Wenn ein geliebter Mensch stirbt, müssen sich die Hinterbliebenen mit zahlreichen Fragen und Herausforderungen auseinandersetzen. Eine davon betrifft die Nachlassverbindlichkeiten, die bei der Abwicklung des Erbes auftreten können. In diesem Blogbeitrag werden wir die rechtlichen Aspekte von Schulden und Haftung im Erbrecht erörtern. Wir werden Gesetze, aktuelle Gerichtsurteile und häufig gestellte Fragen (FAQs) behandeln, um Ihnen dabei zu helfen, fundierte Entscheidungen für sich und Ihre Familie zu treffen.

Grundlagen des Erbrechts

Das Erbrecht ist ein wichtiger Teil des deutschen Zivilrechts und regelt die Übertragung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten nach dem Tod einer Person. Die gesetzliche Grundlage für das Erbrecht ist das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), insbesondere die §§ 1922 ff. BGB.

  • § 1922 BGB – Universalsukzession: Hier wird festgelegt, dass mit dem Tod einer Person deren Vermögen auf die Erben übergeht. Dies umfasst sowohl Vermögenswerte als auch Verbindlichkeiten, also Schulden.
  • § 1967 BGB – Haftung der Erben: Diese Vorschrift legt fest, dass die Erben für die Nachlassverbindlichkeiten haften. Die Haftung kann jedoch auf den Nachlass beschränkt werden, indem ein Erbe eine Dürftigkeitseinrede erhebt oder die Haftung gemäß § 1975 BGB begrenzt.

Arten von Nachlassverbindlichkeiten

Nachlassverbindlichkeiten können in zwei Hauptkategorien unterteilt werden:

Erblasserschulden: Schulden, die der Erblasser zu Lebzeiten eingegangen ist. Beispiele hierfür sind Kredite, Hypotheken, Steuerschulden und Unterhaltsverpflichtungen.

Erbfallkosten: Kosten, die durch den Tod des Erblassers entstehen, wie etwa Beerdigungskosten, Kosten für die Nachlassverwaltung oder Erbschaftssteuern.

Haftung der Erben für Nachlassverbindlichkeiten

Grundsätzlich haften die Erben gemäß § 1967 BGB unbeschränkt für die Nachlassverbindlichkeiten. Die Haftung erstreckt sich dabei auf das gesamte Vermögen der Erben, einschließlich ihres eigenen Vermögens und des ererbten Vermögens. Die Erben sollten sich daher umgehend über die finanzielle Situation des Erblassers informieren, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden.

Haftungsbeschränkung und Dürftigkeitseinrede

Um die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass zu beschränken, haben die Erben mehrere Möglichkeiten:

    • Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB): Erben können die Dürftigkeitseinrede erheben, wenn der Nachlass nicht ausreicht, um die Nachlassverbindlichkeiten zu begleichen. Durch die Dürftigkeitseinrede wird die Haftung der Erben auf den Wert des Nachlasses beschränkt.
    • Nachlassverwaltung (§§ 1975 ff. BGB): Erben können beim Nachlassgericht die Anordnung der Nachlassverwaltung beantragen. Dabei wird die Verwaltung des Nachlasses einem Nachlassverwalter übertragen, der die Nachlassverbindlichkeiten aus dem Nachlass begleicht. Die Haftung der Erben ist auf den Nachlass beschränkt.
    • Nachlassinsolvenz (§§ 1980 ff. BGB): Bei überschuldeten Nachlässen kann ein Erbe die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens beantragen. Im Rahmen des Verfahrens wird der Nachlass verwertet und die Gläubiger werden nach einer festgelegten Quote befriedigt. Nach Abschluss des Verfahrens haften die Erben nicht mehr für die restlichen Nachlassverbindlichkeiten.

Aktuelle Gerichtsurteile zum Thema Nachlassverbindlichkeiten

Die Rechtsprechung zu Nachlassverbindlichkeiten ist ständig in Bewegung. Hier sind einige aktuelle Gerichtsurteile, die für Erben und ihre Berater von Interesse sein könnten:

Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 14. März 2019 – IV ZR 150/18: In diesem Urteil stellte der BGH klar, dass Erben trotz Erhebung der Dürftigkeitseinrede verpflichtet sind, die Erbschaftssteuer zu zahlen. Die Steuerschuld ist eine persönliche Verbindlichkeit der Erben, die auch bei unzureichendem Nachlass zu erfüllen ist.

Oberlandesgericht (OLG) München, Urteil vom 6. Juni 2019 – 31 Wx 139/19: Das OLG München entschied, dass Erben unter bestimmten Voraussetzungen auch für Nachlassverbindlichkeiten haften können, die erst nach dem Tod des Erblassers entstanden sind, etwa durch den Abschluss eines Mietvertrags für die Räumung einer Wohnung.

BGH, Urteil vom 19. Dezember 2018 – XII ZR 182/17: Der BGH entschied, dass der Anspruch auf Auskunft über den Nachlass gegenüber dem Erben auch dann besteht, wenn der Erbe die Dürftigkeitseinrede erhebt. Die Erben müssen also trotz eingeschränkter Haftung Informationen über den Nachlass offenlegen.

Häufig gestellte Fragen (FAQs) zu Nachlassverbindlichkeiten

Im Folgenden finden Sie einige der häufigsten Fragen, die in Bezug auf Nachlassverbindlichkeiten und Haftung im Erbrecht gestellt werden:

Was passiert, wenn der Erblasser mehr Schulden als Vermögen hinterlässt?

Wenn der Erblasser mehr Schulden als Vermögen hinterlässt, spricht man von einem überschuldeten Nachlass. In diesem Fall sollten die Erben die oben genannten Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung (Dürftigkeitseinrede, Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz) prüfen, um nicht mit ihrem eigenen Vermögen für die Nachlassverbindlichkeiten haften zu müssen.

Können Erben eine Erbschaft ablehnen, um nicht für Schulden haften zu müssen?

Ja, Erben können eine Erbschaft gemäß § 1942 BGB innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Kenntnis vom Erbfall und ihrer Erbenstellung ausschlagen. Die Ausschlagung muss gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden. Durch die Ausschlagung wird die Erbschaft so behandelt, als ob der Erbe nie Erbe gewesen wäre, und er haftet nicht für die Nachlassverbindlichkeiten.

Was passiert mit Nachlassverbindlichkeiten, wenn es keine Erben gibt oder alle Erben die Erbschaft ausschlagen?

Wenn es keine Erben gibt oder alle Erben die Erbschaft ausschlagen, fällt der Nachlass an den Fiskus, also an den Staat. Der Fiskus tritt dann in die Erbenstellung ein und haftet für die Nachlassverbindlichkeiten. Allerdings hat der Fiskus ebenfalls die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen.

Wie können Erben herausfinden, ob der Erblasser Schulden hatte?

Erben sollten sich umgehend nach dem Erbfall über die finanzielle Situation des Erblassers informieren. Sie können dies tun, indem sie persönliche Unterlagen des Erblassers sichten, Banken und andere Gläubiger kontaktieren oder eine Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis beantragen. Zudem haben Erben gemäß § 2314 BGB einen Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses gegenüber Dritten, die im Besitz von Nachlassgegenständen oder Nachlassinformationen sind.

Zusammenfassung zu den Nachlassverbindlichkeiten im Erbrecht

Das Thema Nachlassverbindlichkeiten ist ein wichtiger Aspekt des Erbrechts, der häufig zu Unklarheiten und Sorgen bei Erben führt. Es ist wichtig zu wissen, dass Erben grundsätzlich für Nachlassverbindlichkeiten haften, jedoch Möglichkeiten bestehen, die Haftung auf den Nachlass zu beschränken. Erben sollten sich frühzeitig über die finanzielle Situation des Erblassers informieren und rechtlichen Rat einholen, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden und fundierte Entscheidungen treffen zu können.

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