Die Schlechterfüllung ist ein zentrales Thema im Schuldrecht und bezeichnet eine fehlerhafte Erfüllung vertraglicher oder gesetzlicher Pflichtverhältnisse. Sie ist nicht nur für Rechtsanwälte, sondern auch für Geschäftsleute, Verbraucher und Jurastudenten relevant. In diesem umfassenden und gut recherchierten Blog-Beitrag werden die verschiedenen Facetten der Schlechterfüllung unter die Lupe genommen. Dabei wird auf rechtliche Ausführungen, einschlägige Gesetze, aktuelle Gerichtsurteile sowie FAQs eingegangen.

Was ist Schlechterfüllung?

Schlechterfüllung liegt vor, wenn eine vertragliche oder gesetzliche Leistung nicht so erbracht wird, wie sie vereinbart oder gefordert wurde. Dies betrifft sowohl materielle als auch immaterielle Leistungen und umfasst z. B. mangelhafte Produkte, unvollständige Arbeiten oder Leistungen, die außerhalb des vereinbarten Lieferzeitraums erbracht werden.

Rechtsgrundlagen für Schlechterfüllung

Die Schlechterfüllung ist im deutschen Zivilrecht, insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), geregelt. Zu den wesentlichen Vorschriften gehören:

  • § 280 Abs. 1 BGB: Schadensersatz wegen Pflichtverletzung
  • § 281 BGB: Schadensersatz statt Leistung wegen Nicht- oder Schlechterfüllung
  • § 323 BGB: Rücktritt wegen Nicht- oder Schlechterfüllung
  • § 324 BGB: Kündigung bei Dauerschuldverhältnissen wegen Nicht- oder Schlechterfüllung
  • § 326 BGB: Entfall der Leistungspflicht bei Unmöglichkeit
  • § 377 HGB: Rügeobliegenheit bei Lieferung mangelhafter Ware
  • § 437 BGB: Rechte des Käufers bei Mängeln
  • § 634 BGB: Rechte des Bestellers bei Mängeln

Daneben können auch weitere gesetzliche Regelungen sowie vertragliche Vereinbarungen eine Rolle spielen, etwa das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) oder die Verkehrspflichten des Schuldners im Rahmen des Geschäftsverkehrs.

Voraussetzungen der Schlechterfüllung

Damit Schlechterfüllung vorliegt, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Es besteht ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien, das eine Leistungspflicht begründet. Dies kann aus vertraglichen oder gesetzlichen Regelungen resultieren.
  • Die geschuldete Leistung wird nicht oder nicht vertragsgemäß erbracht (sog. positive Vertragsverletzung).
  • Der Schuldner ist für die Schlechterfüllung verantwortlich, d. h. er hat diese zu vertreten.
  • Außerdem ist zu beachten, dass der Gläubiger unter Umständen vorleistungspflichtig ist, also zunächst eine eigene Gegenleistung erbringen muss, bevor er die geschuldete Leistung vom Schuldner verlangen kann (z. B. bei Kaufverträgen).
  • Die Schlechterfüllung selbst kann verschiedene Formen annehmen, wie z. B. die Lieferung einer mangelhaften Sache, das Versäumnis einer vertraglich vereinbarten Frist oder das Unterlassen einer geschuldeten Handlung.

Rechtsfolgen der Schlechterfüllung

Bei Vorliegen von Schlechterfüllung können dem Gläubiger verschiedene Rechte zustehen, die im Wesentlichen darauf abzielen, das ursprünglich beabsichtigte Ziel des Schuldverhältnisses zu erreichen und etwaige Schäden auszugleichen. Nachfolgend werden die wichtigsten Rechtsfolgen dargestellt:

Nachbesserung oder Ersatzlieferung

Der Gläubiger kann zunächst verlangen, dass der Schuldner seine Leistung nachbessert oder ersatzweise eine fehlerfreie Leistung erbringt (z. B. gemäß § 437 Nr. 1, § 439 BGB im Kaufrecht oder § 634 Nr. 1, § 635 BGB im Werkvertragsrecht).

Schadensersatz

Ein weiteres Recht des Gläubigers bei Schlechterfüllung ist der Schadensersatz, der dazu dient, den Gläubiger so zu stellen, wie er stehen würde, wenn die Leistung ordnungsgemäß erbracht worden wäre (§ 249 BGB). Dabei unterscheidet man zwischen Schadensersatz statt der Leistung (§ 281 BGB) und Schadensersatz neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB).

Rücktritt vom Vertrag

Der Gläubiger kann unter bestimmten Voraussetzungen von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen und so den Vertrag rückabwickeln (z. B. gemäß § 437 Nr. 2, § 323 BGB im Kaufrecht oder § 634 Nr. 3, § 634a BGB im Werkvertragsrecht). Ein Rücktritt ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Gläubiger die Schlechterfüllung zu vertreten hat oder wenn der Mangel geringfügig ist.

Minderung

Ist ein Rücktritt ausgeschlossen oder möchte der Gläubiger den Vertrag aufrechterhalten, kann er den Kaufpreis oder die Vergütung entsprechend mindern (z. B. gemäß § 437 Nr. 2, § 441 BGB im Kaufrecht oder § 634 Nr. 3, § 638 BGB im Werkvertragsrecht).

Selbstvornahme

Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Gläubiger auch berechtigt sein, die geschuldete Leistung selbst oder durch einen Dritten ausführen zu lassen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen vom Schuldner zu verlangen (z. B. gemäß § 437 Nr. 3, § 326 Abs. 2 BGB im Kaufrecht oder § 634 Nr. 2, § 637 BGB im Werkvertragsrecht).

Beispiele für Schlechterfüllung

Im Folgenden werden einige Beispiele für Schlechterfüllung aus der Praxis skizziert:

  • Ein Handwerker hat ein Fenster eingebaut, das jedoch undicht ist und ständig Wasser eindringen lässt. In diesem Fall liegt eine Schlechterfüllung vor, da die Leistung des Handwerkers mangelhaft ist.
  • Ein Online-Händler liefert ein bestelltes Smartphone, das jedoch nicht funktioniert. Hier liegt ebenfalls eine Schlechterfüllung vor, da das Produkt mangelhaft ist.
  • Ein Softwareunternehmen entwickelt ein vereinbartes Softwareprogramm, das jedoch nicht wie vereinbart funktioniert oder mehrere wichtige Funktionen fehlen. Auch hier liegt eine Schlechterfüllung vor.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Schlechterfüllung

In der Rechtsprechung gibt es zahlreiche Urteile zum Thema Schlechterfüllung. Im Folgenden werden drei interessante Entscheidungen vorgestellt:

Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 09. Juni 2017, Az. V ZR 278/16

In diesem Fall ging es um die Frage, ob Schlechterfüllung bereits vorliegt, wenn der Verkäufer einer Immobilie den Käufer nicht über einen Sanierungsstau aufklärt. Der BGH entschied, dass ein solcher Sanierungsstau, der bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannt war oder bekannt sein musste, als Mangel der Kaufsache angesehen und somit eine Schlechterfüllung darstellen kann.

Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 19. Juli 2017, Az. VIII ZR 278/16

Der BGH hatte zu entscheiden, ob ein Mangel einer Sache vorliegt, wenn der Verkäufer eine Sache liefert, die zwar der vereinbarten Beschaffenheit entspricht, aber gleichzeitig gegen gesetzliche Verbote verstößt. Der BGH bejahte das Vorliegen eines Mangels und somit einer Schlechterfüllung.

Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 21. Februar 2018, Az. VIII ZR 46/17

In diesem Fall entschied der BGH, dass Schlechterfüllung auch dann vorliegen kann, wenn der Schuldner die geschuldete Leistung zwar erbringt, diese aber aufgrund eines Drittrechts nicht dem Gläubiger zusteht. Im konkreten Fall hatte der Inhaber eines Schrotthandels ein Fahrzeug erworben, ohne jedoch Kenntnis darüber zu haben, dass es durch verbotene Eigenmacht abgestellt wurde. Der BGH sah hierin einen Rechtsmangel und somit eine Schlechterfüllung.

Häufig gestellte Fragen (FAQs) zur Schlechterfüllung

Was kann ich tun, wenn ich von einer Schlechterfüllung betroffen bin?

Als Gläubiger haben Sie bei Schlechterfüllung verschiedene rechtliche Ansprüche. Sie können zunächst Nachbesserung oder Ersatzlieferung verlangen, Schadensersatz fordern, vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis bzw. die Vergütung mindern. Im Einzelfall empfiehlt es sich, rechtlichen Rat einzuholen.

Welche Voraussetzungen müssen für Schadensersatz bei Schlechterfüllung vorliegen?

Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Schlechterfüllung setzt grundsätzlich voraus, dass ein Schuldverhältnis besteht, die geschuldete Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbracht wird, der Schuldner die Schlechterfüllung zu vertreten hat und ein Schaden entstanden ist.

Kann ich bei Schlechterfüllung den Vertrag kündigen?

Bei Dauerschuldverhältnissen, wie beispielsweise Miet- oder Dienstverträgen, kann unter Umständen eine Kündigung wegen Schlechterfüllung möglich sein (vgl. § 314 BGB). Ob eine solche Kündigung im Einzelfall berechtigt ist, hängt von den Umständen des jeweiligen Falles und einer umfassenden Interessenabwägung ab.

Wie lange habe ich Zeit, eine Schlechterfüllung zu rügen?

Die Rügefrist bei Schlechterfüllung richtet sich nach den konkreten gesetzlichen Regelungen und/oder vertraglichen Vereinbarungen. Im Kaufrecht gilt beispielsweise eine Rügefrist von zwei Jahren ab Gefahrübergang (§§ 438 Abs. 1 Nr. 3, 377 HGB). Im Werkvertragsrecht beträgt die Gewährleistungsfrist grundsätzlich fünf Jahre (§ 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB).

Muss ich als Gläubiger bei Schlechterfüllung zunächst Nachbesserung verlangen, bevor ich Schadensersatz fordern kann?

Im Recht der Schlechterfüllung spielt das sogenannte „Besondere Störungsrecht“ eine wichtige Rolle. Danach hat der Gläubiger zunächst grundsätzlich einen Anspruch auf Nachbesserung oder Ersatzlieferung. Schadensersatz kann er als primärer Anspruch erst verlangen, wenn die Nachbesserung oder Ersatzlieferung fehlgeschlagen ist, unzumutbar ist oder verweigert wird (§ 281 BGB).

Wie unterscheidet sich Schlechterfüllung von Nichterfüllung?

Schlechterfüllung bedeutet, dass eine geschuldete Leistung zwar erbracht wurde, aber nicht vertragsgemäß ist. Im Gegensatz dazu liegt bei Nichterfüllung ein vollständiges Unterlassen der geschuldeten Leistung vor. Die rechtlichen Folgen können jedoch ähnlich sein, wie z. B. Schadensersatz, Rücktritt vom Vertrag oder Minderung.

Fazit

Die Schlechterfüllung ist ein wichtiger Aspekt des Schuldrechts und betrifft sowohl Vertrags- als auch gesetzliche Schuldverhältnisse. Es gilt, die verschiedenen rechtlichen Aspekte und die zahlreichen Gesetze und Urteile zu diesem Themenbereich zu beachten, um die eigenen Rechte und Pflichten angemessen wahrnehmen zu können. Bei Fragen und Problemen im Zusammenhang mit Schlechterfüllung empfiehlt es sich, rechtlichen Rat einzuholen und bei Bedarf erforderliche Schritte einzuleiten.

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