Als Käufer oder Verbraucher haben Sie das Recht, von einem Verkäufer oder Hersteller zu verlangen, dass er Mängel an einem Produkt oder einer Dienstleistung behebt, die Sie erworben haben. Dieser Anspruch wird als Nacherfüllung bezeichnet und ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. In diesem umfassenden Blog-Beitrag werden wir die rechtlichen Grundlagen, Fristen, Gerichtsurteile und FAQs rund um das Thema Nacherfüllung im Zivilrecht erörtern, um Ihnen als Verbraucher Klarheit und Sicherheit zu bieten.

Rechtliche Grundlagen der Nacherfüllung

Die Nacherfüllung ist in den §§ 437 Nr. 1, 439 BGB geregelt. Diese Vorschriften sehen vor, dass der Käufer bei Vorliegen eines Sachmangels (§ 434 BGB) oder Rechtsmangels (§ 435 BGB) das Recht hat, vom Verkäufer die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache zu verlangen.

  • § 437 BGB regelt die Rechte des Käufers bei Mängeln und stellt drei verschiedene Ansprüche zur Verfügung: Nacherfüllung, Rücktritt oder Minderung des Kaufpreises und Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen.
  • § 439 BGB konkretisiert den Anspruch auf Nacherfüllung und verpflichtet den Verkäufer, auf Verlangen des Käufers den Mangel zu beseitigen oder eine mangelfreie Sache zu liefern.

Voraussetzungen für den Anspruch auf Nacherfüllung

Damit der Käufer einen Anspruch auf Nacherfüllung geltend machen kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Es muss ein wirksamer Kaufvertrag zwischen Käufer und Verkäufer bestehen.
  • Es liegt ein Mangel im Sinne von § 434 BGB (Sachmangel) oder § 435 BGB (Rechtsmangel) vor.
  • Der Mangel war bereits bei Gefahrübergang (in der Regel bei Übergabe der Ware) vorhanden.
  • Der Käufer hat den Mangel nicht selbst verursacht oder durch eigenes Verschulden verschlimmert.
  • Der Käufer hat den Mangel unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Monaten nach Entdeckung, dem Verkäufer angezeigt (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB).

Wahl der Art der Nacherfüllung

Der Käufer hat grundsätzlich die Wahl, ob er vom Verkäufer die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangt (§ 439 Abs. 1 BGB). Der Verkäufer kann jedoch die gewählte Art der Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist (§ 439 Abs. 3 BGB). In diesem Fall bleibt dem Käufer nur die andere Art der Nacherfüllung.

Fristen für die Geltendmachung der Nacherfüllung

Die Fristen für die Geltendmachung der Nacherfüllung hängen von verschiedenen Faktoren ab:

  • Bei einem Kaufvertrag zwischen Verbrauchern und Unternehmern (B2C) beträgt die Verjährungsfrist für Mängelansprüche grundsätzlich zwei Jahre ab Übergabe der Ware (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB).
  • Bei einem Kaufvertrag zwischen Unternehmern (B2B) kann die Verjährungsfrist vertraglich verkürzt werden, darf jedoch nicht weniger als ein Jahr betragen (§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 BGB).
  • Die Verjährungsfrist beginnt mit der Entdeckung des Mangels durch den Käufer (§ 438 Abs. 2 BGB). Der Käufer hat jedoch maximal zwei Monate Zeit, den Mangel dem Verkäufer anzuzeigen (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB).
  • Ein Rückgriff des Unternehmers gegenüber dem Lieferanten bei mangelhafter Ware beträgt fünf Jahre ab Übergabe der Ware (§ 445a BGB).

Gerichtsurteile zur Nacherfüllung

Im Folgenden stellen wir Ihnen einige aktuelle Gerichtsurteile zum Thema Nacherfüllung vor, die die Rechtsprechung in diesem Bereich verdeutlichen:

  • Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 24.10.2018, Az. VIII ZR 66/18: In diesem Fall entschied der BGH, dass der Verkäufer bei einer berechtigten Nacherfüllungsforderung des Käufers verpflichtet ist, die Kosten für den Ausbau der mangelhaften Sache und den Einbau der Ersatzsache zu übernehmen.
  • Oberlandesgericht (OLG) Koblenz, Urteil vom 19.12.2019, Az. 1 U 731/19: Das OLG Koblenz stellte klar, dass der Käufer bei einem Gebrauchtwagenkauf nicht verpflichtet ist, dem Verkäufer mehrere Nachbesserungsversuche zuzugestehen, bevor er weitere Rechte (Rücktritt, Minderung, Schadensersatz) geltend machen kann.
  • BGH, Urteil vom 15.03.2017, Az. VIII ZR 270/15: Der BGH entschied, dass der Käufer einer mangelhaften Sache grundsätzlich die Wahl zwischen zwei Nacherfüllungsarten hat (§ 439 Abs. 1 BGB). Jedoch kann der Verkäufer die gewählte Art der Nacherfüllung unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. unverhältnismäßige Kosten) verweigern und auf die andere Art der Nacherfüllung verweisen.
  • OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.02.2020, Az. 22 U 34/19: Das OLG Düsseldorf entschied, dass der Käufer bei einer Nacherfüllung wegen eines Mangels an einer gekauften Sache grundsätzlich kein Recht auf Schadensersatz wegen Nutzungsausfall hat, solange er die Sache trotz des Mangels nutzen kann.

Häufig gestellte Fragen (FAQs) zur Nacherfüllung

Kann ich bei einem Gebrauchtwagenkauf auch Nacherfüllung verlangen?

Ja, auch beim Kauf eines Gebrauchtwagens haben Sie grundsätzlich einen Anspruch auf Nacherfüllung, wenn ein Mangel vorliegt. Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beträgt auch bei Gebrauchtwagen grundsätzlich zwei Jahre, kann aber vertraglich auf mindestens ein Jahr verkürzt werden (§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 BGB).

Muss ich dem Verkäufer mehrere Nachbesserungsversuche zugestehen?

Nein, grundsätzlich sind Sie als Käufer nicht verpflichtet, dem Verkäufer mehrere Nachbesserungsversuche zuzugestehen, bevor Sie weitere Rechte (z. B. Rücktritt, Minderung, Schadensersatz) geltend machen können. Allerdings kann es im Einzelfall – abhängig von der Art des Mangels und der Schwierigkeit der Mangelbeseitigung – geboten sein, dem Verkäufer zumindest einen zweiten Nachbesserungsversuch zuzugestehen.

Kann ich vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn die Nacherfüllung fehlschlägt?

Ja, wenn die gewählte Art der Nacherfüllung (Mangelbeseitigung oder Ersatzlieferung) fehlschlägt, kann der Käufer unter bestimmten Voraussetzungen vom Kaufvertrag zurücktreten. Hierfür muss der Mangel erheblich sein und der Verkäufer muss die Nacherfüllung entweder ernsthaft und endgültig verweigert oder trotz angemessener Fristsetzung nicht fristgerecht erbracht haben (§ 323 BGB).

Kann ich Schadensersatz verlangen, wenn die Nacherfüllung nicht möglich ist?

Wenn die Nacherfüllung nicht möglich oder unverhältnismäßig ist, kann der Käufer unter Umständen Schadensersatz statt der Leistung verlangen (§ 280 Abs. 1, Abs. 3, § 281 BGB). Voraussetzung hierfür ist, dass der Verkäufer den Mangel zu vertreten hat, also z. B. bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Der Anspruch auf Schadensersatz umfasst dabei grundsätzlich auch den Ersatz entgangenen Gewinns und sonstiger Vermögensnachteile.

Muss ich die Kosten für den Ausbau der mangelhaften Sache und den Einbau der Ersatzsache selbst tragen?

Nein, nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 24.10.2018, Az. VIII ZR 66/18) ist der Verkäufer bei einer berechtigten Nacherfüllungsforderung des Käufers verpflichtet, die Kosten für den Ausbau der mangelhaften Sache und den Einbau der Ersatzsache zu übernehmen.

Fazit

Die Nacherfüllung ist ein wichtiges Recht des Käufers bei Vorliegen eines Mangels an der gekauften Sache oder Dienstleistung. Die rechtlichen Grundlagen und Fristen sind im BGB geregelt und bieten dem Verbraucher Schutz und Sicherheit. Durch die Kenntnis der aktuellen Rechtsprechung und der häufig gestellten Fragen können Sie als Käufer Ihre Rechte besser durchsetzen und von einem Verkäufer oder Hersteller die Beseitigung von Mängeln oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Sollten Sie weitere Fragen zur Nacherfüllung haben oder rechtliche Unterstützung benötigen, empfiehlt es sich, einen erfahrenen Rechtsanwalt zu konsultieren.

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