Widerrufsklausel für Gratifikationen konkretisiert und entschieden, dass der Widerrufsvorbehalt transparent und bestimmt sein muss.
- BAG, Urteil vom 13.05.2015 – 10 AZR 811/13: In diesem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass der Anspruch auf eine Gratifikation für eine bestimmte Leistung nicht davon abhängen kann, dass diese Leistung allein oder zu einem wesentlichen Teil im eigenbetrieblichen Interesse liegt.
- LArbG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.08.2017 – 12 Sa 8/17: Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass der Arbeitgeber in der Mitte des Geschäftsjahres eine Gratifikationsregelung, die auf das laufende Jahr Bezug nimmt, nicht kündigen oder abändern kann.
Fragen und Antworten (FAQ)
Muss mein Arbeitgeber mir eine Gratifikation zahlen?
Ein gesetzlicher Anspruch besteht grundsätzlich nicht. Ein Rechtsanspruch kann sich jedoch aus Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben.
Wann kann der Arbeitgeber eine Gratifikation kürzen oder zurückfordern?
Der Arbeitgeber kann eine Gratifikation kürzen oder zurückfordern, wenn dies vertraglich vereinbart wurde oder wenn die Zahlung irrtümlich ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Zudem kann sie gekürzt werden, wenn sie aufgrund betrieblicher Umstände gerechtfertigt ist.
Gibt es eine Obergrenze für die Höhe einer Gratifikation?
Eine gesetzliche Höchstgrenze für die Höhe gibt es nicht. Grundsätzlich hängt die Höhe von der vertraglichen Vereinbarung und den individuellen Umständen ab.
Welche steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen hat die Zahlung einer Gratifikation?
Sie unterliegen der Einkommensteuer und zählen zu den sozialversicherungspflichtigen Bezügen.
Fazit zur Gratifikation
Gratifikationen sind freiwillige Zusatzzahlungen des Arbeitgebers, die in verschiedenen Formen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Jubiläumszuwendung oder Tantieme auftreten können. Die rechtlichen Grundlagen für Ansprüche sind vielfältig und können aus Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz entstehen.
Der Arbeitgeber kann unter bestimmten Voraussetzungen Gratifikationen kürzen, zurückfordern oder ausschließen. Wichtig ist stets, die vertraglichen Regelungen genau zu prüfen und sich bei Unklarheiten rechtlichen Rat einzuholen.
Insgesamt zeigt sich, dass die Gratifikation im Arbeitsrecht eine komplexe Materie mit vielen rechtlichen Anknüpfungspunkten ist. Daher ist es empfehlenswert, bei Fragen und Problemen die Hilfe eines im Arbeitsrecht erfahrenen Anwalts in Anspruch zu nehmen.
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