Die Prozessführungsbefugnis ist ein grundlegendes Prinzip des deutschen Zivilprozesses, das sich auf die Zulässigkeit eines Rechtsstreits bezieht. In diesem Artikel gehen wir auf die gesetzlichen Grundlagen der Prozessführungsbefugnis ein, erläutern ihre Bedeutung für das Zivilverfahren und beleuchten aktuelle Gerichtsurteile, die das Thema betreffen.

Des Weiteren geben wir Ihnen Antworten auf häufig gestellte Fragen, die Ihnen dabei helfen sollen, die Relevanz der Prozessführungsbefugnis für Ihre Anliegen besser einschätzen zu können. Als erfahrene Rechtsanwälte im Zivilrecht wollen wir Ihnen hiermit einen umfassenden Überblick über das komplexe Thema Prozessführungsbefugnis vermitteln.

Gesetzliche Grundlagen der Prozessführungsbefugnis

Die Prozessführungsbefugnis ist in der Zivilprozessordnung (ZPO) verankert und betrifft die Frage, ob eine Partei einen Rechtsstreit führen kann oder darf. Gemäß § 50 ZPO ist klargestellt: „Eine Partei führt einen Rechtsstreit durch ihren gesetzlichen Vertreter, ihren Prozessbevollmächtigten oder kraft ihrer Vollmacht durch einen Beistand.“

Die Prozessführungsbefugnis stellt damit eine Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage dar und stellt sicher, dass sich im Prozess nur diejenigen Personen beteiligen, die ein berechtigtes Interesse am Rechtsstreit haben und das Prozessrecht einhalten können.

Im Folgenden gehen wir auf die verschiedenen Aspekte der Prozessführungsbefugnis ein, etwa hinsichtlich gesetzlicher Vertretung, Vollmacht und Prozessbevollmächtigten.

Gesetzliche Vertretung innerhalb der Prozessführungsbefugnis

Die gesetzliche Vertretung bezieht sich auf Personen, die ohne eine gesonderte Bevollmächtigung berechtigt sind, einen Rechtsstreit im Namen und auf Kosten einer anderen Person zu führen, so zum Beispiel Eltern für ihre minderjährigen Kinder oder Geschäftsführer einer Gesellschaft. Gesetzliche Vertreter haben grundsätzlich die Befugnis, im Namen der von ihnen vertretenen Person rechtsgeschäftliche und prozessuale Handlungen vorzunehmen.

Beispiele für gesetzliche Vertretung

  • Sorgeberechtigte Eltern für ihre minderjährigen Kinder gemäß §§ 1629, 1684 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Ehegatten nach §§ 1357, 164 BGB in Angelegenheiten des täglichen Lebens
  • Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder für eine juristische Person nach §§ 35 (GmbHG), 78 (AktG)
  • Betreuer für einen Betreuten nach § 1902 BGB

Rechtsanwaltliche Vertretung: Der Prozessbevollmächtigte

Die meisten Rechtsstreitigkeiten werden durch Prozessbevollmächtigte geführt, die im Regelfall Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind. Ein Prozessbevollmächtigter vertritt die Partei im Rechtsstreit auf Grundlage einer anwaltlichen Vollmacht (sog. Prozessvollmacht), die von der vertretenen Partei erteilt wird. Laut § 80 ZPO ist bei einem Anwaltsprozess, bei dem die Partei zwingend anwaltlich vertreten sein muss, eine schriftliche Prozessvollmacht erforderlich. Wird ein Prozessbevollmächtigter vor dem Arbeitsgericht tätig, beschränkt sich das Formerfordernis auf eine einfache Vollmacht ohne Schriftformerfordernis gemäß § 11 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG).

Beispiele für erlaubte Prozessbevollmächtigte

  • Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
  • Angestellte eines rechtsanwaltsfähigen Berufsträger nach §§ 59a ff. Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO)
  • Andere Personen, z. B. Familienangehörige, gemäß §§ 79 Abs. 2 ZPO, 11 ArbGG

Beistand innerhalb der Prozessführungsbefugnis

Ein Beistand ist eine Person, die im Rechtsstreit gemäß einer Vollmacht einer Partei zur Seite steht und sie im Prozess unterstützt. Die Vollmacht kann formlos erteilt werden und muss nicht notwendig schriftlich vorliegen. Ein Beistand kann eine natürliche Person sein oder auch eine juristische Person sein, wie etwa ein Verein. Während ein Beistand bei Gericht zwar u.a. Ausführungen zum Sachverhalt vortragen kann, ist ihm die Erhebung von Klagen oder Einlegung von Rechtsmitteln regelmäßig nicht gestattet, es sei denn, es handelt sich bei ihm auch um einen Rechtsanwalt.

Beispiele bei denen ein Beistand zulässig ist

Bedeutung und Relevanz der Prozessführungsbefugnis

Die Prozessführungsbefugnis ist für die Zulässigkeit eines Rechtsstreits von entscheidender Bedeutung. Die Erfüllung der Voraussetzungen der Prozessführungsbefugnis gewährleistet, dass sich die im Prozess beteiligten Parteien auf eine sachliche Auseinandersetzung konzentrieren können und nicht durch unrechtmäßige oder unzulässige Handlungen und Anträge aufgehalten werden. Dies dient sowohl dem Schutz der beteiligten Parteien als auch der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Prozessführungsbefugnis

Im Folgenden stellen wir Ihnen einige aktuelle Gerichtsurteile vor, die das Thema Prozessführungsbefugnis betreffen und dessen Bedeutung verdeutlichen:

Bundesgerichtshof, Urteil vom 31.03.2021 – XII ZR 16/20

Im vorliegenden Fall stritten die geschiedenen Eltern eines gemeinsamen Kindes um Zahlung von Kindesunterhalt. Die Mutter des Kindes vertrat das Kind beim Rechtsstreit durch ihre Mutter (Kindesgroßmutter), weil die Eltern eine entsprechende „familieninterne“ Vereinbarung getroffen hatten. Der Bundesgerichtshof entschied, dass das Kind nicht durch die Großmutter vertreten werden durfte, weil diese nicht zu den gesetzlich vorgesehenen Vertretern gehört.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.10.2020 – 8 AZR 705/19

In diesem Fall ging es um die Frage, ob ein Arbeitnehmer, der sich in seinem Kündigungsschutzprozess durch einen Rechtsanwalt vertreten ließ, geltend machen durfte, dass ihm während seiner befristeten Arbeitsunfähigkeit ein Arbeitslosengeldanspruch zusteht.

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass der Rechtsanwalt des Arbeitnehmers keine Prozessführungsbefugnis hatte, da er die Arbeitslosengeldforderung nicht zu dem von ihm geführten Kündigungsschutzprozess geltend gemacht hatte. Das Arbeitsgericht war für diese gesonderte Streitfrage nicht zuständig, und es hätte ein Sozialgericht angerufen werden müssen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.10.2019 – VIII ZR 23/19

Hier stritt ein Wohnungseigentümer mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer um die Zahlung eines Baukostenzuschusses. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wurde im Prozess von ihrem Verwalter vertreten. Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Verwalter über keine Prozessführungsbefugnis verfügte, da er lediglich die Verwaltung der Gemeinschaft ausübte und nicht die Rechtsverfolgung und -verteidigung der Gemeinschaft gehörte.

Diese Urteile verdeutlichen die Bedeutung der Prozessführungsbefugnis für die Zulässigkeit eines Rechtsstreits und zeigen, dass ein fehlendes Vorliegen dieser Voraussetzung zur Unzulässigkeit der Klage oder zur Zurückweisung der Klage führen kann.

FAQ – Häufig gestellte Fragen zur Prozessführungsbefugnis

In diesem Abschnitt beantworten wir einige häufig gestellte Fragen zum Thema Prozessführungsbefugnis:

Wann ist eine Partei zur Prozessführung befugt?

Eine Partei ist zur Prozessführung befugt, wenn sie entweder selbst prozessfähig ist oder durch einen gesetzlichen Vertreter, Prozessbevollmächtigten oder kraft ihrer Vollmacht durch einen Beistand vertreten wird. Die Prozessführungsbefugnis stellt sicher, dass die beteiligten Parteien ein berechtigtes Interesse am Rechtsstreit haben und das Prozessrecht einhalten können.

Wann liegt eine unzulässige Prozessstandschaft vor?

Eine unzulässige Prozessstandschaft liegt vor, wenn jemand im eigenen Namen die Rechte einer dritten Person geltend macht, ohne das hierfür eine rechtliche Grundlage besteht. Die Prozessführungsbefugnis ist hierbei nicht gegeben, was zur Unzulässigkeit der Klage führen kann. Beispiel: Ein Verbraucherschutzverband führt einen Prozess im Namen eines Verbrauchers, ohne hierfür eine Prozessvollmacht oder eine Ermächtigung durch ein Gesetz zu besitzen.

Wann muss ein Rechtsstreit durch einen Rechtsanwalt geführt werden?

Ein Rechtsstreit muss durch einen Rechtsanwalt geführt werden, wenn ein Anwaltszwang besteht. Ein Anwaltszwang besteht insbesondere in Zivilprozessen vor den Landgerichten und den Oberlandesgerichten (§ 78 ZPO) sowie in allen Verfahren vor den Arbeitsgerichten, soweit es nicht um eine geringfügige Streitwertforderung (bis 600 Euro) geht (§ 11 ArbGG).

Kann ein Rechtsanwalt auch gesetzlicher Vertreter sein?

Ein Rechtsanwalt kann im Einzelfall auch als gesetzlicher Vertreter auftreten, beispielsweise wenn er als Insolvenzverwalter oder Testamentsvollstrecker tätig ist. Ansonsten ist der Rechtsanwalt aufgrund einer ihm erteilten Prozessvollmacht tätig und nimmt in dieser Funktion die Interessen seiner Mandantschaft wahr.

Fazit

Die Prozessführungsbefugnis ist ein grundlegendes Prinzip des deutschen Zivilprozesses und entscheidend für die Zulässigkeit eines Rechtsstreits. Die gesetzlichen Vorgaben und die Rechtsprechung hierzu sind komplex und vielschichtig. Bei Fragen zur Prozessführungsbefugnis sollte immer anwaltlicher Rat in Anspruch genommen werden, um die bestmögliche Vertretung im Rechtsstreit zu gewährleisten und die Zulässigkeit der erhobenen Klage oder eingelegten Rechtsmittel nicht zu gefährden. Unsere Anwaltskanzlei steht Ihnen hierbei gerne zur Seite.

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Rechtsanwalt Arthur Wilms - Kanzlei Herfurtner

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