Die Produkthaftung im Zivilrecht ist ein komplexes Thema, das für Hersteller, Händler und Verbraucher gleichermaßen von großer Bedeutung ist. In diesem umfassenden Blog-Beitrag erfahren Sie, welche Rechte und Pflichten für Hersteller und Händler im Bereich der Produkthaftung im deutschen Zivilrecht gelten, welche Gesetze und Gerichtsurteile die Grundlage für die Rechtsprechung bilden und wie Sie im Fall eines Schadens richtig vorgehen. Zudem werden häufig gestellte Fragen zum Thema beantwortet und praxisnahe Beispiele gegeben.

Inhaltsverzeichnis

Gesetzliche Grundlagen der Produkthaftung

Die rechtlichen Grundlagen der Produkthaftung finden sich in verschiedenen Gesetzen und Vorschriften wieder. Die wichtigsten sind:

  • Das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG): Es regelt die zivilrechtliche Haftung für fehlerhafte Produkte und stellt Hersteller und Händler in die Pflicht, für Schäden aufzukommen, die durch ihre Produkte verursacht werden.
  • Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB): Hier sind insbesondere die §§ 434 ff. (Sachmängelhaftung) und §§ 280 ff. (Schadensersatz) relevant.
  • Die Europäische Richtlinie 85/374/EWG: Sie bildet die Grundlage für das Produkthaftungsgesetz und soll einen einheitlichen Rechtsrahmen für die Produkthaftung in der Europäischen Union schaffen.

Darüber hinaus können auch branchenspezifische Vorschriften und Normen, wie beispielsweise das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) oder die Maschinenverordnung (9. ProdSV), für die Beurteilung einer Produkthaftung relevant sein.

Pflichten von Herstellern und Händlern

Die Produkthaftung betrifft grundsätzlich sowohl Hersteller als auch Händler von Waren. Beide haben eine Vielzahl von Pflichten zu erfüllen, um die Sicherheit der Verbraucher zu gewährleisten und sich vor Haftungsansprüchen zu schützen. Hierzu zählen:

  • Produkte, die frei von Fehlern und Mängeln sind, herzustellen bzw. zu vertreiben.
  • Die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, Normen und Standards sicherzustellen.
  • Produkte ausreichend zu kontrollieren und zu prüfen, bevor sie in den Verkehr gebracht werden.
  • Verbraucher über mögliche Risiken und Gefahren, die von einem Produkt ausgehen können, aufzuklären und entsprechende Warnhinweise anzubringen.
  • Die Rückverfolgbarkeit der Produkte sicherzustellen, um im Falle eines Fehlers oder einer fehlerhaften Charge schnell reagieren zu können.
  • Bei Bekanntwerden von Fehlern oder Gefahren unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um weitere Schäden zu verhindern, z. B. durch Rückrufaktionen oder Änderungen am Produkt.

Dabei ist zu beachten, dass Händler und Hersteller in unterschiedlichem Maße für ihre Produkte haften können. Während der Hersteller in der Regel eine umfassendere Haftung trägt, kann auch der Händler in bestimmten Fällen in die Haftung genommen werden, etwa wenn er Kenntnis von einem Produktmangel hatte oder das Produkt selbst hergestellt hat.

Haftungsvoraussetzungen und Haftungsausschluss

Im Rahmen der Produkthaftung müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit Hersteller oder Händler für einen Schaden haften. Hierzu zählen:

  • Vorliegen eines Produktfehlers: Ein Produkt gilt als fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner Darbietung, des Gebrauchs, zu dem es bestimmt ist, und des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden kann.
  • Verursachung eines Personen- oder Sachschadens: Der Geschädigte muss nachweisen, dass der Produktfehler zu einem Personen- oder Sachschaden geführt hat. Reine Vermögensschäden sind von der Haftung ausgeschlossen.
  • Kausalzusammenhang: Es muss ein Zusammenhang zwischen dem Produktfehler und dem eingetretenen Schaden bestehen.

Unter bestimmten Umständen kann eine Haftung jedoch ausgeschlossen oder eingeschränkt sein. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn:

  • Der Hersteller nachweisen kann, dass der Fehler erst nach dem Inverkehrbringen des Produkts entstanden ist.
  • Der Hersteller das Produkt nicht für den Verkauf oder eine sonstige Form des Verbrauchs hergestellt hat.
  • Der Fehler aufgrund zwingender Rechtsvorschriften eingetreten ist.
  • Der Geschädigte den Schaden durch eigenes schuldhaftes Verhalten (z. B. unsachgemäßer Gebrauch) mitverursacht hat.

Schadensersatz und Haftungshöhe

Im Falle einer erfolgreichen Geltendmachung von Produkthaftungsansprüchen hat der Geschädigte grundsätzlich Anspruch auf Schadensersatz. Dieser kann verschiedene Positionen umfassen, wie z. B.:

  • Behandlungskosten bei Personenschäden
  • Reparaturkosten oder Wertminderung bei Sachschäden
  • Schmerzensgeld bei Personenschäden
  • Entgangener Gewinn bei Sachschäden

Die Höhe des Schadensersatzes hängt dabei von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Es ist jedoch zu beachten, dass das Produkthaftungsgesetz eine Haftungshöchstgrenze von 85 Millionen Euro für Personenschäden vorsieht.

Zudem gibt es eine Verjährungsfrist von drei Jahren ab Kenntnis des Schadens und des Schädigers. Spätestens zehn Jahre nach Inverkehrbringen des Produkts erlischt der Anspruch auf Schadensersatz im Rahmen der Produkthaftung.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Produkthaftung

Im Folgenden finden Sie eine Auswahl an aktuellen Gerichtsurteilen, die das Thema Produkthaftung im Zivilrecht betreffen und einen Einblick in die aktuelle Rechtsprechung geben:

Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 9. Juni 2020, Az. VI ZR 252/19: In diesem Fall ging es um die Frage, ob ein Autokäufer Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Zusammenhang mit dem sogenannten „Diesel-Skandal“ hat. Der BGH entschied, dass der Autokäufer einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Hersteller hat, da dieser vorsätzlich eine unzulässige Abschalteinrichtung in den Motor des Fahrzeugs eingebaut hatte.

Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main, Urteil vom 27. Februar 2020, Az. 6 U 67/19: Hier stand die Frage im Raum, ob ein Hersteller von Medizinprodukten für einen fehlerhaften Herzschrittmacher haftet. Das Gericht entschied, dass der Hersteller aufgrund des Produktfehlers haftet und der Patient einen Anspruch auf Schadensersatz hat.

Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 8. Mai 2019, Az. VIII ZR 180/18: In diesem Fall wurde die Frage geklärt, ob ein Händler bei einem Verkauf von Elektrogeräten verpflichtet ist, auf die Gefahr von Fehlfunktionen durch Software-Updates hinzuweisen. Der BGH entschied, dass der Händler nicht generell auf mögliche Fehler durch Software-Updates hinweisen muss, aber im konkreten Fall eine Aufklärungspflichtverletzung vorlag, da der Händler die fehlerhafte Software bereits kannte.

FAQs zur Produkthaftung

Im Folgenden finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Thema Produkthaftung im Zivilrecht:

Was ist der Unterschied zwischen Produkthaftung und Gewährleistung?

Die Produkthaftung betrifft die Schadensersatzansprüche von Geschädigten aufgrund von fehlerhaften Produkten, während die Gewährleistung die gesetzlich geregelte Haftung des Verkäufers für Mängel der verkauften Sache betrifft. Bei der Gewährleistung geht es in erster Linie um die Nachbesserung oder den Austausch mangelhafter Produkte, während bei der Produkthaftung der Schadensersatz im Vordergrund steht.

Kann ich als Verbraucher direkt gegen den Hersteller vorgehen?

Ja, das Produkthaftungsgesetz ermöglicht es Verbrauchern, direkt gegen den Hersteller Schadensersatzansprüche geltend zu machen, wenn ein fehlerhaftes Produkt einen Personen- oder Sachschaden verursacht hat. Dabei ist zu beachten, dass der Hersteller häufig eine umfassendere Haftung trägt als der Händler.

Wie kann ich mich als Hersteller oder Händler vor Haftungsansprüchen schützen?

Hersteller und Händler sollten in erster Linie dafür sorgen, dass ihre Produkte frei von Fehlern und Mängeln sind und gesetzliche Vorgaben sowie branchenspezifische Normen und Standards eingehalten werden. Darüber hinaus empfiehlt es sich, umfassende Qualitätskontrollen durchzuführen, Verbraucher über mögliche Risiken und Gefahren aufzuklären und eine ausreichende Produkthaftpflichtversicherung abzuschließen.

Wie lange habe ich als Geschädigter Zeit, um Schadensersatzansprüche geltend zu machen?

Die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche im Rahmen der Produkthaftung beträgt grundsätzlich drei Jahre ab Kenntnis des Schadens und des Schädigers. Spätestens zehn Jahre nach Inverkehrbringen des Produkts erlischt der Anspruch auf Schadensersatz.

Gibt es eine Haftungshöchstgrenze bei der Produkthaftung?

Ja, das Produkthaftungsgesetz sieht eine Haftungshöchstgrenze von 85 Millionen Euro für Personenschäden vor. Für Sachschäden gibt es keine gesetzlich festgelegte Haftungshöchstgrenze, allerdings kann die Haftung in Einzelfällen durch vertragliche Vereinbarungen begrenzt werden.

Schlusswort zur Produkthaftung

Die Produkthaftung im Zivilrecht ist ein komplexes und bedeutsames Thema für Hersteller, Händler und Verbraucher. Die Kenntnis der rechtlichen Grundlagen, der Rechte und Pflichten sowie der aktuellen Rechtsprechung ist essentiell, um rechtliche Risiken zu minimieren und im Falle eines Schadens adäquat zu handeln. Bei Unsicherheiten oder konkreten Fragen empfiehlt es sich, die Beratung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen.

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