Pflichtteilanspruch – Was er bedeutet und wie er Ihnen helfen kann. Als kompetenter und erfahrener Rechtsanwalt im Bereich Erbrecht wissen wir, dass das Thema Pflichtteilanspruch sowohl für Erblasser als auch für deren Erben von großer Bedeutung ist. Der Pflichtteilanspruch ist ein zentraler Aspekt des Erbrechts, der sicherstellt, dass nahe Angehörige des Erblassers, insbesondere Kinder und Ehegatten, trotz testamentarischer Verfügung nicht leer ausgehen.

In diesem umfangreichen Blog-Beitrag wollen wir Ihnen alle relevanten Informationen zum Pflichtteilanspruch bieten, seine Funktionsweise erklären und aufzeigen, wann und wie dieser geltend gemacht werden kann. Dieses Wissen hilft Ihnen dabei, Ihre Rechte und Pflichten, aber auch Ihre Möglichkeiten innerhalb des Erbrechts besser zu verstehen und für Ihre Interessen zu nutzen.

Inhaltsverzeichnis:

  • Was ist der Pflichtteilanspruch?
  • Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil?
  • Wie wird der Pflichtteil berechnet?
  • Die Geltendmachung des Pflichtteils
  • Wann verjährt der Pflichtteilanspruch?
  • Die Entziehung des Pflichtteils
  • Die Pflichtteilsergänzung
  • FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Pflichtteilanspruch

Was ist der Pflichtteilanspruch?

Der Pflichtteilanspruch ist ein gesetzliches Erbrecht, das gewissen Personen zusteht, wenn sie durch ein Testament oder einen Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen wurden. Dieses Recht besteht unabhängig vom Willen des Erblassers. Der Pflichtteil gewährt dem Berechtigten lediglich einen Geldanspruch, und somit keinen Anspruch auf bestimmte Vermögenswerte aus dem Nachlass. Der Pflichtteil ist im deutschen Erbrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 2303-2338 geregelt und dient dem Schutz der Familienmitglieder, insbesondere Kindern und Ehegatten, vor dem gänzlichen Enterben.

Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil?

Nicht jeder Erbe hat Anspruch auf den Pflichtteil. In erster Linie haben Abkömmlinge des Erblassers wie Kinder und Enkelkinder einen Pflichtteilanspruch. Stirbt ein Kind des Erblassers vor diesem, so treten dessen Kinder (also die Enkel des Erblassers) dessen Pflichtteilsrechte an. Rein rechtlich gesehen, können sogar Urenkel und weitere Abkömmlinge des Erblassers pflichtteilsberechtigt sein, sofern sie in gerader Linie abstammen.

Auch der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner hat einen Pflichtteilanspruch. Die Höhe des Pflichtteils richtet sich bei Ehepartnern unter anderem nach dem ehelichen Güterstand. Beachten Sie, dass geschiedene Ehepartner keinen Pflichtteilsanspruch mehr haben.

Eltern des Erblassers sind nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn keine Abkömmlinge des Erblassers vorhanden sind und der Erblasser auch keinen Ehegatten hatte.

Wie wird der Pflichtteil berechnet?

Die Höhe des Pflichtteils bemisst sich grundsätzlich an der gesetzlichen Erbquote des Berechtigten. Um den Pflichtteil zu berechnen, muss zuerst der Wert des gesamten Nachlasses ermittelt werden. Davon ist der Pflichtteil auf Basis der gesetzlichen Erbquote abzuleiten.

Die gesetzliche Erbquote hängt von den persönlichen Verhältnissen des Erblassers ab. Einige Beispiele:

  • Ist der Erblasser verheiratet und hat ein Kind, erben Ehegatte und Kind jeweils zu 1/2;
  • Ist der Erblasser verheiratet und hat zwei Kinder, erben Ehegatte zu 1/3 und jedes Kind zu 1/3;
  • Hat der Erblasser ein Kind und keinen Ehegatten, erbt das Kind zu 1/1.

Der Pflichtteil beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote. Das bedeutet, dass beispielsweise ein Kind, das nach der gesetzlichen Erbquote eigentlich zur Hälfte erben würde, einen Pflichtteilanspruch in Höhe von einem Viertel des Nachlasswertes hat.

Die Geltendmachung des Pflichtteils

Der Pflichtteilanspruch entsteht automatisch mit dem Tod des Erblassers, muss jedoch ausdrücklich vom Berechtigten geltend gemacht werden. Empfehlenswert ist es, den Pflichtteil schriftlich gegenüber den Erben geltend zu machen und dabei eine angemessene Frist zur Zahlung zu setzen.

Im Zuge der Geltendmachung des Pflichtteils haben Pflichtteilsberechtigte auch einen Auskunftsanspruch gegenüber den Erben. Dieser dient dazu, sich einen umfassenden Überblick über den Nachlass und dessen Wert zu verschaffen, um somit den eigenen Pflichtteil berechnen zu können.

Wann verjährt der Pflichtteilanspruch?

Die Verjährung ist ein bedeutender Aspekt des Pflichtteilanspruchs und sollte von Pflichtteilsberechtigten genau beachtet werden, um den Anspruch nicht zu verlieren. Die Verjährung hat zum Ziel, Rechtssicherheit zu gewährleisten und den Rechtsfrieden zu sichern. Deshalb wird nach Ablauf der Verjährungsfrist ein möglicherweise bestehender Anspruch nicht mehr durchgesetzt.

Die Verjährung des Pflichtteilanspruchs ist in § 2332 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) geregelt:

§ 2332 BGB: (1) Der Pflichtteilsanspruch verjährt in drei Jahren. (2) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Pflichtteilsberechtigte von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. (3) Der Anspruch ist jedoch ohne Rücksicht auf Kenntnisse oder fahrlässige Unkenntnisse 30 Jahre nach dem Zeitpunkt, in dem er fällig geworden ist, verjährt.

Die Verjährungsfrist für den Pflichtteilanspruch beträgt grundsätzlich drei Jahre. Diese Frist ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Die Verjährungsfrist beginnt erst mit dem Ende des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte sowohl Kenntnis über den Tod des Erblassers und seine eigene Pflichtteilsberechtigung erlangt hat, als auch von den Umständen, die den Anspruch begründen und der Identität der Erben informiert ist oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte informiert sein müssen.

Ein Beispiel: Der Erblasser verstirbt im Juni 2022, und der Pflichtteilsberechtigte erfährt davon sowie von seinem Pflichtteilsanspruch im August 2022. Die Verjährung beginnt erst am 31. Dezember 2022 und endet am 31. Dezember 2025.

Unabhängig von der obigen Frist beträgt die absolute Höchstfrist für die Verjährung 30 Jahre nach dem Erbfall. Diese lange Frist greift beispielsweise dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte erst sehr spät von dem Erbfall und seinem Pflichtteilanspruch erfährt. Die absolute Verjährung tritt hierbei unabhängig von Kenntnissen oder grober Fahrlässigkeit ein.

Um die Verjährung des Pflichtteilanspruchs zu unterbrechen oder zu hemmen, kann der Pflichtteilsberechtigte verschiedene Maßnahmen ergreifen, wie zum Beispiel die schriftliche Anerkennung des Anspruchs durch die Erben oder die Erhebung einer Klage auf Zahlung des Pflichtteils. Im Einzelfall ist es ratsam, sich rechtzeitig anwaltlichen Rat einzuholen, um die eigenen Interessen bestmöglich zu wahren und die Verjährung zu verhindern.

Die Entziehung des Pflichtteils

Trotz des Schutzzwecks des Pflichtteils ist unter bestimmten Umständen auch eine Entziehung des Pflichtteils möglich. Voraussetzung für eine Entziehung des Pflichtteils ist ein schweres Fehlverhalten des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erblasser, das in § 2333 BGB genauer definiert ist. Beispiele für solche Fehlverhalten sind:

  • Tötungsversuch gegen den Erblasser;
  • schwerste Körperverletzung;
  • Beraubung der persönlichen Freiheit des Erblassers.

Die Entziehung des Pflichtteils muss ausdrücklich von dem Erblasser per Testament oder Erbvertrag verfügt und begründet werden. Die Entziehungsmöglichkeit unterliegt jedoch engen Grenzen und wird von Gerichten restriktiv ausgelegt.

Die Pflichtteilsergänzung

Um den Pflichtteilanspruch der Berechtigten während seines Lebens nicht durch Schenkungen zu umgehen, sieht das deutsche Erbrecht die sogenannte Pflichtteilsergänzung vor (§§ 2325-2330 BGB). Schenkt der Erblasser also kurz vor seinem Tod einen hohen Geldbetrag oder wertvolles Vermögen und mindert so den Nachlass, kann der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung haben.

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist jedoch abhängig von der Zeitspanne zwischen Schenkung und Tod des Erblassers. Schenkungen, die länger als zehn Jahre zurückliegen, sind auf diese Weise nicht mehr anzurechnen. Die Anrechnung der Schenkungen zur Pflichtteilsergänzung vermindert sich daher prozentual jedes Jahr um 10 %, bis – nach zehn Jahren – keine Anrechnung mehr erfolgt.

FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Pflichtteilanspruch

Um Ihnen ein besseres Verständnis zum Thema Pflichtteilanspruch zu vermitteln und Ihnen praktische Einblicke zu geben, haben wir eine Auswahl häufig gestellter Fragen zusammengestellt und beantworten diese.

Kann ich als Pflichtteilsberechtigter auf meinen Pflichtteil verzichten?

Ja, ein Verzicht auf den Pflichtteil ist möglich und kann sowohl zu Lebzeiten des Erblassers als auch nach dem Erbfall erfolgen. Zu Lebzeiten des Erblassers muss der Verzicht jedoch notariell beurkundet werden und bedarf der Zustimmung des Erblassers. Nach dem Erbfall kann der Verzicht durch eine einfache, schriftliche Erklärung gegenüber den Erben erfolgen.

Wie lange dauert es in der Regel, bis der Pflichtteil ausgezahlt wird?

Die Dauer bis zur Auszahlung des Pflichtteils hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie etwa der Bereitschaft der Erben, die erforderlichen Informationen für die Berechnung zur Verfügung zu stellen, und der Verfügbarkeit von Liquidität im Nachlass. In der Praxis dauert die Auszahlung des Pflichtteils jedoch oft mehrere Monate und in manchen Fällen sogar Jahre.

Was passiert, wenn die Erben den Pflichtteil nicht zahlen können oder wollen?

Können oder wollen die Erben den Pflichtteil nicht zahlen, bleibt dem Pflichtteilsberechtigten als letztes Mittel die Möglichkeit, gerichtliche Schritte einzuleiten. Dabei kann der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch auf den Pflichtteil gegen die Erben gerichtlich durchsetzen und – wenn nötig – Vollstreckungsmaßnahmen einleiten.

Gibt es Möglichkeiten, den Pflichtteil zu reduzieren?

Ein genereller Spielraum, um den Pflichtteil nach eigenem Ermessen zu reduzieren, besteht für den Erblasser in der Regel nicht. Allerdings kann der Erblasser durch geschickte Testamentsgestaltung und frühzeitige Vermögensübertragungen versuchen, nachlassreduzierende Maßnahmen zu ergreifen, um den Pflichtteil indirekt zu vermindern. Dies sollte jedoch immer im Rahmen der gesetzlichen und steuerlichen Regelungen erfolgen und im Zweifel unter fachkundiger Beratung angestrebt werden.

Abschließende Gedanken zum Pflichtteilanspruch

Der Pflichtteilanspruch ist ein grundlegendes Instrument im deutschen Erbrecht, um Angehörigen und nahen Verwandten des Erblassers trotz testamentarischer Verfügung eine gewisse finanzielle Absicherung zu gewährleisten. Die Kenntnis der eigenen Rechte und Pflichten ist dabei für Betroffene von großer Bedeutung, um ihre Interessen bestmöglich zu sichern und im Erbfall sachgerecht zu handeln.

Es ist wichtig, sich über die Voraussetzungen, Berechnung und Geltendmachung des Pflichtteils sowie über mögliche Gestaltungsspielräume im Zusammenhang mit Schenkungen und Testamenten im Klaren zu sein. Da das Erbrecht und insbesondere der Pflichtteilanspruch jedoch komplexe Materien sind, ist es in vielen Fällen ratsam, sich durch einen spezialisierten Rechtsanwalt beraten oder vertreten zu lassen. Dies kann dabei helfen, mögliche Stolpersteine und Konflikte frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden sowie eine angemessene Umsetzung der rechtlichen Interessen sicherzustellen.

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