Die Frage nach der rechtlichen Stellung und Bedeutung von Besitzdienern ist in vielen verschiedenen rechtlichen Zusammenhängen von Bedeutung. Im folgenden Blogbeitrag wird diese Frage unter verschiedenen Aspekten untersucht und mit Bezug auf Gesetze, aktuelle Gerichtsurteile und weitere rechtliche Argumente beantwortet. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die Rolle von Besitzdienern im deutschen Recht gelegt.

Grundlagen des Besitzes und der Rolle von Besitzdienern

Um die Rolle von Besitzdienern besser zu verstehen, ist es notwendig, sich zunächst einmal mit den grundlegenden Konzepten des Besitzes und den verschiedenen Arten von Besitz auseinanderzusetzen.

Was ist Besitz?

Besitz ist ein grundlegendes Konzept im deutschen Recht, das sowohl im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) als auch im Strafgesetzbuch (StGB) und weiteren Gesetzen eine zentrale Rolle spielt. Allgemein kann man sagen, dass Besitz die tatsächliche Herrschaftsgewalt über eine Sache oder ein Recht bezeichnet. Diese Herrschaftsgewalt kann sowohl rechtliche als auch tatsächliche Komponenten haben:

  • Rechtlicher Besitz: Bezieht sich auf die rechtlich anerkannte Stellung des Besitzers, z. B. aufgrund von Eigentum oder Miete.
  • Tatsächlicher Besitz: Bezieht sich auf die tatsächliche physische Kontrolle über die Sache oder das Recht durch den Besitzer.

Was ist ein Besitzdiener?

Der Begriff des Besitzdieners ist eine spezielle rechtliche Kategorie, die im deutschen Zivil- und Strafrecht von Bedeutung ist. Ein Besitzdiener ist eine Person, die zwar tatsächlich die Sachherrschaft über eine Sache oder ein Recht ausübt, dies jedoch nicht für sich selbst, sondern für einen anderen (den sogenannten „Besitzmittler“) tut. Der Besitzdiener ist also im Hinblick auf die Sache oder das Recht in Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft tätig, ohne jedoch selbst über eine rechtlich geschützte Besitzposition zu verfügen.

Rechtliche Bedeutung des Besitzdieners

Die rechtliche Bedeutung des Besitzdieners ergibt sich insbesondere aus zwei Funktionen:

  • Erstens kann die Eigenschaft als Besitzdiener dazu führen, dass der Handelnde in bestimmten rechtlichen Zusammenhängen nicht als besitzender Täter ausmachbar ist. Dies betrifft etwa bestimmte strafrechtliche Tatbestände wie etwa Diebstahl oder Unterschlagung.
  • Zweitens hat die Eigenschaft als Besitzdiener im Zivilrecht Auswirkungen auf deliktische Ansprüche wie z. B. auf Schadensersatz und Herausgabeansprüche. Ein Besitzdiener kann in diesen Fällen nicht in vollem Umfang haftbar gemacht werden, da er nicht als rechtmäßiger Besitzer gilt.

Gesetzliche Regelungen und Gerichtsentscheidungen zum Besitzdieners

Im Folgenden werden relevante gesetzliche Regelungen und Gerichtsentscheidungen vorgestellt, die zum besseren Verständnis des Besitzdienerbegriffs beitragen.

Gesetzliche Regelungen

Die wichtigste gesetzliche Regelung zum Besitzdiener findet sich in § 855 BGB:

„Derjenige, welcher die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in einer Weise ausübt, daß seine eigene Sachherrschaft zurücktritt, besitzt nicht selbst; der andere bleibt im Besitz, auch wenn er das Recht, den Besitz zurückzufordern, verloren hat.“

Daneben spielt der Besitzdiener insbesondere im Strafrecht eine Rolle, etwa bei:

  • § 242 StGB (Diebstahl): Ein Besitzdiener kann nicht wegen Diebstahls einer Sache belangt werden, die er für seinen Besitzmittler besitzt.
  • § 246 StGB (Unterschlagung): Ein Besitzdiener kann nicht wegen Unterschlagung einer Sache belangt werden, die er für seinen Besitzmittler besitzt.

Gerichtsentscheidungen zum Besitzdiener

Einige wichtige Gerichtsentscheidungen, die die Rolle des Besitzdieners in verschiedenen rechtlichen Kontexten beleuchtet haben, sind:

  • Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. März 2018 – IX ZR 151/17: In dieser Entscheidung bestätigte der BGH, dass Leasinggesellschaften als Besitzmittler und nicht als Besitzer von im Eigentum der Leasinggesellschaft stehenden Sachen gelten.
  • Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Mai 1997 – XI ZR 117/96: Hier bejahte der BGH indirekt das Vorliegen einer Besitzdienerstellung, indem er entschied, dass ein Kreditnehmer – trotz fehlenden Besitzmittlerverhältnisses – bei Zahlung erfolgsabhängiger Sicherheiten durch Stellung materieller Sicherheiten für bestimmte Kapitalanlagen als Besitzdiener fungierte.
  • Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 17. Oktober 2018 – 5 U 176/17: In dieser Entscheidung stellte das OLG Frankfurt klar, dass ein Kaufmann, der gegen Wareneingang auch für fremde Rechnung handelte, als Besitzdiener der eingelagerten Waren für den Auftraggeber angesehen wurde.

Unterschiede zwischen Besitzdiener, Besitzmittler und Eigenbesitzer

Die Abgrenzung zwischen Besitzdiener, Besitzmittler und Eigenbesitzer ist von großer rechtlicher Bedeutung. Im Folgenden sollen die Unterschiede und Abgrenzungen näher beleuchtet werden.

Besitzdiener vs. Besitzmittler

Das Hauptunterscheidungskriterium für Besitzmittler und Besitzdiener liegt in der Art der Besitzposition, die die Person innehat:

  • Der Besitzmittler ist derjenige, für den der Besitzdiener tätig wird und der die eigentliche rechtliche Besitzposition innehat.
  • Der Besitzdiener ist hingegen derjenige, der für den Besitzmittler tätig ist und die tatsächliche Sachherrschaft über die Sache oder das Recht ausübt.

Besitzdiener vs. Eigenbesitzer

Der Eigenbesitzer ist eine Person, die eine Sache oder ein Recht sowohl rechtlich als auch tatsächlich besitzt. Im Vergleich zum Besitzdiener, der lediglich die tatsächliche Gewalt ausübt, verfügt der Eigenbesitzer auch über eine geschützte Besitzposition. Dies hat direkte Auswirkungen auf zivil- und strafrechtliche Ansprüche sowie Haftungen.

Häufig gestellte Fragen zum Besitzdiener

Im Folgenden werden Antworten auf einige häufig gestellte Fragen zum Thema Besitzdiener gegeben.

Kann ein Arbeitnehmer als Besitzdiener eingestuft werden?

Ja, ein Arbeitnehmer kann in bestimmten Situationen als Besitzdiener gelten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für seinen Arbeitgeber die tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache oder ein Recht ausübt, ohne selbst darüber eine geschützte rechtliche Besitzposition zu haben. Ob ein Arbeitnehmer als Besitzdiener eingestuft wird, ist stets eine Frage des Einzelfalls und hängt von der konkreten Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses und der Tätigkeit des Arbeitnehmers ab.

Haftet ein Besitzdiener für Beschädigungen oder Verlust der Sache, über die er tatsächliche Gewalt ausübt?

Ein Besitzdiener kann im Zivilrecht unter bestimmten Umständen für Schäden oder den Verlust einer Sache haften, die er für den Besitzmittler besitzt. Eine Haftung kommt jedoch nur in Betracht, wenn der Besitzdiener die Schäden oder den Verlust schuldhaft, d. h. durch eigenes Verschulden, verursacht hat. Eine Haftung ist somit nicht automatisch gegeben, sondern hängt vom Einzelfall und dem Grad des Verschuldens ab.

Kann ein Besitzdiener die Sache, über die er tatsächliche Gewalt ausübt, für sich selbst in Anspruch nehmen?

Ein Besitzdiener kann grundsätzlich nicht rechtswirksam die Sache, über die er tatsächliche Gewalt ausübt, für sich selbst in Anspruch nehmen, da er selbst keine geschützte rechtliche Besitzposition hat. Eine Aneignung oder eigenmächtige Verfügung über die Sache würde in der Regel zu zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen führen, sofern nicht ausdrückliche Vereinbarungen mit dem Besitzmittler oder anderen Berechtigten über eine entsprechende Nutzung oder Verfügung getroffen wurden. Die unerlaubte Aneignung von Sachen durch einen Besitzdiener ist als Rechtsgutsverletzung, z. B. im Rahmen von Straftatbeständen wie Unterschlagung (§ 246 StGB) oder Betrug (§ 263 StGB), strafrechtlich relevant.

In welchen Situationen kann ein Besitzdiener strafrechtlich belangt werden?

Ein Besitzdiener kann strafrechtlich belangt werden, wenn er im Zusammenhang mit der Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft für den Besitzmittler gegen geltendes Recht verstößt. Dies kann insbesondere in den folgenden Fällen zutreffen:

  • Der Besitzdiener verursacht schuldhaft Schäden oder Verluste an der Sache oder dem Recht, über das er tatsächliche Gewalt ausübt, beispielsweise durch fahrlässige oder vorsätzliche Handlungen.
  • Der Besitzdiener handelt mit betrügerischer Absicht, z. B. indem er dem Besitzmittler oder anderen Beteiligten falsche Informationen vorspiegelt, um sich selbst oder Dritten einen unrechtmäßigen Vorteil zu verschaffen.
  • Der Besitzdiener begeht Straftaten im Zusammenhang mit der Ausübung seiner Tätigkeit als Besitzdiener, beispielsweise Unterschlagung, Betrug oder Diebstahl.

Es ist jedoch stets zu beachten, dass die strafrechtliche Beurteilung von Einzelfällen stark von den konkreten Umständen und den individuellen Handlungsweisen der beteiligten Personen abhängt.

Fazit zum Besitzdiener

Der Besitzdiener ist eine wichtige rechtliche Kategorie, die insbesondere im deutschen Zivil- und Strafrecht von Bedeutung ist und in vielen verschiedenen Zusammenhängen auftreten kann. Die Unterscheidung und Abgrenzung von Besitzdienern, Besitzmittlern und Eigenbesitzern ist für eine korrekte rechtliche Beurteilung von Sachverhalten von entscheidender Bedeutung. In der Praxis ist es jedoch häufig schwierig, diese Begriffe voneinander abzugrenzen, und es erfordert juristisches Fachwissen und Erfahrung, um die jeweiligen Konsequenzen im Einzelfall richtig einzuschätzen. Daher ist im Zweifelsfall stets die Konsultation eines erfahrenen Rechtsanwalts empfehlenswert, um unnötige Haftungsrisiken oder rechtliche Probleme zu vermeiden und auf der sicheren Seite zu stehen.

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