In diesem Blog-Beitrag werden wir uns ausführlich mit dem Thema Kinderlärm beschäftigen. Als Rechtsanwalt mit langjähriger Erfahrung werde ich Ihnen die rechtlichen Rahmenbedingungen, aktuelle Gerichtsurteile und die rechtlichen Möglichkeiten aufzeigen, die Ihnen als betroffener Nachbar, Vermieter oder Elternteil zur Verfügung stehen. Zudem gebe ich Ihnen Lösungsansätze, wie man in solchen Situationen am besten vorgeht, um auf verständnisvolle und sachliche Weise Lösungen zu finden, damit ein harmonisches Zusammenleben aller Beteiligten ermöglicht wird.

Inhaltsverzeichnis

  1. Definition von Kinderlärm
  2. Rechtliche Grundlagen
  3. Gerichtsurteile zum Thema Kinderlärm
  4. Rechte und Pflichten von Mietern und Vermietern
  5. Rechtliche Schritte gegen Kinderlärm
  6. Lösungsansätze und Prävention
  7. FAQs zum Thema Kinderlärm
  8. Kinderlärm: Unvermeidlich?

Definition von Kinderlärm

Bevor wir uns den rechtlichen Aspekten des Themas widmen, ist es sinnvoll, zuerst einmal die Art von Lärm zu definieren, die wir in diesem Beitrag als „Kinderlärm“ bezeichnen. Grundsätzlich handelt es sich dabei um Geräusche, die von Kindern während ihrer normalen, altersgemäßen Spiel- und Freizeitaktivitäten erzeugt werden, möglich auf:

  • Spielplätzen
  • In Wohnungen oder im Garten
  • Auf Straßen und Wegen
  • In Kindergärten und Schulen
  • Bei Veranstaltungen und Festen

Es ist wichtig zu betonen, dass Kinderlärm nicht grundsätzlich als unangenehm oder störend empfunden werden sollte, sondern vielmehr als natürlicher Teil des täglichen Lebens und der kindlichen Entwicklung. Allerdings kann dieser Lärm in einigen Fällen zu Belastungen oder Unzufriedenheit bei Nachbarn führen, insbesondere wenn die Lärmbelastung dauerhaft oder in unangemessenen Zeiten auftritt.

Rechtliche Grundlagen

Die rechtliche Basis für das Thema Kinderlärm ergibt sich aus verschiedenen Gesetzen und Verordnungen, die dazu dienen, den Schutz der Kinder und ihrer kindlichen Entwicklung zu gewährleisten, gleichzeitig aber auch die Belange von Anwohnern, Vermietern und sonstigen Betroffenen zu berücksichtigen. Dazu zählen unter anderem:

  1. Grundgesetz (GG)
  2. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  3. Mietrecht
  4. Nachbarschaftsrecht
  5. Landesbauordnungen
  6. Emmissionschutzgesetz (BImSchG)
  7. Verkehrssicherungspflichten

Grundgesetz (GG)

Das Grundgesetz schützt die Rechte der Kinder in Artikel 6 Abs. 2 GG, der das Recht auf Pflege und Erziehung der Eltern festlegt:

„Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“

Darüber hinaus sichert Artikel 2 Abs. 1 GG das allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches auch für Kinder gilt:

„Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“

Diese beiden Artikel bilden die Basis für die rechtliche Bewertung von Kinderlärm und müssen bei der Betrachtung der Rechte und Pflichten aller Beteiligten berücksichtigt werden.

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt Fragen des Zivilrechts und berührt somit auch das Thema Kinderlärm in miet- und nachbarschaftsrechtlichen Belangen. Insbesondere die Regelungen über die nachbarliche Rücksichtnahme (§ 242 BGB) und sogenannte „Immissionsgrenzen“ sind von Bedeutung (§§ 906, 1004 BGB).

Nach § 906 BGB ist eine Beeinträchtigung des Eigentums durch Immissionen (z.B. Lärm) grundsätzlich zulässig, wenn sie die ortsübliche Nutzung des Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigt. Dies bedeutet, dass bei Kinderlärm eine gewisse Toleranzgrenze besteht, die jedoch nicht überschritten werden darf, wenn das Zusammenleben und die Nutzung von Wohnungen oder Grundstücken unzumutbar beeinträchtigt wird.

§ 1004 BGB räumt dem Betroffenen das Recht ein, die Beseitigung einer rechtswidrigen Beeinträchtigung zu verlangen, sofern die Beeinträchtigung nicht ortsüblich und wesentlich ist.

Mietrecht

Im Mietrecht ist das Thema Kinderlärm in erster Linie über das Gebot der Rücksichtnahme (§ 242 BGB) und die Frage der Mietminderung (§ 536 BGB) von Bedeutung. Grundsätzlich sollten Mieter und Vermieter aufeinander Rücksicht nehmen und versuchen, durch gegenseitiges Verständnis und Toleranz ein harmonisches Zusammenleben zu ermöglichen.

Kinderlärm allein ist normalerweise kein ausreichender Grund für eine Mietminderung, da er als sozialadäquat und ortsüblich angesehen wird. Allerdings können extreme Fälle, in denen der Lärm unzumutbar und dauerhaft ist, unter Umständen einen Minderungsanspruch begründen.

Nachbarschaftsrecht

Das Nachbarschaftsrecht ist eine weitere wichtige Rechtsgrundlage für das Thema Kinderlärm. Hier spielen insbesondere die landesrechtlichen Nachbarschaftsgesetze eine Rolle, die Regelungen über Immissionsschutz, Lärmschutz und Bauordnungen treffen. In vielen Fällen ist hier eine enge Zusammenarbeit zwischen Nachbarn, Vermietern und kommunalen Behörden erforderlich, um für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösungen zu finden.

Landesbauordnungen

Die Landesbauordnungen legen unter anderem fest, welche Anforderungen an den Schallschutz in Wohngebäuden zu stellen sind. Dies betrifft sowohl den Schallschutz zwischen verschiedenen Wohnungen als auch den Schallschutz gegen Außenlärm. Je nach Ausführung des Gebäudes kann der bauliche Schallschutz dazu beitragen, den Kinderlärm auf ein erträgliches Maß zu reduzieren und somit Konflikte zwischen Nachbarn zu vermeiden.

Emmissionschutzgesetz (BImSchG)

Das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) stellt den Schutz der Bevölkerung vor schädlichen Umwelteinwirkungen, zu denen auch Lärm gehört, sicher. Allerdings sind für den Bereich Kinderlärm insbesondere die Lärmschutz-Verordnungen der Länder von Bedeutung, da diese die zulässigen Immissionsrichtwerte für verschiedene Arten von Lärmquellen (wie z.B. Kindertagesstätten) festlegen.

Verkehrssicherungspflichten

Eltern haben im Zusammenhang mit Kinderlärm auch Verkehrssicherungspflichten zu beachten. Das bedeutet, dass sie dafür Sorge tragen müssen, dass von ihren Kindern keine Gefahr für Dritte ausgeht. Diese Pflicht kann beispielsweise die Beaufsichtigung von Kindern beim Spielen auf öffentlichen Flächen oder die Sicherung von Spielgeräten im eigenen Garten umfassen.

Gerichtsurteile zum Thema Kinderlärm

Im Laufe der Jahre gab es mehrere Gerichtsentscheidungen, die sich mit dem Thema Kinderlärm auseinandergesetzt haben und somit rechtliche Leitlinien für die Beurteilung solcher Fälle bieten. Einige der wichtigsten Urteile sind:

  1. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 29.04.2015, Az. VIII ZR 197/14: In dieser Entscheidung stellte der BGH klar, dass Kinderlärm in Mehrfamilienhäusern grundsätzlich als sozialadäquat und tolerabel angesehen werden muss. Eine Mietminderung wegen Kinderlärm wurde in diesem Fall abgelehnt.
  2. Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Urteil vom 24.10.2017, Az. I-21 U 9/17: Das OLG Düsseldorf entschied, dass Eigentümer keine Beseitigung von Spielgeräten auf einem Gemeinschaftsgrundstück verlangen können, wenn diese im Rahmen der üblichen Nutzung sind und keine unzumutbare Lärmbelästigung verursachen.
  3. Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen, Urteil vom 19.04.2013, Az. 16 K 1431/10: In diesem Fall urteilte das VG Gelsenkirchen, dass die Lärmbelastung durch spielende Kinder auf einem nahegelegenen Spielplatz als ortsüblich und zumutbar anzusehen ist und somit kein Anspruch auf Lärmschutzmaßnahmen seitens der Stadt besteht.

Diese und weitere Urteile zeigen, dass Kinderlärm grundsätzlich als sozialadäquat und im Rahmen des üblichen Zusammenlebens hinzunehmen ist, solange er nicht unzumutbare Ausmaße annimmt. Im Zweifelsfall sollten betroffene Anwohner zunächst das Gespräch mit den Eltern oder Vermietern suchen, bevor sie rechtliche Schritte einleiten.

Rechtliche Schritte gegen Kinderlärm

Trotz aller Bemühungen um gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz kann es in Einzelfällen dennoch notwendig sein, rechtliche Schritte gegen unzumutbare Kinderlärm-Immissionen einzuleiten. Je nach Einzelfall können dabei unterschiedliche juristische Mittel zum Einsatz kommen:

  1. Aufforderung zur Unterlassung: Als erste Maßnahme können Nachbarn oder Vermieter eine schriftliche Aufforderung zur Unterlassung an die Eltern richten, in der konkret darlegt wird, welche Lärmbeeinträchtigungen als unzumutbar empfunden werden und welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, um den Lärmpegel zu reduzieren.
  2. Verfügung oder einstweilige Anordnung: In dringenden Fällen kann beim zuständigen Amtsgericht eine Verfügung oder einstweilige Anordnung beantragt werden, um den Lärmpegel kurzfristig zu senken. Eine solche gerichtliche Entscheidung setzt allerdings voraus, dass die Lärmbelätigung tatsächlich unerträglich ist und ein Abwarten auf eine endgültige gerichtliche Klärung unzumutbar wäre.
  3. Zivilrechtliche Klage: Je nach Sachlage können betroffene Anwohner eine zivilrechtliche Klage anstrengen, um Unterlassung, Schadensersatz oder Mietminderung geltend zu machen. Eine solche Klage sollte jedoch nur nach sorgfältiger Abwägung der Chancen und Risiken sowie vorheriger rechtlicher Beratung eingeleitet werden.

Bevor jedoch rechtliche Schritte eingeleitet werden, sollten alle Beteiligten versuchen, durch Gespräche und Verhandlungen eine einvernehmliche Lösung des Konflikts zu finden. Die Inanspruchnahme juristischer Mittel sollte stets als letztes Mittel betrachtet werden, da hierdurch häufig nachhaltige Verstimmungen zwischen den Beteiligten entstehen können.

Lösungsansätze und Prävention

Um Konflikte rund um das Thema Kinderlärm zu vermeiden oder zu lösen, sollten alle Beteiligten bemüht sein, einen konstruktiven Dialog und verständnisvollen Umgang miteinander zu pflegen. Dazu gehören:

  • Faire Absprachen zwischen Nachbarn über die Nutzung gemeinschaftlicher Räume und Einrichtungen, wie z.B. Gärten oder Spielplätze.
  • Möglichkeiten der Erziehung der Kinder, wie z.B. das Aufstellen von Regeln oder einer zeitlichen Begrenzung der Spielzeiten.
  • Die sachliche Erörterung konkreter Störungen oder Belästigungen und eine freundliche Aufforderung, diese möglichst zu reduzieren.
  • Die gemeinschaftliche Planung von Schallschutzmaßnahmen, z.B. durch die Schaffung von Pufferräumen oder die Verbesserung der baulichen Schalldämmung.
  • Die Verwendung von leisen Spielgeräten oder -materialien, um den Geräuschpegel möglichst gering zu halten, z.B. durch den Einsatz von Rädern mit Gummireifen anstatt aus Hartplastik.
  • Die Vermittlung eines unabhängigen Schlichters oder Mediators, um eine Lösung im Sinne aller Beteiligten zu erreichen, falls direkte Gespräche scheitern.

Durch ein wohlwollendes und rücksichtsvolles Miteinander, das sowohl das Wohl der Kinder als auch die Interessen der übrigen Bewohner berücksichtigt, können viele Konflikte vermieden oder gelöst werden, ohne dass rechtliche Schritte notwendig werden.

FAQs zum Thema Kinderlärm

Kann man sich gegen Kinderlärm in der Mietwohnung wehren?

Grundsätzlich sollte Kinderlärm im Rahmen des Zusammenlebens toleriert werden. In extremen Fällen, in denen der Lärm unzumutbar ist, können jedoch rechtliche Schritte gegen die Störung eingeleitet werden. Zunächst sollte allerdings das Gespräch mit den verantwortlichen Eltern oder dem Vermieter gesucht werden.

Ist Kinderlärm in der Mittagsruhe erlaubt?

Die Mittagsruhe ist lediglich eine Empfehlung und hat keine gesetzliche Grundlage. Allerdings kann es je nach Ort oder Hausordnung Regelungen geben, die Lärm in dieser Zeit einschränken. Generell sollte auf Nachbarn und deren Bedürfnisse Rücksicht genommen werden.

Dürfen Eltern ihre Kinder in der Wohnung schreien lassen?

Eltern sollten darauf achten, dass von ihren Kindern keine unangemessene Lärmbelästigung ausgeht. Gelegentliches Schreien ist allerdings als normaler Teil der kindlichen Entwicklung zu betrachten und entsprechend zu tolerieren.

Ab wann ist Kinderlärm im Haus unzumutbar?

Wann Lärm als unzumutbar eingestuft wird, ist immer eine Einzelfallentscheidung. Grundsätzlich gilt, dass Kinderlärm als sozialadäquat und tolerabel angesehen wird. Erst bei dauerhaften und besonders starken Störungen kann von einer Unzumutbarkeit ausgegangen werden.

Kann ich wegen Kinderlärm die Miete mindern?

Normaler Kinderlärm ist kein berechtigter Grund für eine Mietminderung. Nur in extremen Fällen, in denen der Lärm unzumutbar und dauerhaft ist, kann ein Minderungsanspruch eventuell geltend gemacht werden.

Kinderlärm: Unvermeidlich?

Kinderlärm ist ein Thema, das immer wieder zu Unstimmigkeiten und Konflikten zwischen Nachbarn, Vermietern und Eltern führen kann. Eine juristische Bewertung dieser Konflikte hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, wie zum Beispiel der Intensität und Dauer des Lärms, den jeweiligen ortsüblichen Gegebenheiten und den individuellen Umständen der beteiligten Personen.

In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass oftmals eine verständnisvolle, sachliche und rücksichtsvolle Herangehensweise der beste Weg ist, um solche Probleme zu lösen und ein harmonisches Zusammenleben zu gewährleisten. Rechtliche Schritte sollten immer nur als letztes Mittel in Erwägung gezogen werden, da sie oft langwierig und konfliktschürend sind.

Aus diesem Grund rate ich Betroffenen stets, zunächst das Gespräch zu suchen und – falls erforderlich – auch professionelle Mediation oder Schlichtung in Anspruch zu nehmen, bevor sie den juristischen Weg beschreiten. Denn am Ende des Tages liegt das Wohl aller Beteiligten in einem friedlichen und respektvollen Miteinander, das sowohl die Bedürfnisse der Kinder als auch die berechtigten Anliegen der übrigen Bewohner berücksichtigt.

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