Das Rechtsinstitut der ungerechtfertigten Bereicherung spielt in der täglichen Praxis eine bedeutende Rolle. Doch was ist eigentlich ungerechtfertigte Bereicherung? In diesem Zusammenhang hört man immer wieder von § 812 BGB. Doch dieser Paragraf ist nur einer von vielen, die sich mit dieser Materie beschäftigen. In diesem Blog-Beitrag erhalten Sie einen umfassenden und detaillierten Einblick in die Welt der ungerechtfertigten Bereicherung: Wir erläutern die Voraussetzungen, die Rechtsfolgen, die verschiedenen rechtlichen Ansprüche sowie aktuelle Gerichtsurteile und häufig gestellte Fragen.

Was versteht man unter ungerechtfertigter Bereicherung?

Die ungerechtfertigte Bereicherung ist im deutschen Zivilrecht ein Rechtsinstitut, das einer Person, die ohne rechtlichen Grund eine Leistung erhalten hat, auf Verlangen des Leistenden zur Herausgabe der Leistung oder deren Gegenwert verpflichtet (§ 812 Abs. 1 BGB).

Die Voraussetzungen für eine ungerechtfertigte Bereicherung sind:

  • Die Bereicherung des Empfängers,
  • die Ungerechtfertigtheit dieser Bereicherung,
  • der Leistungsempfänger ist bereichert,
  • der Leistungsempfänger hat auf Kosten des Leistenden etwas erlangt.

Das Gesetz unterscheidet dabei zwei Fallgruppen: Die Kondiktion nach Leistung und die Kondiktion nach Nichtleistung. Die Kondiktion nach Leistung liegt vor, wenn derjenige, der die Leistung erbracht hat, diese zurückfordert. Die Kondiktion nach Nichtleistung liegt hingegen vor, wenn die Leistung nicht erbracht wurde oder jemand ohne rechtlichen Grund etwas erlangt hat.

Die Voraussetzungen einer Bereicherung

Um eine ungerechtfertigte Bereicherung geltend machen zu können, müssen zunächst die Voraussetzungen einer Bereicherung vorliegen. Dazu gehören:

Eine Zuwendung

Unter einer Zuwendung versteht man eine Leistung, die jemandem freiwillig zugewendet wird, ohne dass eine rechtliche Verpflichtung besteht. Eine solche Zuwendung kann sowohl in Sachleistungen als auch in Geldleistungen bestehen.

Ein rechtlicher Grund

Als rechtlichen Grund bezeichnet man den Rechtsgrund, aufgrund dessen die Leistung erfolgt ist. Dies kann beispielsweise ein Vertrag oder eine gesetzliche Verpflichtung sein. Fehlt es an einem solchen Rechtsgrund, liegt eine ungerechtfertigte Bereicherung vor.

Eine Bereicherung

Der Leistungsempfänger muss durch die Zuwendung einen Vermögensvorteil erlangt haben. Ein solcher Vorteil liegt beispielsweise vor, wenn der Leistungsempfänger durch die Zuwendung eine Vermögensmehrung erlangt oder ihm eine Verbindlichkeit erlassen wird.

Fehlen eines Rechtsgrundes

Damit eine Bereicherung ungerechtfertigt ist, muss es an einem Rechtsgrund für die Zuwendung fehlen. Ein solcher Rechtsgrund ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn die Leistung aufgrund eines Irrtums erfolgt ist, etwa weil der Leistungserbringer davon ausgegangen ist, zur Leistung verpflichtet gewesen zu sein.

Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung

Die Rechtsfolge einer ungerechtfertigten Bereicherung besteht in erster Linie in der Pflicht zur Rückgabe bzw. Rückzahlung der zu Unrecht erlangten Leistung (§ 812 Abs. 1 BGB). Dabei hat der Leistungsempfänger grundsätzlich das Erlangte herauszugeben oder dessen Wert zu ersetzen.

Soweit eine Herausgabe oder ein Herausgabeersatz nicht möglich oder nicht zumutbar ist, kann der Leistende auch Schadensersatz in Geld verlangen.

Die Verjährungsfrist für Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe FahrlässigkeitKenntnis erlangen müsste.

Rechtliche Ansprüche bei ungerechtfertigter Bereicherung

Die ungerechtfertigte Bereicherung wird häufig als rechtlicher Anspruch im Rahmen eines zivilrechtlichen Gerichtsverfahrens geltend gemacht. Dabei stehen dem Kläger verschiedene rechtliche Ansprüche zur Verfügung:

Anspruch auf Herausgabe oder Wertersatz

Der Leistende kann zunächst das Erlangte zurückfordern (§ 812 Abs. 1 BGB). Wenn eine solche Rückforderung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, kann der Leistende stattdessen Wertersatz verlangen.

Anspruch auf Schadensersatz

Bei vorsätzlicher ungerechtfertigter Bereicherung kann neben dem Anspruch auf Herausgabe oder Wertersatz auch Schadensersatz verlangt werden (§ 823 BGB) – etwa wenn durch die ungerechtfertigte Bereicherung weitere (Folge-)Schäden entstanden sind.

Feststellungsklage

Sofern der genaue Umfang des Schadens noch nicht feststeht oder der Kläger (noch) keine konkreten Zahlungsansprüche geltend machen kann, ist auch eine Feststellungsklage möglich (§ 256 ZPO).

Rechtsprechung zum Thema ungerechtfertigte Bereicherung

Im Folgenden möchten wir Ihnen einige aktuelle Gerichtsurteile zu verschiedenen Aspekten der ungerechtfertigten Bereicherung vorstellen:

BGH, Urteil vom 13.01.2021 – VIII ZR 118/19

In diesem Fall hatte ein Wohnungseigentümer seinen Balkon vergrößern lassen, ohne zuvor die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft einzuholen. Diese klagte auf Beseitigung der Baumaßnahme sowie auf Herausgabe des durch die ungenehmigte Baumaßnahme entstandenen Wertzuwachses. Der BGH entschied, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft zwar einen Anspruch auf Beseitigung der Baumaßnahme habe, nicht jedoch auf Herausgabe des Wertzuwachses.

BGH, Urteil vom 03.06.2020 – XII ZR 110/18

Ein Ehepaar hatte während der Ehe ein gemeinsames Haus errichtet, für dessen Finanzierung beide Ehegatten Darlehensverpflichtungen eingegangen waren. Im Rahmen der Scheidung klagte eine der Ehegatten auf Herausgabe der von ihm erbrachten Darlehenszahlungen. Der BGH entschied, dass ein Anspruch auf Rückzahlung aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung in diesem Fall nicht bestehe.

BGH, Urteil vom 29.01.2019 – XI ZR 370/18

In einer Bankenhaftungsklage verlangte ein Bankkunde Schadensersatz für ungerechtfertigte Bearbeitungsgebühren bei einem Kreditvertrag. Der BGH entschied, dass die Bank zur Herausgabe der Bearbeitungsgebühren verpflichtet sei, da diese eine ungerechtfertigte Bereicherung darstellten.

FAQs zur ungerechtfertigten Bereicherung

Im Folgenden beantworten wir einige häufig gestellte Fragen zum Thema ungerechtfertigte Bereicherung:

Kann ich mein Geld zurückfordern, wenn ich versehentlich zu viel bezahlt habe?

Ja, in diesem Fall liegt eine ungerechtfertigte Bereicherung vor und der zu Unrecht Begünstigte muss die zu viel gezahlte Summe zurückerstatten (§ 812 Abs. 1 BGB).

Kann ich einen Anspruch auf ungerechtfertigte Bereicherung noch geltend machen, wenn ich bereits auf die Forderung verzichtet habe?

In der Regel nein, denn eine ausdrückliche oder konkludente Aufgabe des Anspruchs auf Herausgabe durch den Leistenden schließt einen späteren Anspruch auf Herausgabe aus ungerechtfertigter Bereicherung aus. Ausnahmen können jedoch bestehen, wenn die Aufgabe des Anspruchs selbst auf einer Fehlvorstellung des Leistenden beruhte.

Was ist, wenn der Empfänger der ungerechtfertigten Bereicherung diese nicht zurückgeben kann?

Wenn derjenige, der die ungerechtfertigte Leistung erhalten hat, diese nicht zurückgeben kann, ist er unter Umständen zur Zahlung von Wertersatz oder Schadensersatz verpflichtet (vgl. §§ 812 ff. BGB).

Muss der Begünstigter einer ungerechtfertigten Bereicherung alle erhaltenen Vorteile herausgeben?

Grundsätzlich müssen alle Vorteile herausgegeben werden, die der Begünstigte der ungerechtfertigten Bereicherung auf Kosten des Geschädigten erlangt hat. Allerdings kann der Herausgabeanspruch unter Umständen ausnahmsweise entfallen, z. B. wenn die Herausgabe unverhältnismäßig wäre oder dies aufgrund der Nachteile, die der Begünstigte bei Rückgabe erleiden würde, unzumutbar wäre.

Kann ich meinen Anspruch auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung an einen Dritten abtreten?

Ja, grundsätzlich können Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung an Dritte abgetreten werden (§ 398 BGB). Beachten Sie jedoch, dass die Abtretung des Anspruchs nicht zulässig ist, wenn dies gesetzlich verboten ist oder die Leistung an einen Dritten nicht ohne erhebliche Beeinträchtigung der Leistung möglich ist (§ 399 BGB).

Fazit

Die ungerechtfertigte Bereicherung ist ein weitreichendes und komplexes Rechtsinstitut, welches in der täglichen Praxis eine bedeutende Rolle spielt. Sollten Sie von einer ungerechtfertigten Bereicherung betroffen sein oder Fragen zu diesem Thema haben, ist es empfehlenswert, die Hilfe eines erfahrenen Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen. Dieser kann Sie umfassend und kompetent zu allen rechtlichen Aspekten beraten und Sie bei der Durchsetzung Ihrer Interessen unterstützen.

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