In diesem Blog-Beitrag informieren wir Sie umfassend über das Ruhen des Verfahrens – eine besondere Situation im Zivil-, Straf- und Verwaltungsrecht. Wir beleuchten dabei die rechtlichen Hintergründe, zeigen mögliche Gründe für das Ruhen des Verfahrens auf, erläutern den Ablauf der Entscheidung und gehen auf die möglichen Folgen für die beteiligten Parteien ein. Im Anschluss beantworten wir die am häufigsten gestellten Fragen (FAQs) zu diesem Thema.

Rechtliche Grundlagen und Voraussetzungen

Das Ruhen des Verfahrens ist eine Aussetzung oder Unterbrechung eines gerichtlichen Verfahrens in bestimmten Fällen und auf Zeit, bei der keine prozessualen Handlungen vorgenommen werden. Weil das Verfahren nicht endgültig abgeschlossen ist, bleibt der Rechtsstreit weiterhin anhängig.

  • Zivilrecht: Im Zivilrecht ist das Ruhen des Verfahrens in § 251 der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Grundsätzlich kann das Verfahren ruhen, wenn beide Parteien es beantragen (so genannte Ruhenvereinbarung) oder das Gericht von Amts wegen eine entsprechende Anordnung trifft.
  • Strafrecht: Im Strafrecht findet sich die Regelung für das Ruhen des Verfahrens im § 205 der Strafprozessordnung (StPO). Die Voraussetzungen für das Ruhen im Strafverfahren sind wesentlich enger gefasst als im Zivilrecht. Hier ist ein Ruhen nur in Ausnahmefällen möglich, beispielsweise wenn der Angeklagte flüchtig, verhandlungsunfähig oder aus sonstigen Gründen an der Teilnahme am Verfahren gehindert ist.
  • Verwaltungsrecht: Im Verwaltungsrecht sind die Vorschriften zur Aussetzung des Verfahrens in § 94 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt. Hier kann das Verfahren ausgesetzt werden, wenn Einwendungen gegen die örtliche Zuständigkeit des Gerichts erhoben werden oder wenn das Gericht von Amts wegen eine Aussetzung für erforderlich hält.

Gründe für das Ruhen des Verfahrens

Das Ruhen des Verfahrens kommt in Betracht, wenn besondere Umstände vorliegen, die eine Fortführung des Verfahrens nicht sinnvoll oder nicht möglich erscheinen lassen. Dies können sowohl rechtliche als auch tatsächliche Gründe sein. Im Folgenden werden einige typische Gründe für das Ruhen des Verfahrens aufgeführt:

  • Einigung der Parteien auf eine außergerichtliche Einigung, z. B. durch einen Vergleich oder Schlichtung
  • Vorläufige Unzuständigkeit des Gerichts wegen einer noch nicht entschiedenen Zuständigkeitsfrage
  • Fehlende Verfahrensvoraussetzungen, z. B. fehlende Prozessfähigkeit einer Partei
  • Erkrankung einer Partei oder ihres Rechtsanwalts
  • Tod der Partei oder ihres Rechtsanwalts
  • Parallelverfahren bei anderen Gerichten oder Behörden

Ablauf der Entscheidung über das Ruhen des Verfahrens

Das Verfahren zum Ruhen des Verfahrens erfolgt in der Regel durch einen entsprechenden Antrag einer Partei oder von Amts wegen durch das Gericht. Der Ablauf gestaltet sich wie folgt:

  • Parteien vereinbaren das Ruhen des Verfahrens oder eine Partei stellt einen Antrag.
  • Das Gericht prüft die Voraussetzungen für das Ruhen des Verfahrens und entscheidet über den Antrag oder die Vereinbarung der Parteien.
  • Das Gericht trifft eine Anordnung über das Ruhen des Verfahrens und gibt den Parteien Gelegenheit, zu der Anordnung Stellung zu nehmen.
  • Die Parteien können innerhalb einer Frist von zwei Wochen gegen die Anordnung Beschwerde einlegen.
  • Das Ruhen des Verfahrens endet, wenn das Gericht die Fortführung des Verfahrens anordnet oder das Verfahren durch eine Entscheidung abgeschlossen wird.

Folgen des Ruhens des Verfahrens

Das Ruhen des Verfahrens hat verschiedene Folgen für die beteiligten Parteien. Die wichtigsten Folgen sind:

  • Prozessuale Handlungen: Während die Ruhenanordnung in Kraft ist, sind prozessuale Handlungen im Grunde untersagt. Allerdings können einzelne Handlungen dennoch zulässig sein, wenn sie zur Wahrung von Ansprüchen oder zur Beschleunigung des Verfahrens dienen.
  • Verjährung: Die Verjährung von Ansprüchen, die Gegenstand des Verfahrens sind, wird während des Ruhens des Verfahrens grundsätzlich nicht gehemmt. Allerdings können die Parteien im Einzelfall vertraglich eine Hemmung der Verjährung vereinbaren.
  • Fristen: Fristen können während des Ruhens des Verfahrens stillstehen oder neu beginnen. Dies hängt jedoch von den Umständen des Einzelfalls und den gesetzlichen Regelungen ab.

FAQ

Kann eine Entscheidung über das Ruhen des Verfahrens angefochten werden?

Ja, gegen eine Anordnung über das Ruhen des Verfahrens kann innerhalb einer Frist von zwei Wochen Beschwerde eingelegt werden. Die Beschwerde ist jedoch nur zulässig, wenn sie von einer Partei eingelegt wird, die durch die Anordnung beschwert ist. Eine erfolgreiche Beschwerde führt dazu, dass das Gericht die Anordnung wieder aufhebt und das Verfahren fortgeführt wird.

Kann das Ruhen des Verfahrens mehrmals angeordnet werden?

Grundsätzlich kann das Ruhen des Verfahrens mehrmals angeordnet werden, sofern sich die Gründe für die jeweilige Anordnung unterscheiden. Allerdings ist hierbei entscheidend, dass eine Fortführung des Verfahrens nach wie vor nicht sinnvoll oder möglich erscheint und die weiteren maßgeblichen Voraussetzungen nach den jeweiligen Gesetzen vorliegen.

Was geschieht, wenn sich die Voraussetzungen für das Ruhen des Verfahrens während der Ruhenanordnung ändern?

Sobald die Voraussetzungen für das Ruhen des Verfahrens entfallen, kann eine Partei oder das Gericht von Amts wegen die Fortführung des Verfahrens beantragen. Das Gericht prüft dann, ob die vorliegenden Umstände tatsächlich eine Fortführung des Verfahrens rechtfertigen und hebt gegebenenfalls die Anordnung auf.

Pflichtet das Gericht stets dem Antrag der Parteien auf Ruhen des Verfahrens bei?

Nicht zwangsläufig. Das Gericht prüft zunächst die Voraussetzungen für das Ruhen des Verfahrens. Liegen nach Ansicht des Gerichts diese Voraussetzungen nicht vor oder hat das Ruhen des Verfahrens eine unangemessene Verzögerung des Verfahrens zur Folge, kann das Gericht den Antrag zurückweisen.

Kann das Ruhen des Verfahrens rückwirkend angeordnet werden?

Grundsätzlich erfolgt das Ruhen des Verfahrens durch eine Anordnung, die auf zukünftige Handlungen wirkt und nicht auf bereits durchgeführte oder abgeschlossene Handlungen. Eine rückwirkende Anordnung des Ruhens des Verfahrens ist in der Regel nicht möglich und würde den Grundsatz der Rechtssicherheit und den Schutz des Vertrauens einer Partei auf eine ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens verletzen.

Wie lange dauert das Ruhen des Verfahrens?

Das Ruhen des Verfahrens ist grundsätzlich auf Zeit angelegt und endet, wenn das Gericht die Fortführung des Verfahrens anordnet oder das Verfahren durch eine Entscheidung abgeschlossen wird. Die Dauer des Ruhens hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und kann daher nicht pauschal festgelegt werden. In manchen Fällen kann das Ruhen des Verfahrens nur wenige Wochen dauern, in anderen Fällen kann es zum Teil mehrere Jahre andauern.

Welche Kosten entstehen durch das Ruhen des Verfahrens?

Das Ruhen des Verfahrens hat grundsätzlich keine direkten zusätzlichen Kosten zur Folge. Die Gerichtskosten und Rechtsanwaltsgebühren sind nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bzw. dem Gerichtskostengesetz festgelegt und werden in der Regel nicht durch das Ruhen des Verfahrens erhöht. Allerdings sind die bereits entstandenen Kosten, die während des Ruhens des Verfahrens in bestimmten Fällen weiterlaufen können (siehe oben), zu berücksichtigen.

Wie wirkt sich das Ruhen des Verfahrens auf die materiell-rechtliche Position der Parteien aus?

Das Ruhen des Verfahrens hat in erster Linie prozessuale Wirkungen und berührt nicht unmittelbar die materiellen Rechte und Pflichten der Parteien. Allerdings kann das Ruhen des Verfahrens indirekt Auswirkungen auf die materiell-rechtliche Position der Parteien haben, insbesondere im Hinblick auf die Verjährung von Ansprüchen (siehe oben).

Abschließende Bemerkungen

Das Ruhen des Verfahrens ist ein interessantes und wichtiges Instrument im Zivil-, Straf- und Verwaltungsrecht. Es erlaubt eine geordnete und zeitlich begrenzte Aussetzung oder Unterbrechung von gerichtlichen Verfahren, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen. Die rechtlichen Folgen des Ruhens des Verfahrens sind vielfältig und hängen von den konkreten Umständen im Einzelfall ab. Sollten Sie als Partei eines Rechtsstreits mit dem Ruhen des Verfahrens konfrontiert sein oder weiterführende Fragen zu diesem Thema haben, empfehlen wir Ihnen, sich an einen erfahrenen Rechtsanwalt zu wenden, der Sie entsprechend beraten und unterstützen kann.

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