Der Bau eines Hauses oder die Sanierung einer Immobilie gehört zu den größten Investitionen im Leben eines Menschen. Doch was passiert, wenn nach der Fertigstellung Mängel auftreten? In diesem umfassenden Blog-Beitrag wollen wir das Thema Mängelhaftung im Baurecht detailliert betrachten und sowohl Bauherren als auch Bauunternehmen die Rechte und Pflichten näherbringen, die sich aus der Mängelhaftung ergeben. Dabei werden wir aktuelle Gesetze, Gerichtsurteile und praktische Beispiele heranziehen, um die Thematik verständlich und anschaulich darzustellen.

Inhaltsverzeichnis

Gesetzliche Grundlagen der Mängelhaftung im Baurecht

Die Mängelhaftung im Baurecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Insbesondere die §§ 633 ff. BGB (Werkvertragsrecht) sind hierbei von Bedeutung. Im Rahmen eines Werkvertrags verpflichtet sich der Unternehmer zur Herstellung eines Werkes, während der Besteller zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet ist.

Grundsätzlich gilt: Ein Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat oder, wenn keine Beschaffenheit vereinbart wurde, sich für die gewöhnliche Verwendung eignet (§ 633 Abs. 2 BGB). Ist das Werk mangelhaft, hat der Besteller verschiedene Rechte gegenüber dem Unternehmer, die im Folgenden erläutert werden.

Arten von Mängeln im Baurecht

Um die Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Mängelhaftung im Baurecht besser zu verstehen, ist es wichtig, die verschiedenen Arten von Mängeln zu kennen. Grundsätzlich lassen sich Mängel in folgende Kategorien einteilen:

  • Planungsmängel: Fehler, die bereits in der Planungsphase des Bauvorhabens gemacht werden, beispielsweise durch falsche Berechnungen, fehlerhafte Statik oder unzureichende Berücksichtigung von baurechtlichen Vorgaben.
  • Ausführungsmängel: Fehler, die bei der Umsetzung des Bauvorhabens entstehen, etwa durch unsachgemäße Bauausführung, Verwendung minderwertiger Materialien oder Nichteinhaltung von technischen Vorschriften.
  • Organisationsmängel: Fehler, die durch unzureichende Organisation des Bauablaufs verursacht werden, beispielsweise durch mangelhafte Koordination der Gewerke, unzureichende Überwachung oder falsche Terminplanung.
  • Abnahmemängel: Fehler, die bei der Abnahme des Bauwerks festgestellt werden, etwa weil das Bauwerk nicht den vertraglichen Anforderungen entspricht oder Mängel aufweist, die im Rahmen der Gewährleistung zu beheben sind.

Rechte des Bauherrn bei Mängeln

Stellt der Bauherr Mängel am Bauwerk fest, stehen ihm verschiedene Rechte gegenüber dem Bauunternehmen zu. Diese Rechte sind in § 634 BGB geregelt und beinhalten im Einzelnen:

Nacherfüllung (§ 634 Nr. 1 BGB): Der Bauherr kann zunächst vom Unternehmer die Beseitigung des Mangels verlangen (Nachbesserung) oder die Herstellung eines neuen Werks (Neuherstellung), sofern dies nicht unverhältnismäßig ist.

Rücktritt vom Vertrag (§ 634 Nr. 3 BGB): Ist die Nacherfüllung fehlgeschlagen, unzumutbar oder wurde vom Unternehmer verweigert, kann der Bauherr vom Vertrag zurücktreten.

Minderung der Vergütung (§ 634 Nr. 3 BGB): Alternativ zum Rücktritt kann der Bauherr die vereinbarte Vergütung mindern. Die Minderung bemisst sich nach dem Verhältnis des Wertes des mangelhaften Werks zum Wert des mangelfreien Werks.

Schadensersatz (§ 634 Nr. 4 BGB): Der Bauherr kann Schadensersatz verlangen, wenn der Unternehmer den Mangel zu vertreten hat, also bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Der Schadensersatz kann entweder in Geld oder durch Beseitigung des Mangels auf Kosten des Unternehmers geleistet werden.

Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§ 634 Nr. 5 BGB): Der Bauherr kann Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er in Vertrauen auf die Mangelfreiheit des Werks gemacht hat und die ihm nun vergeblich sind.

Erstattung der Selbstvornahmekosten (§ 637 BGB): Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Bauherr den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen.

Bevor der Bauherr jedoch seine Rechte geltend machen kann, muss er dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen, es sei denn, die Nacherfüllung ist entbehrlich (§ 636 BGB).

Pflichten des Bauunternehmers bei Mängeln

Stellt der Bauherr Mängel am Bauwerk fest, hat der Bauunternehmer verschiedene Pflichten, die sich aus dem Werkvertrag und den gesetzlichen Regelungen ergeben. Dazu gehören insbesondere:

  1. Nacherfüllung: Der Bauunternehmer ist verpflichtet, die Mängel innerhalb der vom Bauherrn gesetzten Frist zu beseitigen oder, falls verlangt, ein neues Werk herzustellen (§ 635 BGB). Die Kosten der Nacherfüllung trägt der Unternehmer (§ 635 Abs. 2 BGB).
  2. Mängelbeseitigung bei Gefahr im Verzug: Besteht eine dringende Gefahr, dass der Mangel zu weiteren Schäden führt oder die Sicherheit von Personen gefährdet, muss der Bauunternehmer sofort tätig werden.
  3. Information und Aufklärung des Bauherrn: Der Bauunternehmer ist verpflichtet, den Bauherrn über die Ursachen des Mangels, die erforderlichen Maßnahmen zur Mängelbeseitigung und mögliche Folgen aufzuklären.
  4. Haftung für Schäden: Der Bauunternehmer haftet für Schäden, die der Bauherr aufgrund eines von ihm zu vertretenden Mangels erlitten hat (§ 634 Nr. 4 BGB).

Der Bauunternehmer kann sich jedoch unter bestimmten Umständen von der Mängelhaftung befreien, etwa wenn der Mangel auf Umständen beruht, die der Bauherr zu vertreten hat (z. B. falsche Angaben, fehlerhafte Planung) oder wenn der Bauherr den Mangel arglistig verschwiegen hat (§ 640 BGB).

Verjährung von Mängelansprüchen

Die Ansprüche des Bauherrn wegen Mängeln am Bauwerk verjähren grundsätzlich nach fünf Jahren (§ 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB). Die Verjährungsfrist beginnt mit der Abnahme des Werks (§ 634a Abs. 2 BGB). Wird ein Mangel arglistig verschwiegen, beträgt die Verjährungsfrist 10 Jahre (§ 634a Abs. 3 BGB).

Wichtig ist, dass die Verjährungsfrist während der Nacherfüllung gehemmt ist (§ 203 BGB). Das bedeutet, dass die Frist erst weiterläuft, wenn der Unternehmer die Mängelbeseitigung abgeschlossen oder die Nacherfüllung endgültig verweigert hat.

Praxisbeispiele und aktuelle Gerichtsurteile

Im Folgenden möchten wir einige praxisnahe Beispiele und aktuelle Gerichtsurteile zur Mängelhaftung im Baurecht und Immobilienrecht vorstellen, um die Rechtslage anschaulicher zu verdeutlichen:

Beispiel 1: In einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 16.10.2014 – VII ZR 226/13) wurde entschieden, dass ein Bauherr, der den Einbau einer mangelhaften Dachrinne zunächst hinnimmt, später aber eine Neuherstellung verlangt, keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Neuherstellung hat, wenn diese unverhältnismäßig wäre.

Beispiel 2: Der BGH hat in einem weiteren Urteil (Urteil vom 09.02.2017 – VII ZR 249/15) klargestellt, dass der Bauherr auch dann einen Anspruch auf Schadensersatz hat, wenn der Mangel auf einer fehlerhaften Leistungsbeschreibung des Architekten beruht und der Bauunternehmer die fehlerhafte Ausführung nicht zu vertreten hat.

Beispiel 3: Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.2019 – 21 U 25/19) hat entschieden, dass ein Bauherr, der Schadensersatz wegen Mängeln am Bauwerk verlangt, konkret darlegen und beweisen muss, dass der Mangel auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Unternehmers zurückzuführen ist.

FAQ: Häufig gestellte Fragen zur Mängelhaftung im Baurecht

Im Folgenden beantworten wir einige häufig gestellte Fragen zur Mängelhaftung im Baurecht:

  1. Wann liegt ein Mangel im Sinne des Baurechts vor? Ein Mangel liegt vor, wenn das Bauwerk nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat oder sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet (§ 633 Abs. 2 BGB). Das kann z. B. der Fall sein, wenn das Bauwerk nicht den baurechtlichen Vorschriften entspricht, technische Normen nicht eingehalten wurden oder die vereinbarten Materialien nicht verwendet wurden.
  2. Welche Fristen gelten bei der Mängelhaftung im Baurecht? Der Bauherr hat grundsätzlich fünf Jahre ab Abnahme des Werks Zeit, um seine Ansprüche wegen Mängeln geltend zu machen (§ 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB). Wird ein Mangel arglistig verschwiegen, beträgt die Verjährungsfrist 10 Jahre (§ 634a Abs. 3 BGB). Die Frist zur Nacherfüllung setzt der Bauherr selbst, sie sollte jedoch angemessen sein.
  3. Was kann der Bauherr tun, wenn der Bauunternehmer die Mängel nicht beseitigt? Verweigert der Bauunternehmer die Nacherfüllung oder lässt er die gesetzte Frist verstreichen, kann der Bauherr vom Vertrag zurücktreten, die Vergütung mindern, Schadensersatz verlangen oder die Mängel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen (§§ 634, 637 BGB).
  4. Muss der Bauherr dem Bauunternehmer eine Frist zur Mängelbeseitigung setzen? Grundsätzlich muss der Bauherr dem Bauunternehmer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen, bevor er seine weiteren Rechte geltend machen kann (§ 636 BGB). Eine Fristsetzung ist jedoch entbehrlich, wenn die Nacherfüllung unmöglich ist, der Unternehmer sie ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt oder die sofortige Minderung rechtfertigen.
  5. Wer trägt die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels? Grundsätzlich liegt die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels beim Bauherrn. Er muss also nachweisen, dass das Bauwerk mangelhaft ist, z. B. durch ein Sachverständigengutachten. Allerdings gibt es im Baurecht einige Beweiserleichterungen, etwa wenn ein Mangel innerhalb von sechs Monaten nach der Abnahme auftritt und der Bauherr beweisen kann, dass der Mangel auf eine Ursache zurückzuführen ist, die bereits bei der Abnahme vorlag (§ 640a BGB).

Mängelhaftung: Ihre Rechte verstehen

Die Mängelhaftung im Baurecht ist ein komplexes Thema, das sowohl Bauherren als auch Bauunternehmen betrifft. Umso wichtiger ist es, die eigenen Rechte und Pflichten zu kennen und im Falle eines Mangels am Bauwerk angemessen zu reagieren. Dabei sollten alle Beteiligten stets das Gespräch suchen und eine einvernehmliche Lösung anstreben, um langwierige und kostspielige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Sollte eine gütliche Einigung jedoch nicht möglich sein, ist es ratsam, die Unterstützung eines erfahrenen Rechtsanwalts im Baurecht in Anspruch zu nehmen, um die eigenen Interessen bestmöglich durchzusetzen.

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