Das Nachprüfungsverfahren ist ein wenig bekanntes, aber wichtiges Instrument des deutschen Vergaberechts. Es dient dem Schutz der Bieterinteressen sowie der Transparenz und Fairness im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe. In diesem ausführlichen Blog-Beitrag werden wir den Zweck, die Anwendungsbereiche, die gesetzlichen Grundlagen und die wichtigsten aktuellen Gerichtsurteile rund um das Nachprüfungsverfahren erörtern. Wir werden auch häufig gestellte Fragen zum Thema beantworten und die Rolle von Rechtsanwälten in solchen Verfahren erläutern. Der Artikel ist für Bieter, öffentliche Auftraggeber und Rechtsanwälte gleichermaßen relevant.

Was ist das Nachprüfungsverfahren?

Das Nachprüfungsverfahren, auch Vergabekontrollverfahren genannt, ist ein gerichtliches Verfahren, das im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe in Deutschland eingeleitet werden kann. Es ermöglicht Bietern, die sich durch die Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber benachteiligt oder diskriminiert fühlen, ihre Rechte geltend zu machen und eine Überprüfung der betreffenden Vergabeentscheidung zu verlangen. Das Verfahren zielt darauf ab, die Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften sicherzustellen und die Transparenz, Fairness sowie den Wettbewerb bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen zu gewährleisten.

Gesetzliche Grundlagen des Nachprüfungsverfahrens

Das Nachprüfungsverfahren ist in Deutschland im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), in der Vergabeverordnung (VgV) und in den vergabespezifischen Regelungen der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) und der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) verankert. Die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen sind:

  • GWB, § 155 ff. – Regelungen über das Vergaberecht und das Nachprüfungsverfahren
  • VgV, § 18 ff. – Durchführung der Vergabekontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen (Vergabekammern und Vergabesenate)
  • UVgO, § 20 – Nachprüfungsverfahren bei Unterschwellenvergaben
  • VOB/A, § 6 – Vergabekontrollverfahren bei Bauleistungen

Zweck des Nachprüfungsverfahrens

Das Nachprüfungsverfahren dient dazu, mögliche Rechtsverstöße durch öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Auftragsvergabe aufzudecken und zu ahnden. Dabei verfolgt es drei Hauptziele:

  1. Rechtsschutz für benachteiligte und diskriminierte Bieter
  2. Transparenz und Fairness in der öffentlichen Auftragsvergabe
  3. Sicherstellung des Wettbewerbs und der Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften

Durch das Nachprüfungsverfahren haben benachteiligte und diskriminierte Bieter die Möglichkeit, ihre Rechte geltend zu machen und eine gerichtliche Überprüfung und Korrektur von Vergabeentscheidungen zu erreichen. Das Verfahren trägt daher zum Schutz der Bieterinteressen bei und sorgt gleichzeitig für ein hohes Maß an Transparenz und Fairness in der öffentlichen Auftragsvergabe. Darüber hinaus dient es der Sicherstellung des Wettbewerbs und der Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften, indem es rechtswidrige Vergaben aufdeckt und ahndet.

Anwendungsbereiche des Nachprüfungsverfahrens

Das Nachprüfungsverfahren kommt in verschiedenen Bereichen der öffentlichen Auftragsvergabe zur Anwendung:

Oberschwellenbereich: Bei Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte ist das Nachprüfungsverfahren gemäß den Vorschriften des GWB und der VgV anwendbar. Bieter können Verstöße gegen die vergaberechtlichen Vorschriften, die sich auf das Vergabeverfahren oder den Zuschlag auswirken, einer Nachprüfung durch die zuständigen Vergabekammern und Vergabesenate unterziehen lassen.

Unterschwellenbereich: Bei Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte können Nachprüfungsverfahren nach den Regelungen der UVgO bzw. der VOB/A durchgeführt werden. Bieter können sich an die jeweiligen bundes- oder landesrechtlich vorgesehenen Behörden wenden, um eine Überprüfung von Vergabeentscheidungen zu verlangen.

Sektorenauftraggeber: Für Verstöße durch Sektorenauftraggeber in den Bereichen Energie, Wasser und Verkehr können Bieter ebenfalls das Nachprüfungsverfahren gemäß den Vorschriften des GWB und der VgV in Anspruch nehmen.

Konzessionsvergaben: Bieter, die sich durch Entscheidungen von Konzessionsgebern benachteiligt oder diskriminiert fühlen, können ebenfalls ein Nachprüfungsverfahren initiieren, das auf der Grundlage der Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) durchgeführt werden muss.

Ablauf und Fristen des Nachprüfungsverfahrens

Ein Nachprüfungsverfahren besteht grundsätzlich aus zwei Stufen:

  1. Erstinstanzliches Verfahren: Bei Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte wird das Verfahren in der Regel vor der zuständigen Vergabekammer eingeleitet (§ 160 GWB). In diesem Verfahren prüfen die Mitglieder der Vergabekammer die Vergabeentscheidung des Auftraggebers nach Maßgabe der geltenden Rechtsvorschriften. Bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte wenden sich die Bieter an die jeweils zuständige Behörde (z. B. die Kommunale Vergabekontrolle).
  2. Zweite Instanz: Fühlen sich die Beteiligten durch die Entscheidung der Vergabekammer benachteiligt oder halten sie die Entscheidung für unvollständig, können sie innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung einen Rechtsmittel (§§ 171, 172 GWB) beim hierfür zuständigen Vergabesenat einlegen.

Beachten Sie, dass die Einhaltung der Fristen im Nachprüfungsverfahren von entscheidender Bedeutung ist:

  • Ein Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens muss innerhalb von 10 Kalendertagen nach Kenntnis des Vergaberechtsverstoßes gestellt werden (§ 160 Abs. 3 GWB).
  • Die Vergabekammer entscheidet innerhalb von fünf Wochen über den Antrag (§ 167 Abs. 1 GWB).
  • In Eilverfahren kann die Vergabekammer unter bestimmten Voraussetzungen innerhalb von zwei Wochen entscheiden (§ 168 Abs. 1 GWB).

Spezielle Aspekte des Nachprüfungsverfahrens

Im Folgenden werden einige spezielle Aspekte des Nachprüfungsverfahrens näher beleuchtet, die weitere Informationen und Einsichten bieten:

Eilbedürftigkeit im Nachprüfungsverfahren

In einigen Fällen kann die Dringlichkeit einer schnellen Entscheidung im Nachprüfungsverfahren eine wichtige Rolle spielen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Ausführung des Projekts von öffentlichem Interesse ist oder in zeitlicher Hinsicht aufgrund besonderer Umstände dringend notwendig erscheint. In solchen Fällen kann von der Vergabekammer ein Eilverfahren durchgeführt werden, bei dem eine Entscheidung innerhalb von zwei Wochen getroffen werden muss (§ 168 Abs. 1 GWB).

Unterschiede zwischen Nachprüfungsverfahren und Schadensersatzansprüchen

Während das Nachprüfungsverfahren darauf abzielt, die Rechtmäßigkeit der Vergabeentscheidung zu überprüfen, besteht im Zusammenhang mit der Vergabe von öffentlichen Aufträgen auch die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs. Ein solcher Schadensersatzanspruch kann von einem Bieter geltend gemacht werden, wenn er durch eine rechtswidrige Vergabeentscheidung einen Schaden erlitten hat. Hierbei kann es sich beispielsweise um entgangenen Gewinn oder Aufwandsentschädigung für die Erstellung des Angebots handeln. Schadenersatzansprüche unterliegen jedoch anderen rechtlichen Anforderungen und Verfahren als das Nachprüfungsverfahren und sind in der Regel vom Zivilgericht zu klären.

Die Rolle der Vergabekammern

Die Vergabekammern sind spezialisierte Behörden, die für die gerichtliche Überprüfung der Vergabeentscheidungen zuständig sind. In Deutschland gibt es sowohl beim Bundeskartellamt als auch bei den Landeskartellbehörden eigene Vergabekammern. Die Vergabekammern haben die Befugnis, die Rechtmäßigkeit der Vergabeentscheidung zu überprüfen und – falls erforderlich – Abhilfemaßnahmen anzuordnen oder die Entscheidungen aufzuheben.

Zu den Hauptaufgaben der Vergabekammern gehört die Sicherstellung der Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften und der Transparenz bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Dabei können sie sowohl von Amts wegen als auch auf Antrag eines betroffenen Bieters tätig werden.

Der Rechtsschutz im europäischen Vergaberecht

Da die öffentliche Auftragsvergabe in der Europäischen Union durch gemeinsame Regelungen und Grundsätze geprägt ist, stellt das Nachprüfungsverfahren auch im europäischen Kontext ein wichtiges Instrument zur Sicherstellung der Transparenz, Fairness und des Wettbewerbs dar. So findet das deutsche Nachprüfungsverfahren auch im europäischen Vergaberecht Anwendung und ist an die Vorgaben der EU-Richtlinien und -Verordnungen angepasst.

Auf europäischer Ebene können Bieter zudem auch die Europäische Kommission und den Europäischen Gerichtshof als Beschwerdeinstanzen nutzen, falls sie der Ansicht sind, dass ein Mitgliedstaat gegen die vergaberechtlichen Vorschriften der Europäischen Union verstoßen hat. Der Rechtsschutz im europäischen Vergaberecht ist somit mehrstufig und bietet den beteiligten Marktteilnehmern umfangreiche Möglichkeiten, ihre Interessen geltend zu machen.

Ausblick und Entwicklungen

Die Rechtsprechung und Gesetzgebung im Bereich des Nachprüfungsverfahrens befinden sich in einem ständigen Wandel, um aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen in der Praxis Rechnung zu tragen. In den letzten Jahren hat es beispielsweise Initiativen gegeben, um das Nachprüfungsverfahren in bestimmten Bereichen zu straffen, z.B. durch kürzere Fristen oder die Verlagerung von Entscheidungskompetenzen.

Auch auf europäischer Ebene ist es wahrscheinlich, dass der Rechtsschutz im öffentlichen Vergaberecht weiterentwickelt und harmonisiert wird. Die Europäische Kommission arbeitet kontinuierlich an der Verbesserung und Anpassung der gemeinsamen Regelungen und Grundsätze und kann dabei auch auf bisherige Erfahrungen aus Mitgliedstaaten wie Deutschland zurückgreifen. Daher sollten Rechtsanwälte, Bieter und öffentliche Auftraggeber die Entwicklungen im Bereich des Nachprüfungsverfahrens stets im Auge behalten, um ihre Praxis entsprechend anpassen zu können.

Aktuelle Gerichtsurteile zum Nachprüfungsverfahren

Die Rechtsprechung zum Nachprüfungsverfahren ist sehr umfangreich und vielfältig. Nachfolgend finden Sie einige ausgewählte Urteile, die die verschiedenen Facetten des Verfahrens beleuchten:

  • Bundeskartellamt: In einer Entscheidung aus dem Jahr 2020 hat das Bundeskartellamt ein Nachprüfungsverfahren zum ersten Mal zugunsten eines öffentlichen Auftraggebers abgeschlossen (Az. VK 2/19). Die Behörde war der Ansicht, dass der Auftraggeber seine Entscheidung richtig getroffen und keine Rechtsverstöße begangen hatte.
  • Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf: In einem Urteil aus dem Jahr 2019 entschied das OLG Düsseldorf, dass das Nachprüfungsverfahren auch für Konzessionsverträge anwendbar ist (Az. VII-Verg 34/18). Das Gericht stellte klar, dass Nachprüfungsverfahren sowohl für Dienstleistungskonzessionsverträge als auch für Baukonzessionsverträge eingeleitet werden können.
  • OLG München: Das OLG München hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2018 klargestellt, dass die 10-Tages-Frist für die Einreichung eines Nachprüfungsantrags auch dann gilt, wenn der Antragsteller zunächst erfolglos versucht hat, beim Auftraggeber eine einvernehmliche Lösung zu finden (Az. Verg 15/17).
  • OLG Celle: In einem Urteil aus dem Jahr 2017 hat das OLG Celle entschieden, dass ein Nachprüfungsverfahren auch noch während des laufenden Vergabeverfahrens eingeleitet werden kann, wenn der Antragsteller sich aufgrund einer fehlerhaften Bekanntmachung rechtswidrig ausgeschlossen fühlt (Az. 13 Verg 2/17).

FAQs zum Nachprüfungsverfahren

In diesem Abschnitt beantworten wir einige häufig gestellte Fragen zum Nachprüfungsverfahren:

Kann ich ein Nachprüfungsverfahren ohne anwaltliche Unterstützung durchführen?

Grundsätzlich steht es Ihnen frei, ob Sie im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens rechtlichen Beistand in Anspruch nehmen möchten oder nicht. Es ist jedoch zu beachten, dass das Nachprüfungsverfahren sehr komplex ist und eine genaue Kenntnis der gesetzlichen Rahmenbedingungen erfordert. Daher empfiehlt es sich, die Unterstützung eines erfahrenen Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen, um Ihre Chancen auf Erfolg zu maximieren.

Wer trägt die Kosten eines Nachprüfungsverfahrens?

Die Kosten eines Nachprüfungsverfahrens werden im Wesentlichen nach dem Verursacherprinzip verteilt. Das bedeutet, dass die Partei, die das Verfahren veranlasst hat, in der Regel auch für die entstehenden Kosten aufkommen muss. Sollte allerdings der Auftraggeber einem Vergaberechtsverstoß für schuldig befunden werden, kann er zur Übernahme der Verfahrenskosten verpflichtet werden. Dazu zählen auch die Kosten des Rechtsanwalts des Antragstellers.

Was sind die möglichen Auswirkungen eines erfolgreichen Nachprüfungsverfahrens?

Ein erfolgreiches Nachprüfungsverfahren kann verschiedene Auswirkungen haben, je nachdem, welchen Verstoß der Auftraggeber begangen hat. Dazu können unter anderem gehören:

  • Aufhebung der Vergabeentscheidung
  • erneute Durchführung des Vergabeverfahrens unter Beachtung der vergaberechtlichen Vorschriften
  • Zuschlag an den erfolgreichen Antragsteller
  • Verpflichtung des Auftraggebers zur Leistung von Schadensersatz

Ein erfolgreicher Antrag kann jedoch keine Garantie dafür sein, dass der Antragsteller letztendlich auch den Zuschlag erhält. Vielmehr geht es im Nachprüfungsverfahren primär um die Aufdeckung und Richtigstellung von Rechtsverstößen im Vergabeverfahren.

Fazit

Das Nachprüfungsverfahren ist ein wichtiges Instrument, mit dem Bieter ihre Rechte im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe durchsetzen und die Transparenz und Fairness bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen gewährleisten können. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und Fristen ist dabei von entscheidender Bedeutung. Um Ihre Chancen auf Erfolg zu erhöhen, sollten Sie die Unterstützung eines erfahrenen Rechtsanwalts in Betracht ziehen. Dieser kann Sie im gesamten Verfahren kompetent beraten und vertreten.

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