Die Inventur ist ein zentraler Aspekt des betrieblichen Rechnungswesens und eine gesetzlich geregelte Pflicht für Unternehmen. In diesem Blogbeitrag wollen wir auf die verschiedenen Aspekte der Inventur eingehen und dabei insbesondere den rechtlichen Rahmen betonen. Hier erfahren Sie alles über die verschiedenen Inventurarten, wichtige Fristen, aktuelle Gerichtsurteile und erhalten Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Thema.

Übersicht

  • Inventur: Definition und Bedeutung
  • Rechtliche Grundlagen
  • Inventurarten und ihre Unterschiede
  • Fristen und Zeitpunkte der Inventur
  • Inventurvereinfachungsverfahren
  • Gerichtsurteile zur Inventur
  • FAQ: Häufig gestellte Fragen zur Inventur

Inventur: Definition und Bedeutung

Die Inventur ist die vollständige, körperliche Bestandsaufnahme aller Vermögensgegenstände und Schulden eines Unternehmens. Sie dient der Feststellung des Bestands von materiellen und immateriellen Vermögenswerten wie Anlagevermögen, Vorräten, Forderungen sowie Verbindlichkeiten im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses. Zudem ermöglicht sie die Überprüfung der Buchführung. Die Inventur bildet die Grundlage für die Bewertung des Vermögens und die Berechnung des Eigenkapitals eines Unternehmens.

Rechtliche Grundlagen

Die gesetzlichen Regelungen finden sich in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen, insbesondere:

  • § 240 Handelsgesetzbuch (HGB): Abschluss eines Geschäftsjahres
  • § 241a HGB: Vereinfachung der Inventur für kleine Unternehmen
  • § 242 HGB: Regelmäßige Inventur
  • § 243 HGB: Inventar als Grundlage für Jahresabschluss
  • § 257 HGB: Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen
  • Abgabenordnung (AO), insbesondere: § 140 AO: Steuerliche Buchführungspflichten und § 146 AO: Ordnungsvorschriften für die Buchführung
  • Verordnung über die Führung von Registern und die Absendung von Buchauszügen (Inventurregister-Verordnung)

Diese Regelungen legen fest, dass Unternehmen verpflichtet sind, ihre Vermögensgegenstände und Schulden in regelmäßigen Abständen genau zu erfassen, zu dokumentieren und aufzubewahren. Zuwiderhandlungen können zu schwerwiegenden Sanktionen führen: von Bußgeldern bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung. Unternehmen sollten daher der Inventur höchste Beachtung schenken und sich frühzeitig über ihre Pflichten und Rechte informieren.

Inventurarten und ihre Unterschiede

Es gibt verschiedene Arten, die sich in ihrem Ablauf, ihren Anforderungen und ihren Vor- und Nachteilen unterscheiden. Die wichtigsten Inventurarten sind:

  • Stichtagsinventur: Die vollständige Erfassung des Bestands am Ende eines Geschäftsjahres innerhalb von zehn Tagen vor oder nach diesem Stichtag. Sie ist die gängigste und am häufigsten geforderte Inventurart. Unternehmen haben dann die Möglichkeit, entweder eine körperliche Stichtagsinventur oder eine zeitlich vorgelagerte Stichprobeninventur durchzuführen.
  • Permanente Inventur: Die fortlaufende Erfassung des Bestands während des gesamten Geschäftsjahres durch wiederkehrende Zählungen einzelner Teilbereiche. Diese Inventurart verlangt eine genaue und umfassende Organisation sowie den Einsatz von Softwaresystemen. Die Vorteile bestehen darin, dass Bestandsschwankungen ständig nachvollziehbar sind und der Inventurstress am Jahresende vermieden wird.
  • Stichprobeninventur: Die Erfassung von repräsentativen Stichproben aus dem Gesamtbestand und die Hochrechnung auf den Gesamtbestand. Diese Inventurart erfordert eine Änderung der Buchführungsmethode und die Erstellung eines Verfahrensplans. Sie ist weniger zeitaufwendig und kostspielig als die permanent Inventur, birgt jedoch das Risiko statistischer Ungenauigkeiten.

Fristen und Zeitpunkte der Inventur

Die Fristen für die Durchführung sind gesetzlich vorgegeben und müssen von den Unternehmen strikt eingehalten werden:

  • Die Stichtagsinventur muss innerhalb von zehn Tagen vor oder nach dem Stichtag (dem Ende des Geschäftsjahres) durchgeführt werden.
  • Die permanente Inventur muss während des gesamten Geschäftsjahres fortlaufend erfolgen und alle Vermögensgegenstände und Schulden müssen mindestens einmal im Geschäftsjahr gezählt werden.
  • Die Stichprobeninventur muss innerhalb des Geschäftsjahres durchgeführt werden. Die Stichtagsinventur kann in der Regel bis zu drei Monate vor oder bis zu zwei Monate nach dem Stichtag durchgeführt werden, sofern die Hochrechnung auf den Stichtag möglich ist und keine wesentlichen Bestandsveränderungen stattgefunden haben.

Unternehmen sollten frühzeitig die Inventur planen und organisieren, um den rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden und mögliche Sanktionen oder Schäden zu vermeiden.

Inventurvereinfachungsverfahren

Der Gesetzgeber hat für bestimmte Unternehmen und unter bestimmten Voraussetzungen Vereinfachungen vorgesehen. Diese Inventurvereinfachungsverfahren können unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen zur Anwendung kommen:

  • § 241a HGB: Vereinfachung für kleine Unternehmen: Kleine Unternehmen, die an zwei aufeinander folgenden Abschlussstichtagen nicht mehr als 600.000 Euro Umsatzerlöse und 60.000 Euro Jahresüberschuss aufweisen, sind von der Pflicht zur Erstellung von Inventaren und Jahresabschlüssen befreit. Sie müssen jedoch eine Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG vorlegen und auf Verlangen der Finanzbehörde den Bestand ihrer Vermögensgegenstände und Schulden nachweisen.
  • Zeitverschobene Inventur: Die zeitverschobene Inventur kann in der Regel bis zu drei Monate vor oder bis zu zwei Monate nach dem Stichtag durchgeführt werden, sofern die Hochrechnung auf den Stichtag möglich ist und keine wesentlichen Bestandsveränderungen stattgefunden haben. Die zeitverschobene Inventur muss von der Finanzbehörde genehmigt werden.

Gerichtsurteile zur Inventur

In den letzten Jahren gab es einige interessante Gerichtsentscheidungen rund um das Thema. Im Folgenden finden Sie eine Auswahl von Urteilen, die für die rechtliche Beurteilung der Inventur von besonderer Bedeutung sind:

  • Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 30.01.2020, Az. IV R 48/17: Der BFH entschied, dass bei einer unvollständigen oder fehlerhaften Inventur die Finanzbehörde den Bestand schätzen kann, wenn die Buchführung nicht ordnungsgemäß ist. Dies kann zur Erhöhung der steuerlichen Bemessungsgrundlage führen und sich negativ auf das Unternehmen auswirken.
  • Finanzgericht (FG) Münster, Urteil vom 26.09.2019, Az. 10 K 2855/16: Das FG Münster urteilte, dass die Stichprobeninventur den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht, wenn sie nach anerkannten Grundsätzen der Statistik durchgeführt wird und der Verfahrensplan für die Inventur und die Hochrechnung plausibel und nachvollziehbar ist.
  • BFH, Urteil vom 26.11.2014, Az. X R 20/12: In diesem Urteil stellte der BFH klar, dass die Kosten für die Durchführung einer Inventur als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, auch wenn die Inventur vom Unternehmen selbst durchgeführt wird und keine gesonderten Rechnungen von externen Dienstleistern vorliegen.

FAQ: Häufig gestellte Fragen zur Inventur

Da die Inventur sowohl komplexe juristische als auch betriebliche Aspekte umfasst, haben wir die häufigsten Fragen rund um das Thema Inventur für Sie aufbereitet, inklusive fundierter Antworten darauf:

  1. Welche Unternehmen sind zur Inventur verpflichtet?: Grundsätzlich sind alle Kaufleute, die nach Handelsrecht ein vollkaufmännisches Unternehmen führen, zur Inventur verpflichtet. Dazu gehören Einzelkaufleute, Personengesellschaften, Kapitalgesellschaften sowie eingetragene Genossenschaften. Freiberufler und Gewerbetreibende unterliegen nicht den Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs, müssen aber für steuerliche Zwecke Aufzeichnungen und Vorlagen über ihre Vermögenswerte vorlegen.
  2. Wie oft muss die Inventur durchgeführt werden?: Die Inventur muss mindestens einmal im Geschäftsjahr und am Ende dieses Geschäftsjahres erfolgen. Je nach Art der Inventur kann die Durchführung der Bestandsaufnahme zeitlich vor oder nach dem Stichtag variieren, sofern die rechtlichen Anforderungen erfüllt sind.
  3. Wer haftet für Fehler bei der Inventur?: Die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung der Inventur liegt beim gesetzlichen Vertreter des Unternehmens (z.B. Geschäftsführer, Vorstand). Bei groben Versäumnissen oder Verstößen gegen die gesetzlichen Vorschriften können persönliche Haftungs- und Strafverfolgungsrisiken drohen.
  4. Kann ich die Inventur auslagern?: Ja, die Durchführung der Inventur kann an externe Dienstleister oder an Mitarbeiter des Unternehmens delegiert werden, sofern sie fachgerecht und nach den gesetzlichen Vorschriften erfolgt. Die Verantwortung liegt jedoch nach wie vor beim gesetzlichen Vertreter des Unternehmens.
  5. Muss ich bei einer Umstellung von der Stichtagsinventur auf die permanente Inventur oder Stichprobeninventur besondere Formalitäten beachten?: Bei einer Umstellung auf die permanente Inventur oder Stichprobeninventur müssen Sie eine schriftliche Änderungsanzeige bei Ihrem zuständigen Finanzamt einreichen und gegebenenfalls die Zustimmung einholen, bevor Sie den Wechsel vollziehen. Die Gründe für den Wechsel und die Anwendung eines neuen Verfahrensplans müssen plausibel und nachvollziehbar sein.

Fazit

Die Inventur ist ein zentrales Element der betrieblichen Buchführung und ein wichtiger Bestandteil des Jahresabschlusses. Die rechtlichen Anforderungen und Pflichten, die sich aus den gesetzlichen Regelungen ergeben, sind umfangreich und für Unternehmen oft eine Herausforderung. Die Kenntnis der verschiedenen Inventurarten, Fristen, aktuellen Gerichtsurteile und häufig gestellten Fragen ist unerlässlich, um den rechtlichen Vorgaben gerecht zu werden und möglichen Sanktionen oder Schäden entgegenzuwirken.

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