Das deutsche Rechtssystem stellt verschiedene Wege zur Verfügung, um gegen als ungerecht empfundene Urteile vorzugehen und eine Revision des Falls vor einer höheren Instanz zu erreichen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist einer dieser Wege, und wenn Sie sich in einer Situation befinden, in der Sie eine weitere Überprüfung Ihres Falles wünschen, ist es entscheidend, die Funktionsweise, Anforderungen und möglichen Ergebnisse dieses Prozesses zu verstehen.

In diesem umfassenden Blogbeitrag erhalten Sie wertvollen Einblick und praktische Ratschläge aus Sicht eines erfahrenen Rechtsanwalts, der sich auf das Zivilrecht spezialisiert hat. Wir werden uns eingängig mit den rechtlichen Grundlagen der Nichtzulassungsbeschwerde befassen und Beispiele, Gesetze und aktuelle Gerichtsurteile heranziehen, um Ihnen bei der Entscheidungsfindung zu helfen.

Inhaltsübersicht

  • Grundlagen der Nichtzulassungsbeschwerde
  • Voraussetzungen und Fristen für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde
  • Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde
  • Beispiele und aktuelle Gerichtsurteile
  • Häufige Fallstricke und wie sie vermieden werden können
  • FAQs zur Nichtzulassungsbeschwerde
  • Fazit

Grundlagen der Nichtzulassungsbeschwerde

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist ein Rechtsmittel, das in deutschen Zivil- und Arbeitsgerichtsverfahren zur Verfügung steht. Es ermöglicht den Parteien, gegen die Nichtzulassung der Revision in Urteilen vorzugehen, die von bestimmten Gerichten in der zweiten Instanz erlassen wurden. Die Nichtzulassungsbeschwerde wird vor dem Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt und kann dazu führen, dass die zuvor verweigerte Revision zugelassen wird.

Ein entscheidendes Merkmal der Nichtzulassungsbeschwerde ist, dass sie keine Überprüfung der Rechtsprechung ermöglicht. Das heißt, der BGH überprüft nicht die Sach- und Rechtslage des Falles, sondern überprüft lediglich, ob die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision vorliegen.

Voraussetzungen und Fristen für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde

Bevor Sie eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen, ist es wichtig, sicherzustellen, dass die Voraussetzungen für dieses Rechtsmittel erfüllt sind. In der deutschen Zivilprozessordnung (ZPO) sind die Anforderungen und Fristen für die Nichtzulassungsbeschwerde in den §§ 544 und 545 geregelt.

Es gibt drei Hauptkriterien, die für eine erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde erfüllt sein müssen:

  • Das betroffene Urteil muss von einem der folgenden Gerichte in der zweiten Instanz erlassen worden sein: Landgericht (LG), Oberlandesgericht (OLG) oder Kammer für Handelssachen.
  • Die Revision muss in dem betreffenden Urteil ausdrücklich nicht zugelassen worden sein. Wenn das Urteil dazu schweigt oder die Revision generell zulässt, ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig.
  • Gesetzliche Voraussetzungen sind erfüllt. Die Beschwerde ist zulässig, wenn einer der folgenden Gründe vorliegt: Entscheidungen grundsätzlicher Bedeutung, Abweichung von bisheriger Rechtsprechung oder wenn das Berufungsurteil auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht.

Die Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beträgt in der Regel einen Monat ab Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, unter Umständen kann diese Frist auf zwei Monate verlängert werden. Die Begründungsfrist beträgt zwei weitere Monate.

Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde

Nachdem Sie die Voraussetzungen für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde geprüft haben, können Sie die Beschwerde vor dem BGH einreichen. Zunächst wird das Gericht prüfen, ob die Beschwerde zulässig ist. Wenn das Gericht die Beschwerde für zulässig hält, wird es prüfen, ob auch die dargelegten Gründe den Anforderungen der ZPO genügen und somit die Revision zulassen.

Wenn der BGH die Revision zulässt, wird das Verfahren an das ursprüngliche Gericht zurückverwiesen, welches das Verfahren erneut aufnimmt und alle notwendigen Schritte zur Durchführung der Revision unternimmt.

Sollte der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisen, wird das Urteil rechtskräftig und die Parteien haben keine weiteren Rechtsmittel mehr zur Verfügung.

Beispiele und aktuelle Gerichtsurteile

Es gibt zahlreiche Beispiele und aktuelle Urteile, die die Anwendung der Nichtzulassungsbeschwerde in der Praxis veranschaulichen:

  • Fall 1: In einem Fall aus dem Jahr 2020 hat der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde eines Beklagten im Zusammenhang mit einem Bauvertrag zurückgewiesen (Az. VII ZR 59/19). Die Bewertung grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und die Rüge einer fehlerhaften Anwendung von Rechtsnormen durch das Berufungsgericht konnten nicht die Zulassung der Revision rechtfertigen.
  • Fall 2: In einem anderen Fall aus dem Jahr 2019 hob der BGH das Berufungsurteil eines OLG im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes auf, nachdem die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten Erfolg hatte (Az. I ZR 59/18). Der BGH stellte fest, dass das OLG von einer ständigen Rechtsprechung abgewichen war und ein grundsätzlicher Klärungsbedarf bestand.
  • Fall 3: Im Jahr 2021 beschäftigte sich der BGH mit einer Nichtzulassungsbeschwerde im Zusammenhang mit einer Schadensersatzforderung aufgrund fehlerhafter Anlageberatung (Az. III ZR 95/20). Der BGH gewährte die Revision aufgrund eines ordnungsgemäßen Vortrags der Beschwerdegründe und ermöglichte damit eine weitere Überprüfung der Rechtsprechung.

Häufige Fallstricke und wie sie vermieden werden können

Bei der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde kann es zu Fallstricken kommen, die eine erfolgreiche Fortführung des Verfahrens gefährden. Um dies zu vermeiden, sollten Sie die folgenden Tipps beachten:

  • Genau prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind: Stellen Sie sicher, dass die Voraussetzungen für eine Nichtzulassungsbeschwerde erfüllt sind, bevor Sie sie einreichen. Andernfalls wird das Gericht Ihre Beschwerde als unzulässig betrachten und zurückweisen.
  • Einhalten der Fristen: Versäumen Sie keine Fristen, da dies dazu führen kann, dass Ihre Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig wird. Stellen Sie sicher, dass Sie sowohl die Beschwerde- als auch die Begründungsfrist einhalten.
  • Form und Inhalt der Beschwerdebegründung beachten: Die Begründung Ihrer Nichtzulassungsbeschwerde muss den formalen Anforderungen der ZPO entsprechen und die maßgeblichen Gründe für die Revision darlegen. Eine unzureichend begründete Beschwerde wird vom Gericht zurückgewiesen.
  • Anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen: Konsultieren Sie einen erfahrenen Rechtsanwalt, um sicherzustellen, dass Ihre Nichtzulassungsbeschwerde den gesetzlichen Anforderungen entspricht und bestmögliche Erfolgsaussichten hat.

FAQs zur Nichtzulassungsbeschwerde

Wann ist eine Nichtzulassungsbeschwerde möglich?

Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist möglich, wenn das angefochtene Urteil von einem Landgericht, Oberlandesgericht oder einer Kammer für Handelssachen in der zweiten Instanz erlassen wurde, die Revision nicht zugelassen wurde, und die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Was sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde?

Zu den Voraussetzungen für eine erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde gehören grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung oder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Parteien.

Wie lange dauert das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde?

Die Dauer des Verfahrens hängt von der Komplexität des Falles, der Arbeitsbelastung des Gerichts und anderen Faktoren ab. Im Durchschnitt kann das Verfahren zwischen sechs Monaten und mehreren Jahren dauern.

Was kann ich tun, wenn meine Nichtzulassungsbeschwerde abgelehnt wird?

Wenn Ihre Nichtzulassungsbeschwerde abgelehnt wird, wird das Urteil rechtskräftig, und es stehen Ihnen keine weiteren Rechtsmittel mehr zur Verfügung. In diesem Fall sollten Sie Rücksprache mit Ihrem Rechtsanwalt halten, um Ihre Optionen zu besprechen und mögliche Schritte zur Schadensbegrenzung zu ergreifen.

Wieviel kostet eine Nichtzulassungsbeschwerde?

Die Kosten für eine Nichtzulassungsbeschwerde variieren je nach Einzelfall und können Gebühren für den Rechtsanwalt und dritte Experten, Gerichtskosten und möglicherweise auch Kosten für die Gegenseite, wenn die Beschwerde erfolglos ist, umfassen. Um eine Vorstellung von den potenziellen Kosten zu erhalten, sollten Sie einen Rechtsanwalt konsultieren, der auf Nichtzulassungsbeschwerden spezialisiert ist.

Kann eine Nichtzulassungsbeschwerde in strafrechtlichen Verfahren eingelegt werden?

Nein, die Nichtzulassungsbeschwerde ist ausschließlich im Zivil- und Arbeitsrecht anwendbar. Im Strafrecht gibt es eigene Rechtsmittel, wie die Revision oder die Anhörungsrüge.

Fazit

Die Nichtzulassungsbeschwerde stellt einen wichtigen Rechtsbehelf im deutschen Rechtssystem dar, der es ermöglicht, eine Überprüfung von Urteilen der zweiten Instanz vor einer höheren Instanz – dem Bundesgerichtshof – zu erreichen. Es ist von entscheidender Bedeutung, die rechtlichen Voraussetzungen, Fristen und das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde zu verstehen, um die bestmöglichen Erfolgsaussichten für Ihren Fall zu erzielen.

Wenn Sie in einer Situation sind, in der Sie eine weitere Überprüfung Ihres Falles wünschen, sollten Sie die Hilfe eines erfahrenen Rechtsanwalts in Anspruch nehmen, um sicherzustellen, dass Ihre Nichtzulassungsbeschwerde den gesetzlichen Anforderungen entspricht und bestmögliche Erfolgsaussichten hat.

Wir hoffen, dass dieser Blogbeitrag Ihnen wertvolle Informationen und praktische Ratschläge zur Verfügung stellen konnte. Sollten Sie weitere Fragen haben, zögern Sie nicht, sich an einen erfahrenen Rechtsanwalt zu wenden, der in diesem Bereich spezialisiert ist.

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