Die Widerklage ist eine wichtige Prozesshandlung, die im Rechtsstreit oft eine Rolle spielt, aber nicht immer richtig verstanden oder eingesetzt wird. In diesem Artikel beleuchten wir die verschiedenen Aspekte einer Widerklage, diskutieren aktuelle Gerichtsurteile und geben praktische Tipps für die Anwendung im juristischen Alltag. Dabei werden die rechtlichen Grundlagen ebenso gründlich erörtert wie die damit verbundenen Probleme und Lösungsansätze. Zum besseren Verständnis werden gesetzliche Regelungen, Beispiele und FAQs herangezogen.

Zweck und Bedeutung

Der Zweck der Widerklage ist es, einem Beklagten die Möglichkeit zu geben, seine eigenen Ansprüche gegenüber dem Kläger selbst im Rahmen des bestehenden Verfahrens geltend zu machen. Das schafft eine Balance zwischen den Parteien und spart Zeit und Kosten, da durch die Verfahrensverbindung oft nur ein umfangreicherer Rechtsstreit statt zweier separater Verfahren nötig ist.

Die wichtigsten gesetzlichen Regelungen zur Widerklage finden sich in den §§ 33, 260 bis 264 der Zivilprozessordnung (ZPO) und den dortigen Verweisungen.

Voraussetzungen einer Widerklage

Damit eine Widerklage zulässig ist, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Statthafte Klageart: Die Widerklage muss eine statthafte Klageart darstellen. Dies folgt aus § 33 Abs. 1 ZPO.
  • Bestehen des neuen Streitgegenstandes: Die Widerklage setzt voraus, dass ein neuer Anspruch geltend gemacht wird.
  • Zulässigkeit der Verbindung: Die Widerklage kann nur auf einen Anspruch gestützt werden, der entweder rechtlich oder tatsächlich verknüpft ist mit dem Hauptverfahren. Dies bedeutet, dass die Geltendmachung der Widerklage rechtlich zulässig sein muss und dass eine Verbindung mit dem Hauptverfahren, dem Hauptanspruch, hergestellt ist.
  • Zulässigkeit des Gerichts: Das Gericht, das über die Klage verhandelt, muss auch für die Widerklage zuständig sein.
  • Rechtshängigkeit der Hauptklage: Die Hauptklage muss zum Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage rechtshängig sein. Dies bedeutet, dass ein gerichtliches Verfahren bereits eingeleitet wurde.

Arten von Widerklagen

Widerklagen lassen sich grundsätzlich in zwei Arten einteilen:

  • Eventualwiderklage: Die Eventualwiderklage dient lediglich als Sicherung für den Fall, dass die Hauptklage zur Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch führt. Die Eventualwiderklage wird typischerweise eingesetzt, wenn der Beklagte befürchtet, dass sein materielles Recht gegenüber dem Kläger im weiteren Verlauf des Verfahrens beeinträchtigt werden könnte.
  • Feststellungswiderklage: Die Feststellungswiderklage wird oft auch als „negative Feststellungsklage“ bezeichnet. Ihr Hauptzweck besteht darin, die Unbegründetheit eines Anspruchs oder Rechtsverhältnisses, das Gegenstand der Hauptklage ist, verbindlich feststellen zu lassen.

Aktuelle Gerichtsurteile

In den letzten Jahren gab es einige wichtige Entscheidungen deutscher Gerichten zur Widerklage, die die Entwicklung der Rechtsprechung maßgeblich beeinflusst haben:

  • BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17: Der Bundesgerichtshof bestätigte, dass eine Widerklage zulässig ist, auch wenn der Widerbeklagte (also der ursprüngliche Kläger) erst während des Hauptverfahrens antragstellende Partei wird. Zugleich stellte der BGH klar, dass das Gericht in diesem Fall verpflichtet ist, die Zulässigkeit der Widerklage von Amts wegen zu prüfen.
  • BAG, Urteil vom 15. April 2020 – 9 AZR 9/19: In diesem Arbeitsrecht-Fall entschied das Bundesarbeitsgericht, dass eine Widerklage auf Rückforderung von Urlaubsabgeltung unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sei. Zu beachten sei insbesondere die dreijährige tarifliche Ausschlussfrist.
  • BGH, Urteil vom 9. Mai 2019 – IX ZR 228/17: Der Bundesgerichtshof entschied, dass eine Widerklage auf Rückforderung der vollen Vergütung im Rahmen eines Anfechtungsprozesses auch dann zulässig ist, wenn die anfechtbare Rechtshandlung zunächst nur teilweise angefochten wurde. Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Widerklage auch in komplexen juristischen Sachverhalten effektiv eingesetzt werden kann.

Praktische Anwendung und Tipps

Die Widerklage kann im Rechtsstreit sowohl offensiv als auch defensiv eingesetzt werden. Häufig geht es darum, bestehende Ansprüche gegenüber dem Kläger zu sichern oder um eine Verfahrensverbindung herbeizuführen, um Zeit und Kosten zu sparen. Einige praktische Tipps im Umgang mit Widerklagen sind:

  • Die Widerklage sollte möglichst nach sorgfältiger rechtlicher Prüfung und strategischer Überlegung eingesetzt werden. Ein Rechtsanwalt kann dabei helfen, die Chancen und Risiken abzuwägen und die erforderlichen Voraussetzungen zu beachten.
  • Ein frühzeitiges Erheben der Widerklage kann dem Beklagten durchaus Vorteile bieten, da sie den Kläger unter Umständen zur Rücknahme seiner Hauptklage bewegen kann.
  • Besonderes Augenmerk sollte auf die Verbindung von Haupt- und Widerklage gelegt werden, um mögliche Verfahrenshindernisse zu vermeiden.
  • Im Rahmen der Widerklage geltend gemachte materielle Ansprüche müssen klar und verständlich dargelegt und gegebenenfalls durch Beweismittel unterstützt werden. Dies kann maßgeblich zu einer erfolgreichen Durchsetzung der Widerklage beitragen.

FAQ: Häufige Fragen

Kann die Widerklage nach Klagerücknahme bzw. Klageerledigung noch weiterverfolgt werden?

Es besteht die Möglichkeit, dass die sie auch nach der Rücknahme der Hauptklage oder ihrer Erledigung weiterverfolgt werden kann, sofern sie noch rechtshängig ist und sich nicht ebenfalls bereits in der Sache erledigt hat.

Wie sieht es bei mehreren Klägern bzw. Beklagten aus- kann jeder Widerklage erheben?

Die Widerklage kann grundsätzlich auch gegen mehrere Kläger bzw. von mehreren Beklagten erhoben werden, wenn deren Ansprüche im Zusammenhang mit dem Hauptverfahren stehen und die Voraussetzungen der §§ 33, 260 bis 264 ZPO erfüllt sind. Achtung: Hier ist besonders auf die gerichtliche Zuständigkeit zu achten.

Wann sollte eine Widerklage erhoben werden? Gibt es Fristen zu beachten?

Die Widerklage sollte, sofern rechtlich zulässig und strategisch sinnvoll, möglichst frühzeitig erhoben werden. Fristen für die Erhebung müssen beachtet werden, wie beispielsweise die Verjährungsfristen für den geltend gemachten Anspruch. Grundsätzlich kann die Widerklage bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung vor Gericht erhoben werden.

Fazit

Die Widerklage ist ein wichtiges prozessuales Instrument im Rechtsstreit, welches sorgfältiger Planung und strategischer Überlegung bedarf. Sie bietet dem Beklagten die Möglichkeit, eigene Ansprüche gegenüber dem Kläger geltend zu machen und kann unter Umständen zur schnelleren und kostengünstigeren Beilegung von Streitigkeiten führen. Die rechtlichen Grundlagen sind daher von großem Interesse für Anwälte und Prozessbeteiligte, ebenso wie die zugrundeliegenden gesetzlichen Regelungen, aktuelle Gerichtsurteile und praktischen Anwendungstipps.

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