Der Urkundenbeweis ist ein zentrales Element im deutschen Zivil- und Strafprozess. In diesem umfassenden Blog-Beitrag erfahren Sie alles, was Sie über den Urkundenbeweis wissen sollten: von der Definition einer Urkunde über die Beweisführung und Beweiswürdigung bis hin zu aktuellen Gerichtsurteilen und praktischen Beispielen aus der anwaltlichen Praxis. Tauchen Sie ein in die Welt der Beweisführung durch Dokumente und lassen Sie sich von einem erfahrenen Rechtsanwalt durch die Rechtsmaterie führen.

Was ist eine Urkunde im rechtlichen Sinne?

Im rechtlichen Sinne ist eine Urkunde jede verkörperte Gedankenerklärung, die dazu bestimmt ist, als Beweismittel zu dienen. Die Urkunde muss also einen Gedanken in Schrift-, Bild- oder sonstiger Form wiedergeben und die absichtliche Erstellung zu Beweiszwecken erkennen lassen.

  • Die Urkunde kann in traditioneller Papierform oder in elektronischer Form, wie z. B. E-Mails, PDFs oder Word-Dokumenten, vorliegen.
  • Der Urkundenbegriff ist nicht auf Schriftstücke beschränkt, sondern umfasst auch Zeichnungen, Pläne, Fotos, Ton- oder Filmaufnahmen, sofern sie als Beweismittel bestimmt sind.
  • Die Urkunde muss nicht zwingend von einer bestimmten Person erstellt oder unterzeichnet worden sein. Es genügt, wenn sie als Beweismittel gedacht ist und den für die Beweisführung relevanten Sachverhalt wiedergibt.

Die verschiedenen Arten von Urkunden

Im deutschen Recht unterscheidet man verschiedene Arten von Urkunden, die unterschiedliche rechtliche Wirkungen entfalten. Die wichtigsten Kategorien sind:

  • öffentliche Urkunden: Diese Urkunden werden von einer Behörde oder einem Notar erstellt und sind mit einem amtlichen Siegel oder Stempel versehen. Beispiele sind Grundbuchauszüge, Geburtsurkunden oder notariell beurkundete Verträge. Öffentliche Urkunden genießen eine erhöhte Beweiskraft, da sie als vollgültiger Beweis für die darin enthaltenen Tatsachen gelten.
  • privatschriftliche Urkunden: Privatschriftliche Urkunden werden von Privatpersonen erstellt und sind nicht mit einem amtlichen Siegel oder Stempel versehen. Beispiele sind handschriftliche Verträge, Briefe oder Kontoauszüge. Diese Urkunden gelten als einfacher Beweis für die darin enthaltenen Tatsachen, müssen aber im Zweifel durch weitere Beweismittel untermauert werden.
  • elektronische Urkunden: Elektronische Urkunden sind in digitaler Form gespeicherte Dokumente, wie z. B. E-Mails, PDFs oder Word-Dokumente. Sie gelten grundsätzlich als gleichwertig mit Papierurkunden, sofern ihre Echtheit und Integrität nachgewiesen werden kann.

Die Beweisführung durch Urkunden

Der Urkundenbeweis ist ein wichtiger Bestandteil der Beweisführung im Zivil- und Strafprozess. Dabei geht es darum, die Richtigkeit oder Unrichtigkeit von Tatsachenbehauptungen anhand von Urkunden als Beweismittel zu ermitteln. Die Grundlagen für den Urkundenbeweis finden sich in den §§ 415 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) bzw. den §§ 249 ff. der Strafprozessordnung (StPO).

Vorlage von Urkunden im Prozess

Die Vorlage von Urkunden im Prozess erfolgt in der Regel auf Antrag einer Prozesspartei oder von Amts wegen durch das Gericht. Dabei können die Parteien sowohl eigene Urkunden als auch Urkunden der Gegenseite vorlegen, sofern sie im Besitz der entsprechenden Dokumente sind.

Die Vorlage von Urkunden kann allerdings auch unter bestimmten Voraussetzungen verweigert werden, z. B. wenn die betreffende Urkunde eine unzulässige Beweiserhebung darstellt oder wenn sie aus rechtlichen Gründen nicht verwertet werden darf (z. B. Verletzung des Persönlichkeitsrechts).

Beweiskraft von Urkunden

Die Beweiskraft einer Urkunde bemisst sich nach ihrer rechtlichen Einordnung:

  • öffentliche Urkunden: Öffentliche Urkunden gelten grundsätzlich als vollgültiger Beweis für die darin enthaltenen Tatsachen und können nur durch den sogenannten „Urkundenbeweis“ erschüttert werden. Das bedeutet, dass die Gegenseite die Unrichtigkeit der Urkunde durch Vorlage einer Gegenurkunde oder durch eine glaubhafte Zeugenaussage nachweisen muss.
  • privatschriftliche Urkunden: Privatschriftliche Urkunden haben eine geringere Beweiskraft als öffentliche Urkunden und müssen im Zweifel durch weitere Beweismittel, wie z. B. Zeugenaussagen oder Sachverständigengutachten, untermauert werden. Sie gelten jedoch als vollgültiger Beweis, wenn die Gegenseite keine substantiierten Einwendungen gegen die Richtigkeit der Urkunde vorbringt.
  • elektronische Urkunden: Elektronische Urkunden gelten grundsätzlich als gleichwertig mit Papierurkunden, sofern ihre Echtheit und Integrität nachgewiesen werden kann. Dies kann z. B. durch digitale Signaturen, Zeitstempel oder Verfahren zur sicheren Archivierung von Dokumenten geschehen.

Aktuelle Gerichtsentscheidungen zum Urkundenbeweis

Der Urkundenbeweis ist ein ständiger Gegenstand der Rechtsprechung. Im Folgenden werden einige aktuelle Gerichtsentscheidungen vorgestellt, die das Thema Urkundenbeweis betreffen:

Beweiskraft von WhatsApp-Nachrichten

In einem Urteil des Amtsgerichts München (Az. 343 C 4445/18) wurde entschieden, dass WhatsApp-Nachrichten als Urkunden im Sinne der ZPO gelten und somit als Beweismittel im Zivilprozess verwendet werden dürfen. Dabei kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an, wie z. B. die Authentizität und Integrität der Nachrichten, die Glaubwürdigkeit der Parteien und die Plausibilität des Sachverhalts.

E-Mails als Urkundenbeweis

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az. 20 U 83/19) hat entschieden, dass E-Mails grundsätzlich als Urkunden im Sinne der ZPO gelten und somit als Beweismittel im Zivilprozess verwendet werden dürfen. Dabei kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an, wie z. B. die Authentizität und Integrität der E-Mails, die Glaubwürdigkeit der Parteien und die Plausibilität des Sachverhalts.

Beweiskraft von Kontoauszügen

In einem Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. XI ZR 371/12) wurde entschieden, dass Kontoauszüge grundsätzlich als Urkunden im Sinne der ZPO gelten und somit als Beweismittel im Zivilprozess verwendet werden dürfen. Dabei kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an, wie z. B. die Authentizität und Integrität der Kontoauszüge, die Glaubwürdigkeit der Parteien und die Plausibilität des Sachverhalts.

Praktische Beispiele für den Urkundenbeweis

Im Folgenden werden einige praktische Beispiele für den Einsatz des Urkundenbeweises im Zivil- und Strafprozess vorgestellt:

Beweis für die Forderung einer Geldschuld

Ein Gläubiger möchte im Zivilprozess die Zahlung einer Geldschuld von seinem Schuldner verlangen. Als Beweis für die Forderung legt er einen von beiden Parteien unterzeichneten Darlehensvertrag vor, aus dem sich die Höhe der Schuld und die Zahlungsbedingungen ergeben. Der Schuldner bestreitet die Forderung und behauptet, den Vertrag nie unterzeichnet zu haben. In diesem Fall kann der Urkundenbeweis durch den Darlehensvertrag als privatschriftliche Urkunde herangezogen werden, um die Forderung zu belegen. Der Schuldner müsste im Zweifel weitere Beweismittel vorbringen, um die Echtheit der Unterschrift oder die Richtigkeit der Vertragsinhalte in Frage zu stellen.

Beweis für die Kündigung eines Mietverhältnisses

Ein Vermieter möchte im Zivilprozess die Räumung einer Wohnung von seinem Mieter verlangen, weil dieser die Miete mehrfach nicht gezahlt hat. Als Beweis für die Kündigung legt er eine Kündigungserklärung vor, die er per Einschreiben an den Mieter geschickt hat. Der Mieter bestreitet den Zugang der Kündigung und behauptet, das Einschreiben nie erhalten zu haben. In diesem Fall kann der Urkundenbeweis durch die Kündigungserklärung als privatschriftliche Urkunde und den Rückschein des Einschreibens als öffentliche Urkunde herangezogen werden, um den Zugang der Kündigung zu belegen. Der Mieter müsste im Zweifel weitere Beweismittel vorbringen, um den Zugang der Kündigung in Frage zu stellen.

Beweis für eine Geschwindigkeitsüberschreitung im Strafprozess

Ein Autofahrer wird wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 20 km/h angeklagt. Als Beweis für die Geschwindigkeitsüberschreitung legt die Staatsanwaltschaft ein Blitzerfoto und den dazugehörigen Messprotokoll vor. Der Autofahrer bestreitet die Geschwindigkeitsüberschreitung und behauptet, zum Zeitpunkt der Messung gar nicht gefahren zu sein. In diesem Fall kann der Urkundenbeweis durch das Blitzerfoto und das Messprotokoll als öffentliche Urkunden herangezogen werden, um die Geschwindigkeitsüberschreitung zu belegen. Der Autofahrer müsste im Zweifel weitere Beweismittel vorbringen, um die Richtigkeit der Messung oder seine Fahrereigenschaft in Frage zu stellen.

FAQs zum Urkundenbeweis

Können auch Kopien von Urkunden als Beweismittel dienen?

Grundsätzlich können auch Kopien von Urkunden als Beweismittel im Zivil- und Strafprozess verwendet werden, sofern ihre Authentizität und Integrität nachgewiesen werden kann. Allerdings haben Kopien in der Regel eine geringere Beweiskraft als die Originaldokumente und müssen im Zweifel durch weitere Beweismittel untermauert werden.

Wie kann ich die Echtheit einer Urkunde im Prozess beweisen?

Die Echtheit einer Urkunde kann im Prozess auf verschiedene Weise bewiesen werden, z. B. durch Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten oder technische Verfahren zur Überprüfung der Authentizität und Integrität von Dokumenten (z. B. digitale Signaturen oder Zeitstempel).

Was passiert, wenn eine Urkunde im Prozess als Fälschung enttarnt wird?

Wird im Prozess festgestellt, dass eine vorgelegte Urkunde gefälscht ist, kann dies sowohl zivil- als auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Im Zivilprozess kann die Fälschung dazu führen, dass die Urkunde als Beweismittel unverwertbar ist und die Prozesspartei, die die gefälschte Urkunde vorgelegt hat, ihren Anspruch nicht durchsetzen kann. Im Strafprozess kann die Fälschung einer Urkunde zu einer Strafanzeige und gegebenenfalls zu einer Verurteilung wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB führen.

Können auch elektronische Dokumente, wie z. B. E-Mails oder PDFs, als Urkunden im rechtlichen Sinne gelten?

Ja, elektronische Dokumente, wie z. B. E-Mails oder PDFs, können grundsätzlich als Urkunden im rechtlichen Sinne gelten, sofern sie eine verkörperte Gedankenerklärung darstellen, die dazu bestimmt ist, als Beweismittel zu dienen. Dabei kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die Authentizität und Integrität der elektronischen Dokumente.

Können auch mündliche Vereinbarungen als Urkundenbeweis dienen?

Mündliche Vereinbarungen können grundsätzlich nicht als Urkundenbeweis dienen, da sie keine verkörperte Gedankenerklärung darstellen. Allerdings können mündliche Vereinbarungen durch andere Beweismittel, wie z. B. Zeugenaussagen oder Indizien, im Zivil- oder Strafprozess bewiesen werden.

Fazit

Der Urkundenbeweis ist ein zentrales Element im deutschen Rechtssystem und spielt in vielen zivil- und strafrechtlichen Verfahren eine entscheidende Rolle. Urkunden können in unterschiedlichen Formen auftreten, wie z. B. öffentliche Urkunden, privatschriftliche Urkunden oder elektronische Urkunden, und haben unterschiedliche Beweiskraft. Die Vorlage von Urkunden im Prozess kann dabei helfen, die Richtigkeit oder Unrichtigkeit von Tatsachenbehauptungen zu ermitteln und somit zur Wahrheitsfindung beitragen. In der Rechtsprechung werden ständig neue Entscheidungen zum Thema Urkundenbeweis getroffen, die die Rechtslage fortlaufend prägen und weiterentwickeln.

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