Opfer von Straftaten haben im deutschen Strafprozess weitreichende Rechte, die ihnen dabei helfen sollen, ihre Interessen im Verfahren aktiv zu vertreten. Die Nebenklage ist eine der wichtigsten Möglichkeiten, die das deutsche Strafrecht den Opfern bietet, um ihre Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld durchzusetzen und für Gerechtigkeit zu sorgen. Im Rahmen dieses umfassenden Beitrags werden die rechtlichen Grundlagen, aktuelle Gerichtsurteile und FAQs zum Thema Nebenklage untersucht, um Ihnen einen umfassenden Einblick in die Materie zu bieten.

Was ist eine Nebenklage?

Die Nebenklage ist ein Instrument des deutschen Strafprozessrechts, das Opfern bestimmter Straftaten die Möglichkeit gibt, im Strafverfahren gegen den Täter eine aktivere Rolle zu spielen. Nebenkläger sind somit nicht nur Zeugen der Straftat, sondern auch Prozessbeteiligte, die eigene Rechte und Pflichten im Verfahren haben.

Die Nebenklage ist gesetzlich in den §§ 395-404 der Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Die wichtigsten Vorschriften hierbei sind:

  • § 395 StPO: Antrag auf Nebenklage und deren Zulassung
  • § 397 StPO: Rechte des Nebenklägers im Strafverfahren
  • § 398 StPO: Befugnisse des Nebenklägers beim Beweisantrag
  • § 399 StPO: Vertretung des Nebenklägers durch einen Rechtsanwalt
  • § 400 StPO: Beweisverwertungsverbot zugunsten des Nebenklägers
  • § 401 StPO: Ausschluss der Nebenklage durch das Gericht
  • § 402 StPO: Rechtsmittel gegen Entscheidungen im Rahmen der Nebenklage
  • § 403 StPO: Verbindung von Nebenklagen
  • § 404 StPO: Kosten der Nebenklage

Hierbei ist besonders zu beachten, dass eine Nebenklage nicht bei jeder Straftat möglich ist. Gemäß § 395 Abs. 1 StPO kommt eine Nebenklage grundsätzlich nur bei Verbrechen und bestimmten Vergehen in Betracht. Diese umfassen insbesondere:

  • Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung
  • Vorsätzliche Körperverletzung
  • Bedrohung und Nötigung
  • Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr
  • Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr
  • Fahrlässige Tötung

Rechte und Pflichten des Nebenklägers

Aufgrund ihrer besonderen Stellung im Strafprozess haben Nebenkläger umfangreiche Rechte und Pflichten, die ihnen erlauben, aktiv am Verfahren teilzunehmen. Die wichtigsten Rechte des Nebenklägers sind im Einzelnen:

  • Das Recht auf Akteneinsicht (§ 147 Abs. 7 StPO)
  • Das Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung (§ 397 Abs. 1 Nr. 1 StPO)
  • Das Recht, Fragen an den Angeklagten und Zeugen zu stellen (§ 397 Abs. 1 Nr. 3 StPO)
  • Das Recht, eigene Beweisanträge zu stellen (§ 397 Abs. 2 StPO)
  • Das Recht auf Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichts (§ 404 StPO)

Zu den Pflichten des Nebenklägers gehört es insbesondere, sich an die Prozessordnung zu halten und keinen Missbrauch der Nebenklage zu betreiben. Hierzu können etwa die Verpflichtung gehören, keine unzulässigen Beweisanträge zu stellen oder die Wahrheit vor Gericht zu sagen.

Die Vertretung des Nebenklägers durch einen Rechtsanwalt

Grundsätzlich besteht für Nebenkläger keine Pflicht, sich im Strafverfahren von einem Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Allerdings bietet diese Vertretung erhebliche Vorteile, da ein Rechtsanwalt die juristischen Feinheiten des Prozessrechts beherrscht und die Interessen des Nebenklägers umfassend vertreten kann. Gemäß § 399 StPO hat der Nebenkläger das Recht, sich im gesamten Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen.

Kosten der anwaltlichen Vertretung

Die Kosten für die anwaltliche Vertretung des Nebenklägers werden grundsätzlich von diesem selbst getragen. Allerdings gibt es hierbei auch Ausnahmen. So kann das Gericht gemäß § 109a StPO bei bestimmten Straftaten, die gegen die sexuelle Selbstbestimmung verstoßen, die Kosten einer notwendigen anwaltlichen Vertretung der Staatskasse auferlegen. Weiterhin können die Kosten der Nebenklage als Schadensposten im Rahmen eines zivilrechtlichen Anspruchs gegen den Täter geltend gemacht werden.

Adhäsionsverfahren als Instrument für zivilrechtliche Ansprüche im Strafprozess

Neben der Nebenklage haben Opfer im Strafprozess auch die Möglichkeit, ihre zivilrechtlichen Ansprüche gegen den Angeklagten im Rahmen eines sogenannten Adhäsionsverfahrens geltend zu machen. Das Adhäsionsverfahren ist in den §§ 403-406c StPO geregelt und dient dazu, zivilrechtliche Ansprüche, die aus der Straftat entstanden sind, effizient und kostengünstig im selben Verfahren wie die Strafsache zu klären.

Voraussetzungen für das Adhäsionsverfahren

Die Erhebung einer privatrechtlichen Klage im Strafverfahren setzt voraus, dass der Geschädigte einem berechtigten Interesse an der gleichzeitigen Entscheidung hat. Dies ist in der Regel der Fall, wenn ein zivilrechtlicher Anspruch erwachsen ist, der aufgrund der Straftat entsteht, z.B. Schadenersatz- oder Schmerzensgeldansprüche.

Darüber hinaus muss die Klage gemäß § 404 StPO schriftlich erhoben und spätestens zwei Wochen vor dem Termin zur Hauptverhandlung bei Gericht eingereicht werden. Allerdings kann das Gericht auch eine spätere Erhebung der Klage zulassen, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse darlegt.

Verfahrensgang im Adhäsionsverfahren

Das Adhäsionsverfahren wird grundsätzlich parallel zur Hauptverhandlung in der Strafsache durchgeführt. Der Geschädigte und seine anwaltliche Vertretung sind berechtigt, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, Fragen an den Angeklagten und Zeugen zu stellen sowie Beweisanträge zu stellen.

Nach Abschluss der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht im Rahmen des Strafurteils auch über die zivilrechtlichen Ansprüche des Geschädigten. Hierbei kann das Gericht den Angeklagten zur Zahlung von Schadenersatz oder Schmerzensgeld verurteilen oder die Klage abweisen, falls die Ansprüche nicht den erforderlichen rechtlichen Anforderungen entsprechen.

Verhältnis von Adhäsionsverfahren und Nebenklage

Das Adhäsionsverfahren und die Nebenklage können parallel im Rahmen des Strafverfahrens stattfinden. Während jedoch die Nebenklage dazu dient, die Interessen des Geschädigten im Strafverfahren selbst zu vertreten, zielt das Adhäsionsverfahren darauf ab, zivilrechtliche Ansprüche im selben Verfahren wie die Strafsache geltend zu machen.

In der Praxis führt dies dazu, dass Nebenkläger auch ihre zivilrechtlichen Ansprüche im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens geltend machen können, um sowohl in Bezug auf das Strafmaß als auch auf etwaige Schadenersatz- oder Schmerzensgeldforderungen eine effektive Vertretung ihrer Interessen zu gewährleisten.

Opferhilfe und psychosoziale Unterstützung

Für Opfer von Straftaten ist die Nebenklage häufig nur ein Teil der Bewältigung der erlittenen Traumata. Zusätzlich zur rechtlichen Vertretung im Strafprozess besteht daher auch ein Bedarf an psychosozialer Unterstützung und Opferhilfe, um den Betroffenen die notwendige Hilfe und Betreuung zu bieten.

Opferhilfeorganisationen

In Deutschland gibt es zahlreiche Opferhilfeorganisationen, die sich um die Belange von Opfern von Straftaten kümmern. Dazu gehören beispielsweise der Weiße Ring, der Verein Zartbitter oder auch lokale Opferhilfeeinrichtungen in den einzelnen Bundesländern. Diese Organisationen bieten den Geschädigten Informationen, Hilfe in Notsituationen und auch psychologische Betreuung an.

Psychosoziale Prozessbegleitung

Mit dem Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren wurde im Jahr 2017 die psychosoziale Prozessbegleitung von Opfern schwerer Gewalt- und Sexualdelikte eingeführt. Diese Maßnahme ist in § 406g StPO geregelt und ermöglicht es Opfern, im Strafverfahren von einer geschulten Fachkraft begleitet zu werden, die sich um ihre psychosozialen Bedürfnisse kümmert und sie während des gesamten Verfahrens unterstützt.

Die psychosoziale Prozessbegleitung ist unabhängig von einer nebenklage oder einer anwaltlichen Vertretung und dient dazu, die Opfer während des gesamten Strafverfahrens zu begleiten, um ihre Belastung zu reduzieren und ihnen Sicherheit und Unterstützung zu bieten.

Zusammenarbeit von Nebenklageanwälten und Strafverteidigung

Im Strafrecht spielt die Zusammenarbeit zwischen den Strafverteidigern und den Anwälten der Nebenkläger eine wichtige Rolle. Da beide Seiten im Interesse ihrer Mandanten tätig sind, kann ein konstruktiver Dialog und eine sinnvolle Zusammenarbeit für die bestmögliche Vertretung aller Beteiligten sorgen.

Absprachen und Vereinbarungen

In vielen Fällen kann es im Interesse aller Prozessbeteiligten liegen, eine gütliche Einigung oder einen Vergleich anzustreben. Strafverteidiger und Nebenklageanwälte können hier gemeinsam an Lösungen arbeiten, welche die Interessen ihrer Mandanten bestmöglich berücksichtigen. Im Rahmen solcher Absprachen sind Regelungen bzgl. Schadenersatz, Schmerzensgeld oder Schuldanerkenntnisse denkbar.

Kooperation im Interesse der Wahrheitsfindung

Ein zentrales Ziel des Strafprozesses ist die Wahrheitsfindung. In diesem Sinne sollte auch die Zusammenarbeit zwischen Strafverteidigern und Nebenklageanwälten dazu beitragen, die Tatsachen im Prozess vollständig und klar aufzudecken. Dies kann eine vertrauensvolle und respektvolle Zusammenarbeit unterstützen und es ermöglichen, die Interessen aller Beteiligten konstruktiv zu berücksichtigen.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Nebenklage

Zum besseren Verständnis der rechtlichen Materie rund um die Nebenklage sollen im Folgenden einige aktuelle Gerichtsurteile vorgestellt werden, die verschiedene wichtige Aspekte der Nebenklage behandeln.

Fall 1: BGH, Beschluss vom 02. März 2016 – 1 StR 724/15

Der Bundesgerichtshof hat in diesem Fall entschieden, dass ein nebenklagebefugter Verletzter, der seine Verfahrensrechte im Strafverfahren vollumfänglich wahrgenommen hat, grundsätzlich keine erneute Akteneinsicht im Rahmen eines anschließenden Adhäsionsverfahrens beanspruchen kann.

Fall 2: OLG Hamm, Beschluss vom 16. November 2016 – 2 RVs 57/16

Das Oberlandesgericht Hamm hat in diesem Fall ausgeführt, dass ein Nebenkläger nach Rücknahme des ihm wirksam erteilten Akteneinsichtsrechts keinen erneuten Anspruch auf Akteneinsicht hat, es sei denn, es liegen neue Umstände vor, die eine erneute Akteneinsicht rechtfertigen.

Fall 3: BGH, Urteil vom 6. April 2017 – 3 StR 483/16

Der Bundesgerichtshof hat in diesem Urteil festgestellt, dass die Bezugnahme des Nebenklägers auf die bisherigen Verfahrensergebnisse grundsätzlich nicht dazu führt, dass das Gericht weitere Beweismittel unabhängig davon in Betracht ziehen muss, ob der Nebenkläger selbst entsprechende Anträge stellt.

Frequently Asked Questions (FAQ) zur Nebenklage

Kann ich als Opfer in jedem Strafverfahren Nebenkläger werden?

Nein, eine Nebenklage ist im deutschen Strafrecht nicht bei jeder Straftat möglich. Gemäß § 395 Abs. 1 StPO kommt eine Nebenklage grundsätzlich nur bei Verbrechen und bestimmten Vergehen in Betracht.

Muss ich einen Anwalt für die Nebenklage beauftragen?

Grundsätzlich besteht keine Pflicht, sich im Strafverfahren von einem Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Allerdings bietet die anwaltliche Vertretung erhebliche Vorteile, insbesondere im Hinblick auf die juristischen Feinheiten des Prozessrechts und die umfassende Wahrnehmung der Interessen des Nebenklägers.

Kann ich als Nebenkläger Schmerzensgeld und Schadenersatz geltend machen?

Ja, als Nebenkläger können Sie zivilrechtliche Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadenersatz im Rahmen des Strafverfahrens mittels Adhäsionsverfahren geltend machen. Hierbei empfiehlt es sich jedoch, einen erfahrenen Rechtsanwalt zu konsultieren, um die Ansprüche effektiv durchzusetzen.

Müssen Nebenkläger die Kosten für einen Rechtsanwalt selbst tragen?

Grundsätzlich trägt der Nebenkläger die Kosten für die anwaltliche Vertretung selbst. Allerdings kann in bestimmten Fällen das Gericht die Kosten einer notwendigen anwaltlichen Vertretung der Staatskasse auferlegen, oder die Kosten können als Schadensposten im Rahmen eines zivilrechtlichen Anspruchs gegen den Täter geltend gemacht werden.

Wie lange dauert ein Strafprozess als Nebenkläger?

Die Dauer eines Strafprozesses mit Nebenklage hängt von zahlreichen Faktoren ab, wie etwa der Schwere der Straftat, der Anzahl der beteiligten Zeugen und der Verfügbarkeit von Gerichtsterminen. In der Regel sollten Nebenkläger mehrere Monate bis zu einem Jahr für den gesamten Verfahrensverlauf einplanen.

Ein wichtiges Instrument: die Nebenklage

Die Nebenklage bietet Opfern bestimmter Straftaten weitreichende Möglichkeiten, ihre Interessen im Strafverfahren aktiv zu vertreten und ihre Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld durchzusetzen. Um diese Rechte effektiv auszuüben, ist es empfehlenswert, einen erfahrenen Rechtsanwalt zu konsultieren, der die juristischen Besonderheiten im Strafprozess kennt und die Interessen des Nebenklägers umfassend vertreten kann. Durch die Kenntnis der rechtlichen Grundlagen, aktueller Gerichtsurteile und der FAQs zum Thema Nebenklage sind Opfer bestens gerüstet, um ihre Rechte im Strafverfahren zu schützen und für Gerechtigkeit zu sorgen.

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