Ein Arbeitsunfall ist ein unerwartetes Ereignis, das während der Arbeitszeit oder im Zusammenhang mit der Arbeit passiert. Als Betroffener oder Arbeitgeber sollten Sie sich darüber im Klaren sein, welche rechtlichen Ansprüche und Pflichten entstehen, wie und wo der Unfall gemeldet werden muss, und welche Leistungen und Zuständigkeiten für die Abwicklung nach einem Arbeitsunfall bestehen.

In diesem umfangreichen Artikel werden wir alle wichtigen Aspekte eines Arbeitsunfalls näher erläutern und mithilfe von Aufzählungen, Gesetzen, Gerichtsurteilen und FAQs aufgreifen.

Definition eines Arbeitsunfalles

Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall, der sich während der ausgeübten beruflichen Tätigkeit oder auf dem Weg zur Arbeit oder von der Arbeit nach Hause ereignet. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).

Typische Beispiele für Arbeitsunfälle

  • Ausrutschen und Sturz in einer Firmenkantine
  • Verletzung bei der Bedienung einer Maschine
  • Unfall auf dem Firmengelände wegen Glatteis
  • Verkehrsunfall auf dem Weg zur Arbeit

Rechte und Pflichten nach einem Arbeitsunfall

Nach einem Arbeitsunfall haben Arbeitnehmer und Arbeitgeber verschiedene Rechte und Pflichten zu beachten. Hierbei muss unterschieden werden zwischen Melde- und Informationspflichten, Ansprüchen auf Entschädigung oder Heilbehandlung und möglichen Haftungsfragen.

Meldepflichten und Informationspflichten

Nach einem Arbeitsunfall besteht für den Arbeitgeber eine Meldepflicht gegenüber der zuständigen Berufsgenossenschaft (BG) oder der Unfallversicherungsträgerin gemäß § 193 SGB VII. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sollte den Arbeitgeber unverzüglich über den Unfall und die dabei erlittenen Verletzungen informieren. Im Falle eines Wegeunfalls muss zudem der Arbeitgeber informiert werden.

Anspruch auf Heilbehandlung und Entschädigung

Nach einem Arbeitsunfall können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Heilbehandlung und Entschädigung beanspruchen. Die Heilbehandlung inklusive notwendiger medizinischer Maßnahmen sowie Rehabilitation wird von der zuständigen Berufsgenossenschaft oder Unfallversicherungsträgerin getragen und beinhaltet unter anderem:

  • ärztliche Behandlung
  • Krankenhausbehandlung
  • Medikamente und Verbandsmaterial
  • medizinische Hilfsmittel wie Prothesen oder Orthopädie-Schuhtechnik
  • Rehabilitationsmaßnahmen zur Wiedereingliederung ins Berufsleben

Des Weiteren kann der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin bei einem Arbeitsunfall Entschädigungsleistungen beanspruchen, welche je nach Situation unterschiedliche Leistungen umfassen können. Dazu zählen zum Beispiel:

  • Verletztengeld
  • Übergangsgeld
  • Rentenleistungen bei dauerhafter Erwerbsminderung
  • Hinterbliebenenrente für die Familie des verstorbenen Arbeitnehmers oder der verstorbenen Arbeitnehmerin nach einem tödlichen Arbeitsunfall
  • Schmerzensgeld bei schweren oder dauerhaften gesundheitlichen Schäden

Haftungsfragen

Die Frage der Haftung nach einem Arbeitsunfall ist entscheidend für den Umfang der Ents
chädigungsleistungen und die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Schadensersatz oder Schmerzensgeld. Grundsätzlich schließt die gesetzliche Unfallversicherung eine Haftung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin nach § 104 Abs. 1 SGB VII aus. Ausnahmen von diesem Grundsatz stellen jedoch folgende Fälle dar:

  • Vorsätzliche Herbeiführung des Arbeitsunfalles durch den Arbeitgeber
  • Grobe Fahrlässigkeit und Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften von Arbeitgeber, Vorgesetzten oder Kollegen
  • Arbeitsunfall durch mangelhafte Arbeitssicherheit oder das Unterlassen von Schutzmaßnahmen

Zuständigkeiten

Die Zuständigkeit für die Regulierung von Arbeitsunfällen liegt bei den Berufsgenossenschaften oder der Unfallversicherungsträgern, welche durch die Beiträge der Arbeitgeber finanziert werden. Sie sind zuständig für die Heilbehandlung, die Gewährung von Entschädigungsleistungen und die Prävention von Arbeitsunfällen. Die genaue Zuständigkeit richtet sich dabei nach der Branche, in der der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin beschäftigt ist.

Aktuelle Gerichtsurteile und Rechtsprechung

Um ein besseres Verständnis der rechtlichen Aspekte bei Arbeitsunfällen zu ermöglichen, stellt die folgende Übersicht einige aktuelle Gerichtsurteile aus der Rechtsprechung vor:

Beweislast bei Wegeunfällen

In einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31.08.2021 (Az.: B 2 U 1/20 R) wurde klargestellt, dass bei Wegeunfällen eine sog. „Anscheinsbeweisregel“ gilt. Das bedeutet, dass bei einem Unfall auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause grundsätzlich angenommen wird, dass dieser im Zusammenhang mit der Arbeit steht, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprechen. Der Versicherte muss in der Regel nicht mehr beweisen, dass der Unfall auf dem direkten oder jedenfalls objektiv verkehrsgünstigen Weg passiert ist.

Sturz auf unbeleuchteter Treppe

Das Bayerische Landessozialgericht hat in einem Urteil vom 30.11.2020 (Az.: L 2 U 250/17) entschieden, dass ein Sturz auf einer unbeleuchteten Treppe während der Arbeit als Arbeitsunfall anzuerkennen ist. Die Klägerin verletzte sich bei einem Sturz auf einer unbeleuchteten Treppe, weil das Licht ausgefallen war. Das Gericht entschied, dass die ausreichende Beleuchtung der Arbeitsstätte eine grundlegende Schutzpflicht des Arbeitgebers darstellt und die Unfallversicherung für die Folgen eines Sturzes aufgrund mangelnder Beleuchtung aufzukommen hat.

Unfall während der Raucherpause

Das Bundessozialgericht urteilte am 05.07.2016 (Az.: B 2 U 16/14 R), dass ein Unfall während einer Raucherpause grundsätzlich nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fällt. Ausschlaggebend ist, dass die Raucherpause lediglich einer persönlichen Bedürfnisbefriedigung dient und keinen unmittelbaren Bezug zur versicherten beruflichen Tätigkeit hat. Eine Ausnahme besteht jedoch, wenn die Raucherpause kurz und in unmittelbarer Nähe zum Arbeitsplatz stattfindet, da sie dann als unmittelbar zur beruflichen Tätigkeit zugehörig eingestuft werden kann.

FAQs: Häufig gestellte Fragen

Im Folgenden sind einige häufig gestellte Fragen aus der Praxis und die jeweiligen Antworten für Ihren Überblick zusammengestellt:

In welchem Zeitrahmen muss ein Arbeitsunfall gemeldet werden?

Ein Arbeitsunfall sollte so schnell wie möglich gemeldet werden. Die rechtliche Frist für die Meldung eines Arbeitsunfalls durch den Arbeitgeber ist drei Tage ab Kenntnis des Unfalles. Bei schweren Verletzungen oder Todesfällen ist eine sofortige Meldung notwendig.

Was ist, wenn ich den Arbeitsunfall nicht sofort bemerke oder unterschätze?

Sollten Sie Ihren Arbeitsunfall nicht sofort bemerken oder die Folgen des Unfalls unterschätzen, können Sie den Unfall dennoch melden und Ansprüche geltend machen, sobald Sie Kenntnis erlangen. Allerdings sollte dies unverzüglich und ohne schuldhaftes Zögern geschehen. Je länger die Zeitspanne zwischen Unfall und Meldung, desto schwieriger kann es sein, den Unfall und dessen Folgen nachzuweisen.

Muss ich den Arbeitsunfall bei meiner privaten Krankenversicherung melden?

Wenn Sie gesetzlich versichert sind, übernimmt die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallversicherungsträgerin die Kosten der Heilbehandlung. Eine Meldung bei Ihrer privaten Krankenversicherung ist daher nicht zwingend erforderlich. Bei privat Versicherten sollte jedoch zunächst abgeklärt werden, inwieweit die private Krankenversicherung für die Leistungen eintritt, wenn die gesetzliche Unfallversicherung sich weigert, die Kosten zu übernehmen.

Wie lange bekomme ich nach einem Arbeitsunfall Lohn oder Gehalt weiter?

Nach einem Arbeitsunfall zahlt der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung für die ersten sechs Wochen, sofern ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) besteht. Ab dem Tag, an dem die Arbeitsunfähigkeit endet, entfällt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Ab der siebten Woche ersetzt das Verletztengeld die Entgeltfortzahlung und wird von der zuständigen Berufsgenossenschaft oder Unfallversicherungsträgerin gezahlt.

Arbeitsunfall: Wie sollten Sie jetzt reagieren?

Arbeitsunfälle können eine Vielzahl von rechtlichen Folgen und Ansprüchen nach sich ziehen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten sich daher im Falle eines Arbeitsunfalls über ihre Rechte und Pflichten im Klaren sein und diese rechtzeitig geltend machen. Arbeitgeber sollten ihrerseits ihren Melde- und Informationspflichten rechtzeitig nachkommen und die notwendigen Vorkehrungen für die Sicherheit und den Schutz ihrer Mitarbeiter am Arbeitsplatz treffen.

Im Zweifel kann die rechtliche Beratung durch einen Anwalt für Arbeitsrecht dabei helfen, im Rahmen der geltenden rechtlichen Bestimmungen die bestmögliche Lösung für alle Beteiligten zu finden.

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