Das Kirchengesetz ist ein komplexes und breites Rechtsgebiet, das neben den allgemeinen Gesetzen und Verordnungen auch spezielle kirchenrechtliche Regelungen umfasst. In diesem Blog-Beitrag möchten wir Ihnen einen umfassenden Einblick in das Kirchengesetz bieten, die rechtlichen Rahmenbedingungen und Anwendungsfälle näher erläutern und aktuelle Gerichtsurteile sowie FAQs diskutieren.

Kirchengesetz: Definition und Grundlagen

Unter dem Begriff Kirchengesetz versteht man jene Gesetze und Regelungen, die das Zusammenleben und die Organisation der Kirche betreffen. Dabei handelt es sich sowohl um die Gesetze und Verordnungen, die von den staatlichen Organen für die Kirche erlassen wurden, als auch um die innerkirchlichen Regelungen, die von den Kirchen selbst beschlossen wurden.

Staatliche Regelungen für die Kirche

Das staatliche Kirchenrecht betrifft die rechtlichen Vorgaben, die von den staatlichen Gesetzgebern und Gerichten für die Kirche erlassen wurden. Hierzu gehören unter anderem:

  • Das Grundgesetz
  • Die allgemeinen Gesetze und Verordnungen (z. B. das Bürgerliche Gesetzbuch und das Arbeitsgesetz)
  • Spezialgesetze für religiöse Organisationen

Das Grundgesetz garantiert die Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie das Recht, die Religion oder Weltanschauung frei zu wählen und auszuüben (Art. 4 GG). Darüber hinaus regelt das Grundgesetz die Trennung von Staat und Kirche (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 WRV) und garantiert den Kirchen Autonomie in ihren Angelegenheiten (Art. 137 WRV).

Innerkirchliche Regelungen

Das innerkirchliche Recht betrifft diejenigen Gesetze und Verordnungen, die die Organisation und Verwaltung der Kirche regeln. Hierzu zählen unter anderem:

  • Die Kirchenverfassungen
  • Die Kirchenordnungen
  • Die rechtlichen Regelungen für die verschiedenen kirchlichen Ämter

Die Kirchenverfassungen bilden die rechtliche Grundlage für die Organisation, Struktur und Verwaltung der Kirchen. Die Kirchenordnungen enthalten Regelungen über die Gottesdienstordnung, die Sakramente, das kirchliche Amt und die Gemeindearbeit. Die rechtlichen Regelungen für die verschiedenen kirchlichen Ämter legen die Voraussetzungen, Aufgaben und Rechte der Inhaber dieser Ämter fest.

Rechtliche Rahmenbedingungen für das Kirchengesetz

Das staatliche und das innerkirchliche Kirchenrecht wirken zusammen, um einen angemessenen rechtlichen Rahmen für das Leben und die Organisation der Kirche zu schaffen. Hierbei sind einige Grundprinzipien zu beachten, die im Folgenden näher erläutert werden.

Trennung von Staat und Kirche

Das Grundgesetz legt in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 WRV die Trennung von Staat und Kirche fest. Diese Trennung bedeutet jedoch nicht, dass Staat und Kirche vollständig voneinander unabhängig sind. Vielmehr soll ein angemessenes Zusammenwirken beider Seiten gewährleistet werden. Dieses Zusammenwirken zeigt sich unter anderem:

  • Bei der staatlichen Anerkennung von kirchlichen Rechtsnormen
  • In der Zusammenarbeit bei der Erziehung und Bildung (z. B. Religionsunterricht)
  • Bei der Zusammenarbeit im sozialen Bereich (z. B. Krankenhäuser, Altenheime)

Die gegenseitige Achtung und die Rücksichtnahme auf die Autonomie des jeweils anderen sind dabei grundlegende Prinzipien. Daraus ergibt sich auch das sogenannte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, das ihnen die Freiheit gibt, ihre Angelegenheiten autonom zu regeln.

Kirchenautonomie

Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen ermöglicht es den Religionsgemeinschaften, ihre Angelegenheiten autonom zu regeln. Das bedeutet insbesondere:

  • Die Freiheit der Glaubens- und Lehrautorität
  • Die Freiheit der Ordnungs- und Organisationshoheit
  • Die Freiheit der Personalhoheit (Berufung, Ordination und Kirchenstrafen)

Die Kirchenautonomie findet jedoch ihre Grenzen dort, wo das staatliche Recht die Kirche bindet. Zum Beispiel sind kirchliche Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Schulen ebenso an das staatliche Arbeitsrecht, Datenschutzgesetze oder Gesundheitsvorschriften gebunden wie zivilrechtliche Organisationen und Unternehmen.

Geltung des allgemeinen staatlichen Rechts

Das staatliche Recht findet grundsätzlich auch auf die Kirche Anwendung, sofern keine besonderen Regelungen oder Ausnahmen für die Kirche bestehen. Dies liegt vor allem daran, dass die Kirche in vielen Bereichen mit den staatlichen Organen zusammenarbeitet und daher auf eine gewisse Weise eingebunden ist.

Zudem hat die Kirche aufgrund ihres Selbstbestimmungsrechts die Möglichkeit, in vielen Bereichen eigene Regelungen aufzustellen, die in enger Anlehnung an das staatliche Recht erlassen werden können (z. B. in Bezug auf Arbeitsverhältnisse, Datenschutz oder Bildungseinrichtungen).

Anwendungsfälle des Kirchengesetzes

Das Kirchengesetz findet Anwendung in einer Vielzahl von Fällen. In diesem Abschnitt geben wir einen Überblick über die wichtigsten Anwendungsfälle und zeigen, wie das Kirchenrecht dabei zum Tragen kommt.

Arbeitsverhältnisse in kirchlichen Einrichtungen

Arbeitsverhältnisse in kirchlichen Einrichtungen unterliegen grundsätzlich dem Arbeitsrecht des Staates. Die Kirche hat jedoch aufgrund ihres Selbstbestimmungsrechts die Möglichkeit, eigene Regelungen für die Arbeitsverhältnisse in ihren Einrichtungen zu erlassen. Diese Regelungen müssen jedoch bestimmte Mindeststandards des staatlichen Arbeitsrechts einhalten und dürfen keine Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Herkunft oder Religion zulassen.

Kirchliche Trauung und Scheidung

Die kirchliche Trauung ist eine liturgische Handlung, die durch das Kirchenrecht geregelt wird. Die kirchliche Trauung ist von der standesamtlichen Eheschließung zu unterscheiden, die nach dem staatlichen Recht durchgeführt wird. Die Kirche kann jedoch eigene Regelungen für die Anerkennung der Ehe oder für den Fall der Scheidung erlassen. Beispielsweise müssen Katholiken, die sich scheiden lassen und eine neue Ehe eingehen wollen, ein kirchliches Ehenichtigkeitsverfahren durchlaufen, um eine neue kirchliche Trauung zu ermöglichen.

Datenschutz in der Kirche

Der Datenschutz in der Kirche unterliegt grundsätzlich den Datenschutzgesetzen des Staates. Die Kirche hat jedoch aufgrund ihres Selbstbestimmungsrechts die Möglichkeit, eigene Regelungen in Bezug auf den Datenschutz zu erlassen, die den Anforderungen des staatlichen Datenschutzes entsprechen oder sogar höhere Schutzmaßnahmen vorsehen. So haben etwa die katholische und die evangelische Kirche eigene Datenschutzregelungen erlassen, die auf den Datenschutzgesetzen des Staates aufbauen und diese ergänzen.

Bildungseinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft

Kirchliche Bildungseinrichtungen, wie beispielsweise Schulen und Kindergärten, unterliegen ebenfalls einer Vielzahl von staatlichen Gesetzen und Verordnungen, die sich auf pädagogische, inhaltliche und organisatorische Fragen beziehen. Gleichzeitig haben diese Einrichtungen aufgrund ihres kirchlichen Charakters bestimmte Freiheiten und Gestaltungsspielräume. Diese können etwa bei der Gestaltung von Lehrplänen und Schulordnungen, der Einführung von besonderen Ritualen und Feiern sowie bei der Auswahl des Lehr- und Betreuungspersonals zum Tragen kommen.

Kirchenasyl

Das Kirchenasyl ist eine alte Tradition, die darauf beruht, dass die Kirche als ein Ort der Zuflucht und des Schutzes für Menschen gelten soll, die in Not sind oder verfolgt werden. Im deutschen Recht ist das Kirchenasyl nicht gesetzlich geregelt. Dennoch respektieren die staatlichen Behörden in der Regel die Entscheidungen der Kirchengemeinden, die Personen in Kirchenasyl aufnehmen, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Beispielsweise muss es sich um Härtefälle handeln, bei denen eine Abschiebung in das Herkunftsland eine unzumutbare Belastung für die betroffenen Personen darstellen würde. Zudem muss das Kirchenasyl von der zuständigen Kirchengemeinde gewährt und eine enge Zusammenarbeit der Gemeinde mit den staatlichen Behörden gewährleistet sein.

Aktuelle Gerichtsurteile zum Kirchenrecht

Die Rechtsprechung zum Kirchenrecht ist vielfältig und behandelt eine große Bandbreite von Themen und Fragestellungen. Im Folgenden stellen wir einige grundlegende und aktuelle Entscheidungen deutscher Gerichte vor, die einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Kirchengesetzes leisten.

Kirchensteuer

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2014 das Recht der Religionsgemeinschaften bestätigt, von ihren Mitgliedern eine Kirchensteuer zu erheben, die als staatliche Abgabe von den Finanzbehörden eingezogen wird (BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2014, Az. 2 BvR 2159/14). Das Gericht hat dabei betont, dass dies auf einer langen Tradition und dem Grundgesetz beruht, welches die Freiheit der Religionsausübung und das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften garantiert. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass das Recht zur Erhebung der Kirchensteuer dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegt und die Höhe der Kirchensteuer angemessen und zumutbar sein muss.

Kündigung von Mitarbeitern in kirchlichen Einrichtungen

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Reihe von Entscheidungen die Rechte von Mitarbeitern in kirchlichen Einrichtungen gestärkt und klargestellt, dass kirchliche Arbeitgeber bei Kündigungen die allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorgaben beachten müssen. In einem Urteil aus dem Jahr 2018 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Kündigung eines katholischen Chefarztes aufgrund seiner Wiederverheiratung nach einer zivilen Scheidung unwirksam sei, da sie eine unzulässige Diskriminierung wegen seiner Religion darstelle (BAG, Urteil vom 8. Februar 2018, Az. 2 AZR 746/14).

Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2020 entschieden, dass ein pauschales Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen während ihrer Tätigkeit innerhalb der Justizverwaltung verfassungswidrig ist. Das Gericht stellte fest, dass ein solches Verbot gegen die Religionsfreiheit und das Diskriminierungsverbot verstößt (BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2020, Az. 1 BvR 471/10).

Die Entscheidung hat Bedeutung auch für kirchliche Einrichtungen, in denen ebenfalls das Recht auf freie Religionsausübung und das Diskriminierungsverbot beachtet werden müssen. Zukünftig könnten auch kirchliche Arbeitgeber, die ein Kopftuchverbot für ihre Mitarbeiterinnen einführen möchten, mit ähnlichen rechtlichen Bedenken konfrontiert werden.

FAQs zum Kirchengesetz

Wie unterscheiden sich das staatliche und das kirchliche Recht?

Das staatliche Recht bezieht sich auf die Gesetze und Verordnungen, die von staatlichen Organen für die Regulierung des öffentlichen Lebens erlassen werden. Dagegen bezieht sich das kirchliche Recht auf jene Regelungen, die von den kirchlichen Organen für die Organisation und Verwaltung der Kirche und ihrer Gemeinden beschlossen werden. Beide Rechtsordnungen stehen in Wechselwirkung miteinander und beeinflussen sich gegenseitig.

Welche Rolle spielt das Grundgesetz im Kirchenrecht?

Das Grundgesetz bildet die verfassungsrechtliche Grundlage für das Zusammenwirken von Staat und Kirche. Es gewährleistet einerseits die Religionsfreiheit und das Recht auf freie Religionsausübung und legt andererseits die Trennung von Staat und Kirche und das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften fest. Damit schafft das Grundgesetz einen rechtlichen Rahmen, der das Zusammenleben und die Organisation der Kirche innerhalb des staatlichen Rechtssystems ermöglicht.

Wie ist das Arbeitsrecht für kirchliche Arbeitnehmer geregelt?

Kirchliche Arbeitnehmer unterliegen grundsätzlich den arbeitsrechtlichen Regelungen des Staates. Die Kirche hat jedoch aufgrund ihres Selbstbestimmungsrechts die Möglichkeit, eigene Regelungen für die Arbeitsverhältnisse in ihren Einrichtungen zu erlassen. Diese Regelungen müssen bestimmte Mindeststandards des staatlichen Arbeitsrechts einhalten und dürfen keine Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Herkunft oder Religion zulassen.

Was regelt das kirchliche Datenschutzrecht?

Das kirchliche Datenschutzrecht regelt den Schutz personenbezogener Daten innerhalb der Kirche und ihrer Einrichtungen und ist eng angelehnt an das staatliche Datenschutzrecht. Die katholische und die evangelische Kirche haben eigene Datenschutzregelungen erlassen, die auf den Datenschutzgesetzen des Staates aufbauen und diese ergänzen.

Welche Rolle spielen kirchliche Gerichtsverfahren im Kirchenrecht?

Kirchliche Gerichtsverfahren spielen eine wichtige Rolle im Kirchenrecht, da sie zur Durchsetzung der kirchlichen Gesetze und zur Klärung von Streitigkeiten innerhalb der Kirche dienen. Die kirchliche Gerichtsbarkeit ist in erster Linie ein Instrument der innerkirchlichen Selbstverwaltung und hat eine eigene Struktur, die sich von der staatlichen Gerichtsbarkeit unterscheidet. Kirchliche Gerichte sind dabei in der Regel auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisiert, wie beispielsweise das Ehescheidungsrecht oder das Recht der geistlichen Ämter.

Fazit zum Kirchengesetz

Das Kirchengesetz ist ein breit gefächertes Rechtsgebiet, das sowohl staatliche als auch kirchliche Regelungen umfasst. Es spielt in vielen Lebensbereichen eine wichtige Rolle, wie beispielsweise im Arbeitsrecht, beim Datenschutz oder in Bildungseinrichtungen. Die Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen und aktueller Gerichtsentscheide ist wichtig, um ein umfassendes Verständnis des Kirchenrechts und seiner Anwendungsfälle zu erlangen. Unsere Anwaltskanzlei steht Ihnen gerne für weitere Fragen und Beratungen zur Verfügung – kontaktieren Sie uns heute noch, um mehr über das Kirchenrecht und wie es Ihr Leben und Ihre Arbeit betreffen könnte, zu erfahren.

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