Die Haftung für Dritte ist ein zentrales Konzept im deutschen Rechtssystem. Angefangen bei der Elternhaftung über die Tierhalterhaftung bis hin zur Arbeitgeberhaftung – in allen diesen Fällen kann eine Person für Schäden haftbar gemacht werden, die von einer anderen Person oder einem Tier verursacht wurden. In diesem umfangreichen Blog-Beitrag werden wir alle Aspekte der Haftung für Dritte untersuchen, einschließlich der rechtlichen Grundlagen, aktueller Gerichtsurteile und häufig gestellter Fragen.

Inhaltsverzeichnis

Elternhaftung

Die Elternhaftung ist in § 832 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Sie besagt, dass Eltern für Schäden haften, die ihre minderjährigen Kinder verursachen, sofern sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Die Elternhaftung ist jedoch nicht unbegrenzt: Sie gilt nur für Kinder, die das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 104 BGB) bzw. für Kinder unter zehn Jahren, wenn es um die Verantwortlichkeit für den Schaden bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn geht (§ 110 Straßenverkehrsgesetz).

Voraussetzungen für die Elternhaftung

Die Elternhaftung tritt in Kraft, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Die Eltern sind gesetzliche Vertreter des Kindes.
  • Das Kind hat einen Schaden verursacht.
  • Die Eltern haben ihre Aufsichtspflicht verletzt.

Umfang der Aufsichtspflicht

Die Aufsichtspflicht umfasst die Pflicht der Eltern, ihr Kind so zu beaufsichtigen, dass es keine Schäden verursacht. Der Umfang der Aufsichtspflicht ist jedoch abhängig von Alter, Entwicklungsstand und individuellen Eigenschaften des Kindes. Es gibt keine starren Regeln, sondern es kommt auf den Einzelfall an.

Grundsätzlich gilt: Je jünger das Kind ist, desto höher sind die Anforderungen an die Aufsichtspflicht. Bei älteren Kindern und Jugendlichen kann die Aufsichtspflicht gelockert werden, wenn sie sich als vernünftig und zuverlässig erwiesen haben.

Verschuldensunabhängige Elternhaftung

In bestimmten Fällen kann eine verschuldensunabhängige Haftung der Eltern in Betracht kommen. Dies ist der Fall, wenn das Kind zwar einen Schaden verursacht hat, die Eltern aber keine Aufsichtspflichtverletzung nachweisen können. In solchen Fällen kann das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine Haftung der Eltern aufgrund einer sogenannten „Gefährdungshaftung“ anordnen.

Tierhalterhaftung

Die Tierhalterhaftung ist in § 833 BGB geregelt. Sie besagt, dass der Tierhalter für Schäden haftet, die durch sein Tier verursacht wurden. Anders als bei der Elternhaftung ist die Tierhalterhaftung verschuldensunabhängig: Der Tierhalter haftet auch dann, wenn er keine Schuld trifft.

Voraussetzungen für die Tierhalterhaftung

Die Tierhalterhaftung tritt in Kraft, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Es handelt sich um ein Tier im Sinne des § 90a BGB (d. h., Tiere, die keine Sachen sind).
  • Der Schädiger ist der Halter des Tieres.
  • Das Tier hat aufgrund seiner tierischen Natur einen Schaden verursacht.

Tierhalter im Sinne des Gesetzes

Als Tierhalter gilt, wer ein Tier auf eigene Kosten hält und darüber bestimmt, wie und wo es gehalten wird. Dabei kommt es nicht darauf an, wer das Tier pflegt oder wer es aufnimmt (z. B. im Rahmen einer Tierpension). Entscheidend ist die generelle Verfügungsgewalt über das Tier.

Haftungsbefreiende Gründe

Die Tierhalterhaftung ist grundsätzlich verschuldensunabhängig. Dennoch gibt es Haftungsbefreiungsgründe, die dazu führen können, dass der Tierhalter nicht haftet:

  • Der Schaden wäre auch ohne das tierische Verhalten entstanden.
  • Der Geschädigte hat den Schaden selbst verschuldet oder mitverursacht (z. B. durch Aufreizung des Tieres).
  • Der Geschädigte hat das Tier ohne Wissen oder Willen des Halters übernommen (z. B. bei Diebstahl).

Arbeitgeberhaftung

Die Arbeitgeberhaftung ist in § 831 BGB geregelt. Sie besagt, dass der Arbeitgeber für Schäden haftet, die von seinen Angestellten oder Beauftragten verursacht wurden. Die Arbeitgeberhaftung ist jedoch nicht unbegrenzt: Der Arbeitgeber kann sich von der Haftung befreien, wenn er nachweist, dass er bei der Auswahl und Überwachung des Angestellten oder Beauftragten die erforderliche Sorgfalt aufgewendet hat.

Voraussetzungen für die Arbeitgeberhaftung

Die Arbeitgeberhaftung tritt in Kraft, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Es besteht ein Arbeits- oder Auftragsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Angestellten oder Beauftragten.
  • Der Angestellte oder Beauftragte hat einen Schaden verursacht.
  • Der Schaden ist in Ausübung der dienstlichen oder geschäftlichen Tätigkeit entstanden.

Haftungsbefreiender Sorgfaltsbeweis

Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, sich von der Haftung gemäß § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB zu befreien, indem er nachweist, dass er bei der Auswahl und Überwachung des Angestellten oder Beauftragten die erforderliche Sorgfalt aufgewendet hat. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die Art der Tätigkeit, das Risiko von Schäden und die Qualifikation des Angestellten oder Beauftragten.

Direkte Haftung des Arbeitgebers

In bestimmten Fällen kann der Arbeitgeber auch direkt haften, etwa wenn er selbst den Schaden verursacht oder die Verantwortlichkeit für die Schadensverursachung trägt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitgeber seine eigenen Pflichten verletzt hat, z. B. durch unzureichende Unterweisung oder mangelnde Sicherheitsvorkehrungen am Arbeitsplatz.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Haftung für Dritte

In diesem Abschnitt werden wir einige aktuelle Gerichtsurteile vorstellen, die die Haftung für Dritte betreffen. Diese Urteile verdeutlichen die Anwendung der oben erläuterten Haftungsgrundsätze in der Praxis und bieten wertvolle Einblicke in die Rechtsprechung.

Elternhaftung: BGH, Urteil vom 31.10.2017, Az. VI ZR 527/16

In diesem Fall entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass Eltern nicht generell dafür haften, wenn ihr minderjähriges Kind ohne Erlaubnis das elterliche Auto benutzt und dabei einen Unfall verursacht. Die Eltern haften nur, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben, z. B. indem sie den Fahrzeugschlüssel leicht zugänglich aufbewahrt haben.

Tierhalterhaftung: BGH, Urteil vom 20.03.2018, Az. VI ZR 396/16

Der BGH entschied in diesem Fall, dass ein Hundehalter auch dann haftet, wenn sein Hund beim Gassigehen unvermittelt auf die Fahrbahn läuft und dadurch einen Verkehrsunfall verursacht. Der Tierhalter kann sich nicht darauf berufen, dass der Hund bisher stets gut erzogen und folgsam war.

Arbeitgeberhaftung: BAG, Urteil vom 19.02.2015, Az. 8 AZR 1007/13

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied in diesem Fall, dass ein Arbeitgeber haftet, wenn ein Angestellter während einer betrieblichen Veranstaltung alkoholbedingt einen Unfall verursacht. Der Arbeitgeber hat die Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem er die betriebliche Veranstaltung ohne ausreichende Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt hat.

Häufig gestellte Fragen zur Haftung für Dritte

In diesem Abschnitt beantworten wir einige häufig gestellte Fragen zur Haftung für Dritte.

Haften Eltern auch für volljährige Kinder?

Nein, die Elternhaftung gilt grundsätzlich nur für minderjährige Kinder. Sobald das Kind volljährig ist, haftet es selbst für von ihm verursachte Schäden. Ausnahmen können sich jedoch ergeben, wenn das volljährige Kind aufgrund einer Behinderung oder aus anderen Gründen ständiger Aufsicht bedarf und die Eltern diese Aufsichtspflicht verletzt haben.

Haftet der Tierhalter auch für Schäden, die durch entlaufene Tiere verursacht wurden?

Ja, der Tierhalter haftet grundsätzlich auch für Schäden, die durch entlaufene Tiere verursacht wurden. Allerdings kann der Tierhalter im Einzelfall von der Haftung befreit sein, wenn er nachweisen kann, dass er alle erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen hat und das Entlaufen des Tieres nicht verhindern konnte.

Haftet der Arbeitgeber auch für Schäden, die von einem freien Mitarbeiter verursacht wurden?

Die Haftung des Arbeitgebers für freie Mitarbeiter ist umstritten. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber auch für Schäden haften, die von einem freien Mitarbeiter verursacht wurden, sofern der Schaden in Ausübung der dienstlichen oder geschäftlichen Tätigkeit entstanden ist. Allerdings kann der Arbeitgeber sich unter Umständen von der Haftung befreien, indem er die erforderliche Sorgfalt bei der Auswahl und Überwachung des freien Mitarbeiters nachweist.

Gibt es eine Haftungsbegrenzung bei der Tierhalterhaftung?

Nein, die Tierhalterhaftung ist grundsätzlich unbegrenzt. Der Tierhalter haftet für den gesamten Schaden, der durch sein Tier verursacht wurde. Allerdings gibt es im Einzelfall Haftungsbefreiungsgründe, die dazu führen können, dass der Tierhalter ganz oder teilweise von der Haftung befreit wird.

Können mehrere Personen gemeinsam haften?

Ja, im deutschen Recht gibt es die sogenannte Gesamtschuldnerregelung gemäß § 421 BGB. Danach haften mehrere Schuldner, die gemeinsam für einen Schaden verantwortlich sind, gemeinschaftlich und jeweils in voller Höhe. Der Geschädigte kann sich aussuchen, von wem er den Schadenersatz fordert. Der zur Zahlung verpflichtete Schuldner kann jedoch von den anderen Schadensverursachern einen Ausgleich verlangen.

Zusammenfassung

Die Haftung für Dritte ist ein zentrales Konzept im deutschen Rechtssystem, das sowohl Elternhaftung, Tierhalterhaftung als auch Arbeitgeberhaftung umfasst. In diesem umfangreichen Blog-Beitrag haben wir die rechtlichen Grundlagen, aktuelle Gerichtsurteile und häufig gestellte Fragen zur Haftung für Dritte erörtert. Dabei haben wir gezeigt, dass die Haftung für Dritte in vielen Fällen von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist und es auf den Einzelfall ankommt. Als Rechtsanwalt mit Erfahrung in diesem Bereich stehe ich Ihnen bei Fragen und Problemen zur Haftung für Dritte gerne zur Verfügung.

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