Testierfähigkeit – Eine zentrale Voraussetzung für die Erstellung eines wirksamen Testaments und damit die Regelung der eigenen Vermögensnachfolge.

In diesem Beitrag erläutern wir eingehend die rechtlichen Grundlagen und Bedeutung der Testierfähigkeit, zeigen auf, welche Rolle sie in der Testamentsgestaltung spielt, und geben praxisnahe Einblicke anhand von Fallbeispielen und Checklisten.

Inhaltsverzeichnis:

  • Bedeutung der Testierfähigkeit und ihre rechtlichen Grundlagen
  • Unterschiedliche Kategorien der Testierfähigkeit
  • Voraussetzungen der Testierfähigkeit
  • Testierfähigkeit bei besonderen Personengruppen
  • Anfechtung eines Testaments wegen fehlender Testierfähigkeit
  • Beweislast und Nachweis der Testierfähigkeit
  • Wann wird ein Gutachten zur Testierfähigkeit notwendig?
  • Wer erstellt das Gutachten und wie hoch sind die Kosten?
  • Die grundsätzliche Regelung: Wer zahlt die Kosten für ein Gutachten zur Testierfähigkeit?
  • Fazit und Handlungsempfehlungen

Bedeutung der Testierfähigkeit und ihre rechtlichen Grundlagen

Die Testierfähigkeit spielt eine bedeutende Rolle im Erbrecht, da sie grundlegend für die Wirksamkeit eines Testaments ist. Das deutsche Erbrecht lässt jedem Bürger prinzipiell die Freiheit, seinen Nachlass durch ein Testament individuell zu regeln. Allerdings ist dies nur unter der Voraussetzung einer gegebenen Testierfähigkeit möglich. Die rechtlichen Grundlagen der Testierfähigkeit finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).

Das BGB führt aus, dass grundsätzlich nur volljährige Personen testierfähig sind, also das 18. Lebensjahr vollendet haben. Daneben können auch Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, ein notarielles Testament errichten. Aber auch für Volljährige kann die Testierfähigkeit eingeschränkt sein, etwa aufgrund von psychischen Störungen oder krankhaften Zuständen, welche die freie Willensbildung und damit die Testierfähigkeit beeinträchtigen.

Unterschiedliche Kategorien der Testierfähigkeit

Die Testierfähigkeit kann grob in zwei Kategorien unterteilt werden: Die natürliche Testierfähigkeit und die rechtliche Testierfähigkeit. Die natürliche Testierfähigkeit betrifft die physische und psychische Fähigkeit, ein Testament zu erstellen. Die rechtliche Testierfähigkeit bezieht sich auf die rechtlichen Voraussetzungen, welche eine Person erfüllen muss, damit die Verfügung von Todes wegen gültig ist.

Die natürliche und rechtliche Testierfähigkeit sind beide notwendige, aber unabhängige Voraussetzungen für ein wirksames Testament. Eine Verfügung von Todes wegen kann nur dann Bestand haben, wenn sowohl die rechtlichen als auch die natürlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Voraussetzungen der Testierfähigkeit

Die Testierfähigkeit setzt in erster Linie voraus, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments in der Lage ist, seinen eigenen Willen zu formulieren und diesen auch verständlich in der Verfügung auszudrücken. Dies erfordert ein Verständnis für die Tragweite und Bedeutung der getroffenen Regelungen, die Fähigkeit, Konsequenzen abzuschätzen, und die Einsicht in die eigenen Interessen und deren Abwägung gegenüber anderen möglichen Beteiligten.

Die Testierfähigkeit ist somit nicht an die Volljährigkeit an sich geknüpft, sondern an die geistige Einsichtsfähigkeit und Urteilsfähigkeit des Erblassers. In der Praxis bedeutet dies, dass auch Personen, die an einer psychischen Störung oder einer krankhaften Beeinträchtigung leiden, dennoch testierfähig sein können, wenn sie imstande sind, ihren eigenen Willen zu bilden und diesen verständlich in ihrem Testament auszudrücken.

Testierfähigkeit bei besonderen Personengruppen

Bei bestimmten Personengruppen gelten spezielle Regelungen bezüglich der Testierfähigkeit, etwa bei Minderjährigen oder geistig beeinträchtigten Menschen. Minderjährige unter 16 Jahren sind generell nicht testierfähig. Minderjährige ab 16 Jahren können jedoch ein notarielles Testament errichten, wenn sie die erforderliche geistige Reife und Urteilsfähigkeit besitzen. Dies ist im Einzelfall durch den Notar zu prüfen.

Bei geistig beeinträchtigten Personen hängt die Testierfähigkeit von der Schwere ihrer Beeinträchtigung ab und davon, ob sie in der Lage sind, ihre eigenen Wünsche und Interessen im Testament zum Ausdruck zu bringen. Eine gesetzliche Betreuung oder ein Pflegegrad an sich führen nicht zwangsläufig zu einer eingeschränkten Testierfähigkeit. Entscheidend ist vielmehr, ob die betroffene Person ihren eigenen Willen hinsichtlich der Nachlassregelung bilden und diesen verständlich übermitteln kann.

Anfechtung eines Testaments wegen fehlender Testierfähigkeit

Fehlt die Testierfähigkeit des Erblassers, ist das Testament unwirksam und kann angefochten werden. Die Anfechtung kann von den gesetzlichen Erben oder von Personen veranlasst werden, die durch das Testament in ihren erbrechtlichen Ansprüchen beeinträchtigt sind.

Anfechtungsgründe können beispielsweise sein:

  • Fehlende Volljährigkeit des Erblassers
  • Fehlende geistige Einsichtsfähigkeit oder Urteilsfähigkeit des Erblassers
  • Eine vorliegende psychische Störung oder krankhafter Störung

Bei einer erfolgreichen Anfechtung wird das angefochtene Testament als unwirksam erklärt, und es greift die gesetzliche Erbfolge oder die Regelung aus einem früheren Testament, sofern vorhanden.

Beweislast und Nachweis der Testierfähigkeit

Die Beweislast für das Vorliegen der Testierfähigkeit liegt grundsätzlich bei den Erben, die sich auf das Testament berufen. Im Streitfall muss gegebenenfalls das Gericht darüber entscheiden, ob die Testierfähigkeit gegeben war oder nicht. Hierbei kann es sich auf Gutachten von Sachverständigen, Zeugenaussagen oder sonstige Beweismittel stützen.

Möchte man in einem konkreten Fall nachweisen, dass zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments Testierfähigkeit vorlag, können folgende Beweismittel herangezogen werden:

  • Ärztliche Stellungnahmen
  • Gutachten von Sachverständigen
  • Aussagen von Zeugen, die den Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung begleitet haben
  • Dokumentation durch den Notar, der das Testament beurkundet hat

Wann wird ein Gutachten zur Testierfähigkeit notwendig?

Nicht immer besteht Uneinigkeit darüber, ob ein Erblasser zur Zeit der Errichtung eines Testaments testierfähig war. Es gibt jedoch Fälle, in denen dies bestritten wird. Falls solche Zweifel auftauchen, kann ein Gutachten zur Klärung der Testierfähigkeit notwendig werden. Typische Situationen sind etwa, wenn ein Testament zu einem Zeitpunkt erstellt wurde, zu dem der Erblasser bereits an einer geistigen Erkrankung wie zum Beispiel Demenz litt, oder unter dem Einfluss von Medikamenten stand.

Wer erstellt das Gutachten und wie hoch sind die Kosten?

Ein solches Gutachten wird normalerweise von einem Facharzt für Psychiatrie oder einem Gerichtsmediziner erstellt. Die Kosten eines Gutachtens zur Testierfähigkeit variieren stark je nach Aufwand und können im Einzelfall mehrere Tausend Euro betragen. Für den genauen Betrag sind insbesondere die Anzahl der zu befragenden Zeugen und die Komplexität der medizinischen Beurteilung ausschlaggebend.

Die grundsätzliche Regelung: Wer zahlt die Kosten für ein Gutachten zur Testierfähigkeit?

Die Kosten für ein Gutachten zur Testierfähigkeit können in unterschiedlichen Situationen und aus verschiedenen Gründen anfallen. Grundsätzlich gilt, dass die- oder derjenige die Kosten für das Gutachten tragen muss, der das Gutachten beauftragt oder in Auftrag gibt. Es können jedoch verschiedene Konstellationen entstehen, in denen die Verteilung der Kosten unterschiedlich geregelt ist.

  1. Gutachten auf Initiative des Erblassers: Falls der Erblasser selbst ein Gutachten zur Feststellung seiner Testierfähigkeit in Auftrag gibt, um eventuellen späteren Streitigkeiten vorzubeugen, so trägt der Erblasser auch die Kosten für das Gutachten.
  2. Gutachten im Rahmen eines notariellen Testaments: Wird ein notarielles Testament errichtet und der Notar zweifelt an der Testierfähigkeit des Erblassers, kann er ein Gutachten zur Klärung der Testierfähigkeit einholen. In diesem Fall werden die Gutachterkosten in der Regel dem Erblasser als Teil der notariellen Kosten auferlegt, sofern dieser der Testierfähigkeit zustimmt oder die Testierfähigkeit zweifelsfrei nachgewiesen wird.
  3. Gutachten im Rahmen einer Testamentseröffnung oder Streitigkeiten um die Testierfähigkeit: Wird ein Gutachten beauftragt, um im Zuge einer Testamentseröffnung oder Erbstreitigkeit die Testierfähigkeit des Erblassers nachträglich zu klären, so trägt grundsätzlich der Antragsteller die Kosten für das Gutachten. Im Falle eines Rechtsstreits besteht jedoch die Möglichkeit, dass das Gericht die Kosten des Gutachtens als Prozesskosten auf die Parteien umlegt, abhängig vom Ausgang des Verfahrens und dem Für und Wider des Gutachtens. Gegnerische Parteien können auch dazu verpflichtet werden, die Kosten des Gutachtens zu tragen, wenn ihnen ein entsprechendes Verschulden an der Notwendigkeit des Gutachtens nachgewiesen werden kann.

Es empfiehlt sich, in jeder konkreten Situation sorgfältig abzuwägen, ob ein Gutachten zur Testierfähigkeit notwendig ist und welche Kosten hierfür entstehen könnten. Eine (vor)organisierte Regelung der Kosten und Beibringung eines Gutachtens kann sowohl dem Erblasser selbst als auch den potenziellen Erben Zeit, Geld und Konflikte ersparen.

Taktisch klug kann es unter Umständen sein, sich zunächst an einen Rechtsanwalt oder Notar zu wenden, der im Erbrecht erfahren ist. Dieser kann eine erste Einschätzung der Testierfähigkeit geben und auf dieser Grundlage entscheiden, ob ein Gutachten zur Testierfähigkeit notwendig ist und wie die Kosten dafür am besten verteilt werden können.

Das Gutachten wird im Zuge eines Erbscheinverfahrens eingeholt

In einem solchen Fall sind die Kosten für ein Gutachten zur Testierfähigkeit Teil der Verfahrenskosten und werden nach dem Verfahrensergebnis verteilt. Wenn das Gutachten bestätigt, dass der Erblasser testierfähig war, werden die Kosten denjenigen auferlegt, die dies bestritten haben. Wenn das Gutachten jedoch ergibt, dass der Erblasser nicht testierfähig war, werden die Kosten denjenigen auferlegt, die behauptet haben, der Erblasser sei testierfähig gewesen.

Das Gutachten wird im Zuge eines Klageverfahrens eingeholt

Auch in diesem Fall sind die Kosten für ein Gutachten zur Testierfähigkeit Teil der Verfahrenskosten. Ob der Kläger oder der Beklagte die Kosten tragen muss, hängt vom Ausgang des Verfahrens ab. War die Klage erfolgreich, trägt in der Regel der Beklagte die Kosten. War die Klage nicht erfolgreich, muss in der Regel der Kläger die Kosten tragen.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Die Testierfähigkeit ist eine grundlegende Voraussetzung für die Erstellung eines gültigen Testaments und somit für die Regelung der Vermögensnachfolge. Um die eigene Testierfähigkeit rechtssicher nachweisen zu können und Streitigkeiten über die Wirksamkeit des Testaments zu vermeiden, empfiehlt es sich, auf folgende Aspekte zu achten:

  1. Erstellung eines notariellen Testaments, um die Prüfung der Testierfähigkeit durch einen Notar zu gewährleisten
  2. Zeitnahe Errichtung des Testaments, solange die eigene Testierfähigkeit noch zweifelsfrei gegeben ist
  3. Beispiellose Dokumentation der eigenen Testierfähigkeit, z. B. durch ärztliche Stellungnahmen oder sachverständige Gutachten
  4. Eine klare und verständliche Formulierung der eigenen Verfügungen von Todes wegen, um Missverständnisse und Anfechtungsgründe zu vermeiden
  5. Regelmäßige Überprüfung und Anpassung des Testaments an die aktuelle Lebenssituation und gesetzliche Änderungen

Die rechtliche Unterstützung durch einen erfahrenen und kompetenten Rechtsanwalt oder Notar in der Testamentsgestaltung kann helfen, Unsicherheiten und Fehlinterpretationen zu vermeiden und ein tragfähiges sowie rechtssicheres Testament zu erstellen. Zudem kann eine fundierte Rechtsberatung dazu beitragen, möglichen Streitigkeiten innerhalb der Erbengemeinschaft vorzubeugen und die eigenen erbrechtlichen Ansprüche durchzusetzen.

Die Beachtung der Testierfähigkeit und ihre rechtliche Absicherung sind entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung der eigenen Vermögensnachfolge und somit für die Sicherstellung der eigenen letzten Willensverfügungen. Nutzen Sie die Möglichkeit, Ihre rechtliche Absicherung zu optimieren und Ihren Nachlass sicher in die Hände Ihrer Erben zu übergeben.

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