Der Prozess, durch den ein Unternehmen seine Aktien von der Börse nimmt, ist komplex und erfordert sorgfältige Planung und strategische Maßnahmen. In diesem Artikel beleuchten wir die rechtlichen Aspekte, den Ablauf und geben praktische Hinweise für Unternehmen, die diesen Schritt erwägen. Egal ob Sie Geschäftsführer, Rechtsanwalt oder Anteilseigner sind, dieser Leitfaden hilft Ihnen, alle wichtigen Punkte zu beachten.

Was bedeutet Delisting?

Delisting bezeichnet den formalen Prozess, durch den ein börsennotiertes Unternehmen seine Aktien freiwillig oder unfreiwillig von der Börse nimmt. Dies kann verschiedenen Gründen haben wie regulatorischen Anforderungen, strategischen Überlegungen oder wirtschaftlichen Entwicklungen. Ein Delisting erfordert umfassende rechtliche Kenntnisse und eine genaue Vorbereitung.

Rechtliche Grundlagen für ein Delisting

Das Delisting wird von verschiedenen gesetzlichen Regelungen auf nationaler und supranationaler Ebene bestimmt. In Deutschland sind insbesondere das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), das Handelsgesetzbuch (HGB) sowie die Börsenzulassungs-Verordnung (BörsZulV) von Relevanz.

WpÜG: Schutz der Anleger

Das WpÜG dient dem Schutz der Anleger vor unfairem Marktverhalten. Es schreibt vor, dass Aktionäre ein Pflichtangebot erhalten müssen, wenn ein Delisting beschlossen wird. Dies soll sicherstellen, dass Kleinaktionäre nicht benachteiligt werden.

Handelsgesetzbuch und Börsenzulassungs-Verordnung

Das HGB und die BörsZulV regeln die Anforderungen und den Ablauf für die Zulassung und den Widerruf der Börsenzulassung. Unternehmen müssen umfangreiche Dokumentationen einreichen, um sicherzustellen, dass der Prozess transparent und fair abläuft.

  • § 39 BörsG: Regelt den Widerruf der Zulassung.
  • § 42 WpÜG: Enthält Vorschriften zu Pflichtangeboten bei Übernahmen und Delistings.

Gründe für ein Delisting

Der Entscheid für ein Delisting kann aus verschiedenen Motiven heraus getroffen werden. Diese umfassen strategische, finanzielle und operative Überlegungen:

  • Reduzierung von Kosten: Die Aufrechterhaltung einer Börsennotierung ist mit erheblichen Kosten verbunden, z.B. für die Einhaltung von Regelungen und Reporting.
  • Mehr Flexibilität: Ohne die Notwendigkeit, börsennotierte Richtlinien zu befolgen, kann das Unternehmen flexibler auf Marktbedingungen reagieren.
  • Strategische Neuausrichtung: Ein Unternehmen könnte sich auf andere Märkte oder Geschäftsmodelle konzentrieren wollen.
  • Schutz vor Übernahmen: Durch ein Delisting kann das Unternehmen weniger attraktiv für feindliche Übernahmen werden.

Der Ablauf eines Delistings

Der formale Ablauf eines Delistings gliedert sich in mehrere Schritte, die sorgfältig vorbereitet und durchgeführt werden müssen.

Vorbereitung und Planung

Bevor ein Delisting öffentlich bekannt gegeben wird, ist eine umfangreiche Vorbereitung notwendig. Dies beinhaltet Beratung durch Rechtsanwälte und Finanzberater sowie die Evaluierung der Auswirkungen auf das Unternehmen und seine Stakeholder.

  • Interne Beratung und Entscheidung
  • Erstellung eines Delisting-Plans
  • Einholung von Gutachten und rechtlicher Beratung

Mitteilung an die Börse und Aktionäre

Die Börse und die Aktionäre müssen formell über das beabsichtigte Delisting informiert werden. Dies geschieht durch eine öffentliche Bekanntmachung und direkte Kommunikation mit den Aktionären.

  • Öffentliche Bekanntmachung
  • Brief an die Aktionäre
  • Ankündigung auf der Unternehmenswebsite

Pflichtangebot und Abfindung

Ein wesentlicher Bestandteil des Delistings ist das Pflichtangebot an die Aktionäre, welches sicherstellt, dass sie ihre Aktien zu einem fairen Preis verkaufen können. Dieses Angebot wird in der Regel durch Gutachten unabhängiger Experten unterstützt.

  • Erstellung und Verifizierung des Pflichtangebots
  • Kommunikation des Angebots an die Aktionäre
  • Reaktion und Fristenmanagement

Widerruf der Börsenzulassung

Nach der Erfüllung aller Vorbedingungen erfolgt der formale Antrag auf Widerruf der Börsenzulassung bei der zuständigen Handelsüberwachungsstelle.

  • Einreichung des Antrags
  • Prüfung durch die Handelsüberwachungsstelle
  • Erteilung des Widerrufsbescheids

Praktische Hinweise und Checkliste für ein Delisting

Damit der Prozess des Delistings reibungslos abläuft, sollten einige praktische Hinweise beachtet und eine detaillierte Checkliste abgearbeitet werden.

Checkliste für ein erfolgreiches Delisting

  • Interne Beratung und Zustimmung der relevanten Gremien
  • Analyse der Auswirkungen auf Stakeholder
  • Vorbereitung einer Kommunikationsstrategie
  • Erstellung eines rechtskonformen Pflichtangebots
  • Einholung aller notwendigen Gutachten und Rechtsberatungen
  • Einreichung des Antrags auf Widerruf bei der Handelsüberwachungsstelle

FAQ zum Delisting

Kann ein Delisting rückgängig gemacht werden?

Ein einmal erfolgreich durchgeführtes Delisting kann nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden. Eine erneute Börsennotierung erfordert die Durchführung eines neuen IPO-Prozesses.

Wie lange dauert der Delisting-Prozess?

Die Dauer des Delisting-Prozesses variiert je nach den spezifischen Umständen des Unternehmens und den regulatorischen Anforderungen. Üblicherweise kann der Prozess mehrere Monate in Anspruch nehmen.

Welche finanziellen Auswirkungen hat ein Delisting?

Ein Delisting kann sowohl positive als auch negative finanzielle Auswirkungen haben. Einerseits entfallen die Kosten für die Aufrechterhaltung der Börsennotierung, andererseits kann das Unternehmen an Liquidität und Marktkapitalisierung verlieren.

Fallstudie: Delisting eines mittelständischen Unternehmens

Ein mittelständisches Unternehmen im Technologiesektor entschied sich aufgrund hoher Kosten und eines strategischen Schwenks zu einem Delisting. Hier der Ablauf und die wichtigsten Schritte aus der Praxis:

Hintergrund und Entscheidungsfindung

Das Unternehmen sah sich mit steigenden Kosten für regulatorische Anforderungen konfrontiert. Gleichzeitig wollten die Hauptanteilseigner das Unternehmen in einem neuen Geschäftsbereich positionieren, der intensive Investitionen erforderte.

Umsetzung des Delistings

Der Delisting-Prozess wurde durch qualifizierte Fachanwälte begleitet, um sicherzustellen, dass alle rechtlichen Anforderungen erfüllt wurden. Ein wesentlicher Schritt war die Erstellung eines fairen Pflichtangebots für die Kleinaktionäre.

  • Benennung von unabhängigen Gutachtern
  • Erstellung und Verifizierung des Pflichtangebots
  • Einreichung und Prüfung des Delisting-Antrags bei der Börse

Schlussfolgerung und Zukunftsperspektiven

Ein Delisting kann für ein Unternehmen strategisch sinnvoll sein, wenn es sorgfältig geplant und umgesetzt wird. Durch die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen und die Berücksichtigung der Interessen aller Stakeholder kann der Prozess erfolgreich gestaltet werden. Der Entschluss zum Delisting sollte jedoch stets gut überlegt sein und in enger Abstimmung mit Rechtsberatern und Finanzexperten erfolgen.

Weiterführende Informationen

Für weitere Informationen und eine individuelle Beratung steht unsere Anwaltskanzlei jederzeit zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns, um mehr über die rechtlichen Aspekte und den Ablauf eines Delistings zu erfahren.

Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen bundesweit und im deutschsprachigen Ausland zur Verfügung.

Philipp Franz Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Arthur Wilms - Kanzlei Herfurtner

Arthur Wilms | Rechtsanwalt | Associate

Anwalt Wolfgang Herfurtner Hamburg - Wirtschaftsrecht

Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Herfurtner Rechtsanwälte. Mehr Infos anzeigen.

Aktuelle Beiträge aus dem Rechtsgebiet Bank- und Kapitalmarktrecht