Der Prozessrecht kann für den Laien wie ein Labyrinth wirken. Einer der verwirrendsten Bereiche der rechtlichen Auseinandersetzung sind oft die verschiedenen Fristen, die den Parteien auferlegt werden, um bestimmte Handlungen und Zustellungen vorzunehmen. In diesem umfangreichen Blog-Beitrag werden wir uns einer besonderen Art von Frist widmen: der Notfrist.

Eine Notfrist ist eine gesetzlich festgesetzte Frist, deren Versäumung unmittelbare und erhebliche Rechtsfolgen nach sich zieht. Sie soll gewährleisten, dass die Parteien ihre Rechte im Verfahren angemessen wahrnehmen und die Justiz effizient arbeiten kann. Notfristen können somit einen wesentlichen Einfluss auf den Ausgang eines Rechtsstreits haben und es ist unerlässlich, sie einzuhalten.

Inhaltsverzeichnis

  1. Definition von Notfristen
  2. Arten von Notfristen
  3. Prozessrechtliche Notfristen
  4. Berechnung der Notfristen
  5. Rechtsfolgen bei Versäumnis einer Notfrist
  6. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
  7. Aktuelle Gerichtsurteile zu Notfristen
  8. Häufig gestellte Fragen (FAQs) zu Notfristen
  9. Notfrist einhalten und Auswirkungen umgehen

Definition von Notfristen

Unter Notfristen versteht man im deutschen Recht bestimmte gesetzliche Fristen, deren Nichteinhaltung unmittelbar zur Verwirkung eines Rechts führt. Im Gegensatz zu anderen Fristen setzen Notfristen eine besondere Dringlichkeit und Bedeutung für den Rechtsstreit voraus. Dies bedeutet, dass das Versäumen einer Notfrist normalerweise nicht durch eine Fristverlängerung oder eine andere Maßnahme im Nachhinein korrigierbar ist.

Arten von Notfristen

Prozessrechtliche Notfristen

Prozessrechtliche Notfristen betreffen allgemein die Handlungen der Parteien in einem Gerichtsverfahren und sind im Gesetz festgelegt. Beispiele für solche Fristen sind:

Notfristen für Klageerhebung

Darüber hinaus können auch bestimmte Fristen für die Erhebung einer Klage als Notfristen gelten. Dabei kann es sich um materiell-rechtliche Notfristen handeln, die die Geltendmachung von Ansprüchen im Laufe der Zeit und im Interesse der Rechtssicherheit begrenzen. Hierzu zählen etwa:

  • die Frist zur Klage auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall (§ 195 BGB – Bürgerliches Gesetzbuch),
  • die Frist zur Geltendmachung von Kaufpreisminderung und Rücktritt vom Vertrag nach einem Mangel an der Kaufsache (§ 438 BGB),
  • die frist zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen bei Werkverträgen (§ 634a BGB).

Absolut oder nicht-absolut?

Innerhalb der Notfristen unterscheidet man zwischen absoluten und nicht-absoluten Notfristen. Eine absolute Notfrist entzieht dem Gericht jegliche Möglichkeit der Verlängerung oder Erstreckung, während eine nicht-absoluten Notfrist unter bestimmten Umständen verlängert oder erstreckt werden kann.

Beispiel für eine absolute Notfrist ist die Frist zur Berufung gegen ein Urteil gemäß § 517 ZPO; eine solche Frist lässt sich in keinem Fall verlängern oder erweitern.

Die Möglichkeit zur Verlängerung einer nicht-absoluten Notfrist ist durch das Gericht nur in engen Grenzen und unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Ein Beispiel für eine nicht-absoluten Notfrist ist die Frist zur Zustellung einer Klage gemäß § 270 ZPO, die um bis zu zwei Wochen verlängert werden kann.

Berechnung der Notfristen

Die Berechnung der Notfristen erfolgt immer nach den Bestimmungen des § 188 ff. BGB. Dabei gilt grundsätzlich:

  • Wenn das Gesetz eine Frist in „Tagen“ angibt, dann zählen nur die Werktage und kein Feiertag oder ein Sonnabend.
  • Die Frist beginnt mit ihrem Entstehen nach Mitternacht des Ausgangstages und endet mit Ablauf des maßgeblichen Fristtages.
  • Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
  • Der gleiche Grundsatz gilt, wenn der Ablauf der Frist auf den Tag fällt, an dem eine Partei, ihr gesetzlicher Vertreter oder ihr Prozessbevollmächtigter verhindert ist, den geschäftlichen Schriftverkehr zu besorgen (z.B. aufgrund einer Geschäftsschließung).

Rechtsfolgen bei Versäumnis einer Notfrist

Wird eine Notfrist versäumt, hat das erhebliche rechtliche Konsequenzen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den Rechtsfolgen, die sich für die Parteien aus der Versäumung ergeben, und den Rechtsfolgen, die sich für das Gericht ergeben:

  • Für die Partei bedeutet das Versäumen einer Notfrist in der Regel den Verlust von Rechtspositionen und Ansprüchen oder der Begründung formellen Rechts.
  • Für das Gericht bedeutet das Versäumen einer Notfrist, dass es die betreffende Klage oder das Rechtsmittel als unzulässig abweisen bzw. verwerfen oder bestimmte Rechte und Ansprüche nicht mehr in die Entscheidung einbeziehen muss.

Ein Beispiel für die Rechtsfolgen der Versäumung einer Notfrist: in einem Berufungsverfahren versäumt die Partei die Frist zur Einlegung ihrer Berufungsbegründung. Das Gericht wird die Berufung als unzulässig verwerfen.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Um den Konsequenzen einer verpassten Notfrist entgegenzuwirken, besteht unter besonderen Voraussetzungen die Möglichkeit, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO bzw. § 85 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) zu beantragen. Allerdings kommt eine solche Wiedereinsetzung nur dann in Betracht, wenn die Fristversäumnis auf Umständen beruht, die der Partei oder ihrem Bevollmächtigten nicht oder nicht rechtzeitig bekannt waren und die trotz größtmöglicher Sorgfalt nicht hätten verhindert werden können.

Aktuelle Gerichtsurteile zu Notfristen

In der jüngeren Vergangenheit gab es einige interessante Entscheidungen deutscher Gerichte, die das Thema der Notfristen betreffen:

Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. Juni 2020 – V ZR 162/19: In diesem Urteil hat der BGH klargestellt, dass das Gericht bei einer Überschreitung einer absoluten Notfrist keine Möglichkeit zur Fristverlängerung oder zur Entgegennahme von verspäteten Rechtsmitteln hat. Das Gericht muss in diesem Fall die Klage oder das Rechtsmittel als unzulässig verwerfen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 3. Dezember 2019 – 9 AZR 45/19: Das BAG entschied, dass in Fällen von Ungewissheit über die Art der von den Parteien gewählten Notfristverlängerung im Zweifel von einer solchen Verlängerung auszugehen ist, um Nachteile für die betroffenen Parteien zu vermeiden.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 20. Februar 2017 – 5 Sa 944/16: Das LAG Düsseldorf hat in dieser Entscheidung betont, dass die versehentliche Überschreitung einer Notfrist allein kein ausreichender Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist. Vielmehr muss ein „zur Sorgfalt verpflichteter“ Prozessbeteiligter aufgrund von unvorhergesehenen Umständen an der Fristwahrung verhindert gewesen sein.

Häufig gestellte Fragen (FAQs) zu Notfristen

Was ist eine Notfrist?

Bei einer Notfrist handelt es sich um eine gesetzlich festgelegte Frist, deren Versäumung erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Im Unterschied zu anderen Fristarten sind Notfristen oft unverlängerbar und ihre Einhaltung ist von entscheidender Bedeutung für den Fortgang und Ausgang eines Rechtsstreits.

Wie erkenne ich, ob es sich bei einer Frist um eine Notfrist handelt?

Notfristen finden sich in den verschiedenen Gesetzbüchern und Prozessordnungen und sind oft mit besonderen Rechtsfolgen bei Versäumnis verbunden. Ein sorgfältiges Studium der entsprechenden Vorschriften sowie fachkundige Beratung durch einen Rechtsanwalt sind unerlässlich, um das Vorliegen einer Notfrist zu erkennen und entsprechend zu handeln.

Was passiert, wenn ich eine Notfrist versäume?

Das Versäumen einer Notfrist kann zu erheblichen rechtlichen Nachteilen führen, wie dem Verlust von Ansprüchen, Rechten oder der Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen. In manchen Fällen kann das Gericht auch den Anspruch einer Partei zurückweisen oder verwerfen, wenn eine Notfrist nicht eingehalten wurde.

Wann kann ich eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen?

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist eine Ausnahmeregelung, die unter bestimmten Umständen in Frage kommt, wenn eine Partei aufgrund von unvorhersehbaren und unverschuldeten Umständen eine Notfrist versäumt hat. Hierzu ist jedoch ein besonderes Verfahren zu durchlaufen, und die notwendigen Voraussetzungen sind eng gefasst.

Was kann ich tun, um das fristgemäße Handeln in einem Gerichtsverfahren sicherzustellen?

Um Notfristen und andere Fristen im Rahmen eines Rechtsstreits einzuhalten, empfiehlt es sich, auf die fachkundige Beratung und Unterstützung eines erfahrenen Rechtsanwalts oder Prozessbevollmächtigten zu setzen. Darüber hinaus ist die eigene sorgfältige Planung und Organisation der eigenen Prozessführung unerlässlich, um keine Fristen zu versäumen und das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.

Notfrist einhalten und Auswirkungen umgehen

Notfristen sind ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Prozessrechts und haben erhebliche Auswirkungen auf den Verlauf und das Ergebnis von Rechtsstreitigkeiten. Sie gewährleisten die Effizienz und rechtzeitige Durchführung gerichtlicher Verfahren und erlauben es den Parteien, ihre Rechte und Forderungen wirksam geltend zu machen.

Die Beachtung von Notfristen, insbesondere in Kombination mit der Beratung und Unterstützung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt, trägt dazu bei, dass Parteien ihre Interessen vor Gericht bestmöglich vertreten und ihre Ansprüche durchsetzen können. Um Nachteile zu vermeiden, ist es unabdingbar, Notfristen zu erkennen, ihre Einhaltung sicherzustellen und bei Bedarf die Möglichkeiten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu nutzen.

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