Verurteilung nach Freispruch – Ist es wirklich passiert oder ist es ein Urban-Mythos? Sie haben sicherlich von Kriminalfilmen und Serien eine Vorstellung von Freisprüchen. Der Angeklagte atmet erleichtert auf und geht als freier Mensch aus dem Gerichtssaal. Aber ist das wirklich immer so? Kann es Fälle geben, in denen sich das Blatt wendet und der Freigesprochene dennoch verurteilt wird? Die Antwort auf diese Frage ist nicht so einfach, wie es scheint.

In unserem Blogbeitrag werden wir uns umfassend damit beschäftigen, inwieweit es möglich ist, nach einem Freispruch dennoch verurteilt zu werden. Bereiten Sie sich auf eine spannende und informative Reise durch die Welt der Justiz vor!

Wann ist ein Freispruch wirklich ein Freispruch?

Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, was genau ein Freispruch ist. Ein Freispruch bedeutet im Grunde genommen, dass ein Gericht – nach Prüfung der Beweise im Strafverfahren – zu dem Schluss kommt, dass der Angeklagte nicht schuldig ist und daher keine Strafe zu erwarten hat.

Es gibt verschiedene Gründe für einen Freispruch, darunter:

  • Mangel an Beweisen
  • Unzureichende oder widersprüchliche Zeugenaussagen
  • Verjährung
  • Anwendung von Strafausschließungsgründen (z. B. Notwehr)

Es ist jedoch oft schwierig, generalisierende Aussagen über Freisprüche zu treffen, da das Rechtssystem von Land zu Land, ja sogar von Bundesland zu Bundesland variieren kann. In der folgenden Diskussion konzentrieren wir uns daher auf das deutsche Recht und darauf, was hierzulande passieren kann, wenn ein Angeklagter freigesprochen wurde.

Freispruch ist nicht gleich Freispruch: verschiedene Arten in Deutschland

Es überrascht viele Menschen, dass es tatsächlich mehr als eine Art von Freispruch gibt. Im deutschen Recht unterscheidet man grundsätzlich zwei Varianten:

  1. Echten Freispruch (§ 361 StPO): Dieser liegt vor, wenn das Gericht den Angeklagten nach Prüfung der Beweise für unschuldig hält und er von der betreffenden Straftat freigesprochen wird.
  2. Unechten Freispruch (§ 260 Abs. 3 StPO): Bei dieser Art von Freispruch ist das Gericht zwar nicht von der Unschuld des Angeklagten überzeugt, es liegen jedoch keine ausreichenden Beweise für eine Verurteilung vor. Hierbei handelt es sich in der Regel um eine Form von „Freispruch 2. Klasse“, da der Verdacht auf den Angeklagten bestehen bleiben kann.

Der Unterschied zwischen den beiden Arten ist wichtig, da die Rechtsfolgen jeweils unterschiedlich ausfallen können.

Die Revision und das Wiederaufnahmeverfahren

Ein Freispruch ist grundsätzlich dazu gedacht, die Unschuld des Angeklagten und damit das Ende des Strafverfahrens festzustellen. Was viele Laien jedoch nicht wissen, ist, dass es unter bestimmten Umständen noch ein juristisches Nachspiel geben kann. Genauer gesagt, gibt es zwei mögliche Szenarien, in denen ein freigesprochener Angeklagter dennoch mit einer Verurteilung konfrontiert werden kann:

  1. Revision (§§ 333 ff. StPO)
  2. Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 359 ff. StPO)

In den folgenden Abschnitten wollen wir beide Szenarien näher betrachten und die damit verbundenen Voraussetzungen erläutern.

Die Revision, das Rechtsmittel gegen Freisprüche

Die Revision ist eines der möglichen Rechtsmittel im Strafverfahren, die dazu dienen, ein rechtskräftiges Urteil durch ein höheres Gericht überprüfen zu lassen. Konkret bedeutet dies, dass sowohl die Staatsanwaltschaft (in ihrer Rolle als Anklägerin) als auch der Angeklagte selbst Revision gegen einen Freispruch einlegen können.

Wichtig ist hierbei zu betonen, dass es bei der Revision ausschließlich um die Frage geht, ob das Urteil in rechtlicher Hinsicht fehlerhaft ist – es handelt sich quasi um eine „Fehlerkontrolle“ des erstinstanzlichen Urteils. Eine erneute Beweisaufnahme und die erneute Würdigung des Sachverhalts finden im Revisionsverfahren nicht statt.

Die Revision kann aus verschiedenen Gründen erfolgreich sein, zum Beispiel:

  • Verstöße gegen Verfahrensvorschriften (z. B. fehlerhafte Anklageschrift, unzureichende Aufklärung des Sachverhalts durch das Gericht)
  • Fehlende oder fehlerhafte Begründung des Urteils
  • Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Urteils

Wenn die Revision erfolgreich ist, wird das Urteil aufgehoben und der Fall an eine andere Kammer des Gerichts zurückverwiesen, um erneut verhandelt zu werden. Das bedeutet, dass in diesen Fällen der Freispruch quasi „vorläufig“ ist und das Urteil – abhängig von den neuen Erkenntnissen im neuen Verfahren – im Falle einer erneuten Verhandlung möglicherweise geändert wird.

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass das Revisionsverfahren in der Praxis vergleichsweise selten erfolgreich ist, da es hohe Anforderungen an die Begründung der Revision stellt und die Hürden für eine Aufhebung des Urteils aus verfahrensrechtlichen Gründen sehr hoch sind.

Das Wiederaufnahmeverfahren

Das Wiederaufnahmeverfahren ist eine weitere Möglichkeit, ein rechtskräftiges Urteil noch einmal zu überprüfen. Im Gegensatz zur Revision hat das Wiederaufnahmeverfahren jedoch nicht den Zweck, das Urteil auf Rechtsfehler zu prüfen, sondern vielmehr neue Beweise oder Erkenntnisse zu Tage zu fördern, die bei der ersten Verhandlung nicht berücksichtigt wurden.

Während das Wiederaufnahmeverfahren grundsätzlich bei rechtskräftigen Urteilen angeordnet werden kann – also sowohl bei Verurteilungen als auch bei Freisprüchen – sind die Voraussetzungen für die Zulassung eines solchen Verfahrens sehr streng. Die Hürden sind sogar noch höher als bei der Revision.

Die wichtigsten Gründe für ein Wiederaufnahmeverfahren sind:

  • Neuentdeckte Beweise, die den freigesprochenen Angeklagten als schuldig erscheinen lassen
  • Nachträglich entdeckte Strafvereitelung im Amt (z. B. zu Gunsten des Angeklagten)
  • Die Tatsache, dass ein entlastendes Urteil aufgrund gefälschter oder unterdrückter Beweismittel erging
  • Die Tatsache, dass ein Zeuge oder Sachverständiger vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit falsch ausgesagt hat oder in sonstiger Weise betrogen hat

Wie bereits erwähnt, ist ein erfolgreicher Antrag auf Wiederaufnahme äußerst selten, da die Anforderungen sehr hoch sind und die Beweislage in der Regel sehr gut sein muss, um eine neue Verhandlung zu erreichen.

Beispiel: Der Fall Harry Wörz

Um das oben Genannte zu verdeutlichen, wollen wir Ihnen einen realen Fall vorstellen, der das Thema „Verurteilung nach Freispruch“ verdeutlicht. Der Fall Harry Wörz, ein ehemaliger Polizeibeamter aus Baden-Württemberg, ist dafür ein eindrückliches Beispiel.

Harry Wörz wurde 1998 wegen versuchten Totschlags an seiner damaligen Frau zu fünf Jahren Haft verurteilt, obwohl es massive Zweifel an seiner Schuld gab. Nachdem er zunächst erfolglos Revision gegen das Urteil eingelegt hatte, gelang es ihm schließlich 2006, ein Wiederaufnahmeverfahren zu erwirken.

Im Jahr 2010 wurde Wörz dann aufgrund von entlastenden Indizien und später im Rahmen eines Zivilprozesses auf Schadensersatz letztendlich freigesprochen.

In diesem speziellen Fall haben zwar die Möglichkeiten des Rechtssystems versagt (erneute Verurteilung nach Freispruch in einem höheren Rechtsmittelverfahren), aber dennoch wurden schlussendlich Gerechtigkeit und der tatsächliche Freispruch erreicht.

Fazit: Wie wahrscheinlich ist eine Verurteilung nach Freispruch?

Die Antwort auf die Frage, ob jemand nach einem Freispruch dennoch verurteilt werden kann, ist ein vorsichtiges „Ja, aber…“. In Anbetracht der verschiedenen Arten von Freisprüchen und der unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen ist es zumindest theoretisch möglich, dass eine Person nach einem rechtskräftigen Freispruch dennoch verurteilt wird – zum Beispiel aufgrund neuer Beweise oder erfolgreicher Rechtsmittelverfahren wie der Revision oder dem Wiederaufnahmeverfahren.

Im realen Leben kommt das jedoch außerordentlich selten vor und sollte deshalb nicht als ein wahrscheinliches Szenario betrachtet werden. In der Regel sollte man davon ausgehen, dass ein Freispruch als endgültige Entscheidung angesehen werden kann, die die Unschuld des Angeklagten bestätigt und ihn vor weiterer strafrechtlicher Verfolgung schützt.

Wenn Sie jedoch Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Freispruchs haben oder rechtliche Unterstützung bei einem (vermeintlichen) Freispruch benötigen, sollten Sie sich unbedingt von einem erfahrenen Anwalt beraten lassen. Unsere professionelle, erfahrene und kompetente Anwaltskanzlei steht Ihnen dabei jederzeit zur Verfügung – zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.

Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen bundesweit und im deutschsprachigen Ausland zur Verfügung.

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