Vergleichsverfahren sind eine effektive und kostengünstige Alternative zur traditionellen Gerichtsbarkeit. In diesem umfassenden Artikel erfahren Sie alles, was Sie über diese alternative Streitbeilegungsmethode wissen müssen. Wir werden uns mit ihrer Bedeutung, ihrem Zweck, den rechtlichen Grundlagen, den Verfahren, aktuellen Gerichtsurteilen, Beispielen und häufig gestellten Fragen auseinandersetzen.

Was ist ein Vergleichsverfahren?

Ein Vergleichsverfahren ist ein alternativer Weg zur Beilegung von Rechtstreitigkeiten, bei dem die Parteien mit Hilfe eines neutralen Vermittlers oder Schlichters freiwillig eine einvernehmliche Lösung suchen, anstatt ihre Streitigkeiten vor Gericht auszutragen. Dabei steht der Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den Parteien im Vordergrund. Das Ziel ist es, eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung zu erreichen.

Wozu dient ein Vergleichsverfahren?

Ein Vergleichsverfahren dient dazu, Rechtsstreitigkeiten auf eine alternative, weniger konfrontative Weise zu lösen. Die Vorteile eines solchen Verfahrens sind:

  • Zeit- und Kostenersparnis: Ein Vergleichsverfahren ist in der Regel schneller und kostengünstiger als ein Gerichtsverfahren.
  • Flexibilität: Die Parteien können den Ablauf des Verfahrens selbst gestalten und individuell anpassen.
  • Vertraulichkeit: Vergleichsverfahren finden nicht öffentlich statt, und die Ergebnisse werden in der Regel nicht veröffentlicht.
  • Erhaltung von Beziehungen: Durch den konstruktiven Dialog können bestehende Geschäftsbeziehungen oder persönliche Kontakte erhalten bleiben.
  • Einvernehmliche Lösungen: Im Vergleich zu einem Gerichtsurteil, das einer Partei aufgezwungen wird, empfinden die Beteiligten eine einvernehmlich erzielte Lösung als fairer und akzeptabler.

Rechtliche Grundlagen von Vergleichsverfahren

Vergleichsverfahren sind in verschiedenen Gesetzen und Regelwerken verankert.

Gesetzliche Regelungen

Das deutsche Recht hat die Vergleichsverfahren in der Zivilprozessordnung (ZPO) und im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) niedergelegt.

  • In der ZPO sind in §§ 278 – 283 die Regelungen zur außergerichtlichen Streitschlichtung sowie zum Vergleich vor Gericht zu finden.
  • Im FamFG ist in § 36 das gerichtliche Vergleichsverfahren reglementiert, das im Rahmen von Familienstreitsachen und sonstigen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit angewendet werden kann.

Vergleichsrichtlinien und Institutionen

Auch internationale und nationale Institutionen und Organisationen entwickeln Richtlinien, die Vergleichsverfahren regeln.

  • Die UNCITRAL (United Nations Commission on International Trade Law) hat Modelle und Regeln für die Durchführung von Vergleichsverfahren im internationalen Kontext entwickelt.
  • In Deutschland gibt es verschiedene Schlichtungsstellen und Mediationsverbände, die eigene Verfahrensregeln aufgestellt haben. Beispiele sind das Deutsche Institut für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS), die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (DIS) und der Bundesverband Mediation (BM).

Die Durchführung eines Vergleichsverfahrens

Gegenstand des Verfahrens

Ein Vergleichsverfahren kann in vielen Bereichen angewendet werden. Dazu gehören unter anderem:

  • Vertragsstreitigkeiten
  • Arbeitskonflikte
  • Familienrechtliche Auseinandersetzungen
  • Nachbarschaftskonflikte
  • Erbschaftsstreitigkeiten

Allerdings gibt es einige Rechtsbereiche, in denen ein Vergleichsverfahren ungeeignet ist, wie zum Beispiel das Straf- und das öffentliche Recht.

Auswahl des Vermittlers

Die Parteien können gemeinsam einen unabhängigen Vermittler auswählen, der thematisch und fachlich versiert ist und über gute Kommunikationsfähigkeiten verfügt. Der Vermittler sollte keinerlei persönliche oder wirtschaftliche Interessen am Verfahren haben.

Ablauf des Verfahrens

Der Ablauf eines Vergleichsverfahrens ist grundsätzlich flexibel. Häufig durchläuft das Verfahren jedoch folgende Phasen:

  1. Vereinbarung der Parteien auf ein Vergleichsverfahren
  2. Auswahl und Bestellung des Vermittlers
  3. Vorbereitung und Informationsaustausch: Beide Parteien stellen dem Vermittler Informationen und Unterlagen zur Verfügung, die für das Verständnis des Falles relevant sind.
  4. Gemeinsame Sitzung: Die Parteien treffen sich gemeinsam mit dem Vermittler, um ihren Standpunkt zu erläutern und auf mögliche Lösungen hinzuarbeiten.
  5. Einzelgespräche: Der Vermittler führt mit den Parteien getrennte Gespräche, um Vertrauen aufzubauen und individuelle Lösungsvorschläge zu erarbeiten.
  6. Vermittlungsvorschlag und Vereinbarung: Der Vermittler legt den Parteien einen Vorschlag zur Einigung vor. Wenn die Parteien dem Vorschlag zustimmen, wird eine schriftliche Vereinbarung abgeschlossen, die rechtlich bindend ist.

Wichtig zu beachten ist, dass der Vermittler keine Entscheidungsbefugnis hat und keine Lösung aufzwingen kann. Die Einigung der Parteien ist stets freiwillig.

Aktuelle Gerichtsurteile zum Vergleichsverfahren

In jüngerer Zeit sind einige wegweisende Gerichtsurteile ergangen, die Vergleichsverfahren betreffen. Hier stellen wir Ihnen einige davon vor:

Zwangsvollstreckung eines gerichtlichen Vergleichs (BGH, Urteil vom 27. September 2012, Az. VII ZR 185/11)

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich auch dann möglich ist, wenn die im Vergleich vereinbarte Leistung nicht vollständig erfüllt ist. In dem Fall hatte eine der Parteien zwar grundsätzlich ihre Leistungspflicht anerkannt, diese aber nur unzureichend erfüllt. Das Gericht stellte klar, dass eine teilweise Erfüllung der Leistungspflicht die Zwangsvollstreckung nicht ausschließt.

Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung trotz Mediationsklausel (BGH, Urteil vom 17. August 2011, Az. III ZR 200/10)

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine schiedsgerichtliche Vereinbarung auch dann wirksam ist, wenn die Vertragsparteien zusätzlich eine Mediationsklausel in ihre Verträge aufnehmen. In dem Fall stritten sich zwei Parteien über die Wirksamkeit der Schiedsklausel, weil sie gleichzeitig eine Mediationsklausel vereinbart hatten. Das Gericht sah jedoch keine zwingende Unvereinbarkeit der beiden Verfahren in einem Vertrag, sodass die Schiedsklausel wirksam blieb.

Keine Haftung des Mediators für Vermittlungsvorschlag (BGH, Urteil vom 21. März 2013, Az. IX ZR 104/12)

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Mediator nicht für einen Schaden haftet, der einer Streitpartei aufgrund eines von dem Mediator erarbeiteten und von der Streitpartei angenommenen Vermittlungsvorschlags entsteht. Da der Mediator keine Entscheidungsbefugnis hat, kann eine Haftung nur dann in Betracht kommen, wenn der Mediator bei der Ausübung seiner Tätigkeit gegen eine ihm obliegende, vertraglich übernommene Pflicht verstoßen hat.

Beispiele erfolgreicher Vergleichsverfahren

Vergleichsverfahren können in einer Vielzahl von Streitigkeiten erfolgreich angewendet werden. Hier sind einige Beispiele aus der Praxis:

  • Handelsstreitigkeit zwischen Unternehmen: Zwei Unternehmen haben einen Vertrag über den Verkauf von Waren abgeschlossen, wobei es später zu Unstimmigkeiten über die Qualität der gelieferten Waren und die Zahlungsbedingungen kam. Durch ein Vergleichsverfahren konnten die Unternehmen offen ihre Probleme diskutieren und sich darauf einigen, einen Teil des Kaufpreises zurückzuerstatten und künftig enger zusammenzuarbeiten.
  • Familienrechtliche Auseinandersetzung: Ein geschiedenes Ehepaar streitet über das Sorgerecht für ihre Kinder. Anstatt vor Gericht zu gehen, nehmen die Eltern an einem Vergleichsverfahren teil, bei dem sie gemeinsam mit dem Vermittler eine Lösung zum Wohle der Kinder erarbeiten. Diese Einigung berücksichtigt die Bedürfnisse und Wünsche beider Elternteile und ermöglicht eine flexiblere Regelung, die einer Gerichtsentscheidung überlegen ist.
  • Arbeitskonflikt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer: Ein Mitarbeiter fühlt sich ungerecht behandelt und beantragt die Kündigung. Anstatt das Arbeitsgericht anzurufen, nutzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Vergleichsverfahren, um die Missverständnisse zu klären und eine einvernehmliche Lösung zu finden. Infolgedessen wird der Arbeitsvertrag modifiziert, und der Mitarbeiter bleibt im Unternehmen.
  • Nachbarschaftskonflikt: Zwei Nachbarn geraten über die Nutzung eines gemeinsamen Grundstücks in Streit. Statt vor Gericht zu streiten, nehmen sie an einem Vergleichsverfahren teil, das ihnen ermöglicht, gemeinsame Interessen und Bedenken offen anzusprechen und eine einvernehmliche Lösung zu finden, die beiden Seiten gerecht wird.
  • Erbschaftsstreitigkeit: Die Erben eines verstorbenen Familienmitglieds sind sich uneins über die Verteilung des Nachlasses. Durch ein Vergleichsverfahren können sie offen ihre Ansichten und Bedenken austauschen und eine gerechte Aufteilung des Nachlasses bestimmen, ohne den zusätzlichen emotionalen Stress eines Gerichtsverfahrens.

Häufig gestellte Fragen zum Vergleichsverfahren

Was unterscheidet ein Vergleichsverfahren von anderen Streitbeilegungsverfahren?

Ein Vergleichsverfahren unterscheidet sich von anderen Streitbeilegungsverfahren wie Gerichtsverfahren oder Schiedsverfahren insofern, als es auf einer freiwilligen Einigung zwischen den Parteien basiert. Während bei Gerichts- und Schiedsverfahren eine dritte Instanz eine bindende Entscheidung trifft, sind bei einem Vergleichsverfahren die Parteien selbst für die Ausarbeitung einer Lösung verantwortlich, die für beide Seiten akzeptabel ist.

Gibt es Situationen, in denen ein Vergleichsverfahren nicht geeignet ist?

Ja, ein Vergleichsverfahren ist nicht in allen Fällen die beste Wahl. Beispielsweise ist es in Fällen von Straftaten oder bei langwierigen und komplexen rechtlichen Auseinandersetzungen möglicherweise nicht die geeignetste Streitbeilegungsmethode. Ein Vergleichsverfahren ist möglicherweise auch nicht sinnvoll, wenn eine Partei nicht aufrichtig zur Zusammenarbeit bereit ist oder wenn die Parteien bereits völlig zerstritten sind und Kooperation kaum noch möglich erscheint.

Wie wird sichergestellt, dass ein Vergleichsverfahren fair und gerecht ist?

Ein wesentlicher Bestandteil eines Vergleichsverfahrens ist die Anwesenheit eines unabhängigen, neutralen Vermittlers. Dieser sorgt dafür, dass beide Parteien die Möglichkeit erhalten, gehört zu werden und dass die Regeln des Verfahrens eingehalten werden. Zudem ist der Vermittler dafür verantwortlich, dass keine Partei übervorteilt wird und dass mögliche Lösungen im Interesse beider Parteien gestaltet werden.

Was passiert, wenn keine Einigung im Vergleichsverfahren erreicht wird?

Wenn im Vergleichsverfahren keine Einigung zwischen den Parteien erzielt wird, können sie immer noch andere Streitbeilegungsmethoden in Betracht ziehen, wie zum Beispiel ein Gerichtsverfahren oder ein Schiedsverfahren. Im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung ist zu beachten, dass Informationen oder Zugeständnisse, die während des Vergleichsverfahrens gemacht wurden, in der Regel nicht vor Gericht verwendet werden dürfen.

Wie werden die Kosten eines Vergleichsverfahrens geteilt?

Die Kosten eines Vergleichsverfahrens können unterschiedlich aufgeteilt werden. In der Regel vereinbaren die Parteien vor Beginn des Verfahrens, wie die Kosten aufgeteilt werden sollen. Es ist üblich, dass die Kosten des Vermittlers und weitere Verfahrenskosten hälftig zwischen den Parteien aufgeteilt werden, es sei denn, die Parteien einigen sich auf eine andere Regelung.

Vergleichsverfahren: Alternative zur klassischen Gerichtsbarkeit

Vergleichsverfahren stellen eine attraktive und flexible Alternative zur klassischen Gerichtsbarkeit dar. Die Vorteile einer solchen Streitbeilegungsmethode liegen insbesondere in der effizienteren und kostengünstigeren Beilegung von Konflikten, sowie in der Möglichkeit, die Beziehung zwischen den Parteien durch eine einvernehmliche Lösung aufrechtzuerhalten. In den rechtlichen Grundlagen sind Vergleichsverfahren fest verankert und werden von immer mehr Menschen und Institutionen als geeignete Methode zur Beilegung von Streitigkeiten genutzt. Wenn Sie sich in einem Rechtsstreit befinden und nach einer alternativen Lösung suchen, sollten Sie ein Vergleichsverfahren in Erwägung ziehen.

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