Als Rechtsanwälte mit langjähriger Erfahrung im Arbeitsrecht stehen wir häufig vor einer Vielzahl von Fragen und Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Rufbereitschaft. In diesem Beitrag bieten wir einen detaillierten Überblick über alles, was Sie über die Rufbereitschaft im Arbeitsrecht wissen müssen, einschließlich der gesetzlichen Regelungen, Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sowie typischen Fragestellungen aus der Praxis.

Inhaltsverzeichnis

Rufbereitschaft: Definition und Abgrenzung

Bevor wir uns den rechtlichen Aspekten rund um die Rufbereitschaft widmen, ist es wichtig, eine klare Definition und Abgrenzung zu dieser Arbeitsform zu schaffen. Die Rufbereitschaft ist eine besondere Form der Arbeit, bei der sich der Arbeitnehmer, außerhalb seiner regulären Arbeitszeit, bereit erklärt, bei Bedarf die Arbeit aufzunehmen.

Im Gegensatz zur Bereitschaftsdienst, bei dem sich der Arbeitnehmer innerhalb einer festgelegten Zeitspanne am Arbeitsplatz oder in dessen unmittelbarer Nähe aufhalten muss, hat der Arbeitnehmer während der Rufbereitschaft mehr Freiheiten und kann sich grundsätzlich frei bewegen. Allerdings ist er verpflichtet, innerhalb eines vereinbarten Zeitraums auf Abruf einsatzbereit zu sein und die Arbeit aufzunehmen, sobald dieser Abruf erfolgt.

Vergütung und Arbeitszeit bei Rufbereitschaft

Ein entscheidender Aspekt der Rufbereitschaft ist die Frage der Vergütung und der Anrechnung von Arbeitszeit. Die Vergütung der Rufbereitschaft und die Anrechnung der geleisteten Arbeit während dieser Zeit ist gesetzlich nicht klar geregelt und unterliegt in der Praxis häufig tarifvertraglichen oder einzelvertraglichen Regelungen.

  • Grundsatz: Für die reine Rufbereitschaft, d.h. die Zeit, in der der Arbeitnehmer darauf wartet, ggf. zur Arbeit gerufen zu werden, ist grundsätzlich keine Vergütung geschuldet. Allerdings kann eine entsprechende Vergütungsvereinbarung getroffen werden, sei es durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag.
  • Vergütung der geleisteten Arbeit: Wird der Arbeitnehmer während der Rufbereitschaft zur Arbeit gerufen, so ist die tatsächliche Arbeitszeit, die der Arbeitnehmer aufgrund des Abrufs leistet, grundsätzlich als Arbeitszeit zu vergüten. Dies umfasst auch die Wegezeiten von und zur Arbeitsstelle.
  • Zuschläge: Für Arbeit, die während der Rufbereitschaft geleistet wird, können Zuschläge für Überstunden, Nachtarbeit oder Arbeit an Feiertagen und Wochenenden anfallen. Ob und in welcher Höhe solche Zuschläge zu zahlen sind, richtet sich nach den geltenden tarifvertraglichen oder einzelvertraglichen Regelungen.

Vereinbarungen zur Rufbereitschaft

Die Einführung und Ausgestaltung von Rufbereitschaft unterliegt oftmals tarifvertraglichen oder betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen. In Unternehmen ohne solche Regelungen ist die Vereinbarung von Rufbereitschaft im Arbeitsvertrag oder in einer gesonderten Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer möglich.

Folgende Punkte sollten bei der Ausgestaltung von Rufbereitschaft berücksichtigt werden:

  • Umfang der Rufbereitschaft: Die Vereinbarung sollte klarstellen, in welchem Umfang der Arbeitnehmer zur Rufbereitschaft verpflichtet ist, z.B. welche Zeiten und Wochentage betroffen sind und wie häufig die Rufbereitschaft erfolgt.
  • Reaktionszeit: Die Vereinbarung sollte eine Reaktionszeit festlegen, innerhalb derer der Arbeitnehmer nach einem Abruf an seinem Arbeitsplatz oder am Einsatzort erscheinen muss. Diese Zeit sollte angemessen sein und dem Arbeitnehmer genügend Zeit lassen, um sich auf die Arbeit vorzubereiten.
  • Vergütungsregelung: Wie bereits erwähnt, sollte die Vereinbarung Regelungen zur Vergütung der Rufbereitschaft und der während dieser Zeit geleisteten Arbeit enthalten, einschließlich etwaiger Zuschläge.
  • Erreichbarkeit: Die Vereinbarung sollte klarstellen, welche Maßnahmen der Arbeitnehmer ergreifen muss, um während der Rufbereitschaft erreichbar zu sein, z.B. ob er ein Mobiltelefon zur Verfügung gestellt bekommt oder einen bestimmten Anrufdienst nutzen muss.
  • Ablösung und Vertretung: Die Vereinbarung sollte Regelungen enthalten, die es dem Arbeitnehmer ermöglichen, sich im Falle einer Verhinderung von der Rufbereitschaft abzulösen oder einen Vertreter zu benennen.

Arbeitsrechtliche Regelungen und Vorschriften

Die Rufbereitschaft unterliegt verschiedenen arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften und Regelungen. Dazu gehören insbesondere:

  • Arbeitszeitgesetz (ArbZG): Da die tatsächliche Arbeit während der Rufbereitschaft als Arbeitszeit gilt, sind die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zu beachten. Dazu gehören die Einhaltung der Höchstarbeitszeiten, Ruhezeiten und Pausenregelungen.
  • Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG): Die Einführung und Ausgestaltung der Rufbereitschaft kann mitbestimmungspflichtig sein und unterliegt damit der Mitbestimmung des Betriebsrats, sofern ein solcher vorhanden ist.
  • Sozialrechtliche Regelungen: Die geleistete Arbeit während der Rufbereitschaft unterliegt den üblichen sozialrechtlichen Regelungen, wie z.B. der Sozialversicherungspflicht und der Einhaltung der Meldepflichten gegenüber den Sozialversicherungsträgern.
  • Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen: Wie bereits erwähnt, können tarifvertragliche Regelungen oder Betriebsvereinbarungen die Rahmenbedingungen für die Rufbereitschaft vorgeben und zusätzliche Rechte und Pflichten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber begründen.

Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer

Arbeitnehmer, die in Rufbereitschaft sind, haben sowohl Rechte als auch Pflichten, die sie erfüllen müssen:

  • Erreichbarkeit: Arbeitnehmer sind verpflichtet, während der Rufbereitschaft erreichbar zu sein und auf Anfrage des Arbeitgebers die Arbeit aufzunehmen. Sie dürfen sich grundsätzlich frei bewegen, müssen aber innerhalb der vereinbarten Reaktionszeit am Arbeitsplatz oder am Einsatzort erscheinen können.
  • Anzeigepflichten: Arbeitnehmer müssen ihren Arbeitgeber unverzüglich informieren, wenn sie während einer geplanten Rufbereitschaft verhindert sind oder sich ihre Erreichbarkeit ändert.
  • Einhaltung von Arbeitszeitvorschriften: Arbeitnehmer sind verpflichtet, die gesetzlichen oder tarifvertraglichen Arbeitszeitvorschriften einzuhalten und ggf. die notwendigen Ruhezeiten zwischen den Einsätzen zu gewährleisten.
  • Dokumentation und Meldung von Arbeitszeiten: Arbeitnehmer sind verpflichtet, ihre geleisteten Arbeitsstunden während der Rufbereitschaft korrekt zu dokumentieren und dem Arbeitgeber mitzuteilen.
  • Anspruch auf Vergütung und Zuschläge: Arbeitnehmer haben grundsätzlich Anspruch auf Vergütung für die tatsächlich geleistete Arbeit während der Rufbereitschaft, einschließlich der Wegezeiten und ggf. anfallender Zuschläge (z.B. für Überstunden, Nachtarbeit oder Arbeit an Feiertagen).

Rechte und Pflichten der Arbeitgeber

Auch Arbeitgeber haben Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Rufbereitschaft ihrer Mitarbeiter:

  • Anordnung der Rufbereitschaft: Arbeitgeber haben das Recht, die Rufbereitschaft ihrer Arbeitnehmer auf Grundlage der entsprechenden tariflichen oder individuellen Vereinbarungen anzuordnen. Sie müssen dabei jedoch die gesetzlichen Regelungen und arbeitsvertraglichen Bestimmungen einhalten.
  • Vergütung: Arbeitgeber sind verpflichtet, die geleistete Arbeit während der Rufbereitschaft gemäß den geltenden tariflichen oder individuellen Vereinbarungen zu vergüten. Dies umfasst i.d.R. auch die Zahlung von Zuschlägen, sofern solche vereinbart sind.
  • Mitbestimmung: Arbeitgeber müssen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beachten, wenn sie Rufbereitschaft einführen oder verändern möchten. Dies gilt insbesondere für die Ausgestaltung der Rufbereitschaft und die Vergütungsregelungen.
  • Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften: Arbeitgeber sind verpflichtet, die gesetzlichen Arbeitsschutzvorschriften (z.B. Arbeitszeitgesetz, Arbeitsschutzgesetz) zu beachten und entsprechende Schutzmaßnahmen für ihre in Rufbereitschaft befindlichen Mitarbeiter zu treffen.

Praxisbeispiele und Fälle aus der Rechtsprechung

Die Rufbereitschaft ist ein komplexes Thema und es gibt viele interessante Fälle aus der Rechtsprechung, die wertvolle Einblicke in die rechtlichen Fragestellungen rund um dieses Thema geben:

  • Wegezeiten zur Arbeitsstelle: In einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 11. Juni 2009 (Az. 6 AZR 144/08) wurde klargestellt, dass die Wegstrecke von der Wohnung des Arbeitnehmers zu seinem Arbeitsplatz innerhalb der Arbeitszeit liegt, sofern der Arbeitnehmer während der Rufbereitschaft zu einem Einsatz gerufen wird.
  • Reaktionszeit und Vergütung: In einem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf vom 9. November 2016 (Az. 9 Sa 42/16) wurde entschieden, dass eine festgelegte Reaktionszeit von 30 Minuten als angemessen anzusehen ist und dass ein Arbeitnehmer, der während seiner Rufbereitschaft tatsächlich zum Einsatz kommt, Anspruch auf Vergütung der gesamten Arbeitszeit inklusive der vereinbarten Reaktionszeit hat.
  • Freie Gestaltung der Rufbereitschaft: Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil vom 29. Juni 2006 (Az. 6 AZR 3/05) klargestellt, dass Arbeitnehmer während der Rufbereitschaft grundsätzlich frei über ihre Zeit verfügen und diese privat gestalten können, solange sie innerhalb der vereinbarten Reaktionszeit erreichbar und einsatzbereit sind.

Häufig gestellte Fragen zur Rufbereitschaft

Zum Abschluss möchten wir auf einige häufig gestellte Fragen zur Rufbereitschaft eingehen und diese für Sie beantworten:

  • Wie unterscheidet sich Rufbereitschaft von Bereitschaftsdienst?Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst beziehen sich beide auf die Verfügbarkeit von Arbeitnehmern außerhalb der regulären Arbeitszeiten. Der Unterschied liegt darin, dass bei der Rufbereitschaft der Arbeitnehmer nicht am Arbeitsplatz verbleiben muss, während beim Bereitschaftsdienst eine Anwesenheit am Arbeitsplatz oder in dessen unmittelbarer Nähe erforderlich ist.
  • Muss ich während meiner Rufbereitschaft erreichbar sein?Ja, während der Rufbereitschaft sind Sie verpflichtet, für Ihren Arbeitgeber erreichbar zu sein und auf Anforderung die Arbeit aufzunehmen.
  • Wie lang darf eine Rufbereitschaft dauern?Es gibt keine gesetzliche Regelung zur maximalen Dauer einer Rufbereitschaft. Allerdings müssen Arbeitgeber die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes sowie eventuelle tarifliche oder arbeitsvertragliche Vereinbarungen beachten.
  • Muss die Rufbereitschaft vergütet werden?Für die reine Rufbereitschaft, d.h. die Wartezeit, besteht keine gesetzliche Vergütungspflicht. Jedoch kann eine Vergütung durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag vereinbart sein. Die tatsächlich geleistete Arbeit während der Rufbereitschaft muss hingegen vergütet werden.

Wir hoffen, dass Sie mit diesem Beitrag einen umfassenden Überblick über das Thema Rufbereitschaft im Arbeitsrecht erhalten haben. Sollten Sie weiterführende Fragen haben oder in einer konkreten Angelegenheit rechtlichen Beistand suchen, stehen wir Ihnen als erfahrene Rechtsanwälte im Arbeitsrecht gerne zur Verfügung.

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