Durchgriffshaftung - Anwälte informieren

Durchgriffshaftung: Auch wenn ein Unternehmen im Regelfall rechtlich haftungsbeschränkt ist, kann in manchen Fällen auch eine Einzelperson, wie der Gesellschafter oder Geschäftsführer einer GmbH, für entstandenen Schaden haftbar gemacht werden. Dies wird als Durchgriffshaftung bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

  1. Durchgriffshaftung: Was ist das?
  2. Rechtliche Grundlagen für eine Durchgriffshaftung
  3. Echte und unechte Durchgriffshaftung im Vergleich
  4. Haftungstatbestände der Durchgriffshaftung

Sie haben Fragen zum Thema Durchgriffshaftung? Unsere Rechtsanwälte der Kanzlei Herfurtner beraten Sie bundesweit und im gesamten deutschsprachigen Raum.

Durchgriffshaftung: Was ist das?

Nach § 13 Abs. 2 GmbHG haftet für die Verbindlichkeiten einer GmbH nur das Gesellschaftsvermögen. Bei einer Liquidation werden Gesellschaften aus dem Handelsregister gelöscht und ihre Verbindlichkeiten (Schulden) erlöschen.

Die Rechtsprechung hat jedoch bislang gezeigt, dass die Gesellschafter einer GmbH in einigen Fällen persönlich haften. Und zwar unter bestimmten Voraussetzungen.

Die Durchgriffshaftung kann beispielsweise dann greifen, wenn die Gesellschafter nicht den Einwand mangelnder Identität mit der GmbH geltend machen können, da hiermit der Schutz des redlichen Geschäftsverkehrs gefährdet wäre.

Auch wenn die Durchgriffshaftung ursprünglich auf Ein-Personen-GmbHs angewendet wurde, ist ihre Anwendung nicht ausschließlich auf diese Gesellschaftsform beschränkt. Jede juristische Person, unabhängig von ihrer Größe und der Anzahl der Gesellschafter, kann die Voraussetzungen für eine Durchgriffshaftung erfüllen.

Rechtliche Grundlagen für eine Durchgriffshaftung

Es existieren keine allgemein gültigen Voraussetzungen für eine Durchgriffshaftung auf Gesellschafter. Die Rechtsprechung bezieht sich auf Haftungstatbestände, die die Verantwortlichkeit im Einzelfall betreffen.

Die bestimmte Rechtsform juristischer Personen kann nach dem Leitsatz des Bundesgerichtshofs (BGH 29.11.1956; BGH 22.10.1987; VII ZR 12/87) nicht beliebig und uneingeschränkt ignoriert werden.

Um festzustellen, ob die Voraussetzung für eine Durchgriffshaftung gegeben ist oder nicht, stützt sich die Rechtsprechung auf eine Bewertung konkreter Tatsachen nach den Maßstäben von Treu und Glauben.

Die folgenden Haftungsinstitute wurden definiert:

  1. Existenzvernichtende Eingriffe
  2. Vermischung von Vermögenswerten/Sphärenvermischung
  3. Unterkapitalisierung
  4. Unangemessene Nutzung/Missbrauch der Gesellschaftsform

Diese Durchgriffshaftung ergibt sich allein aus der objektiven Erfüllung eines oder mehrere dieser Missbrauchstatbestände. Ein Missbrauchswille oder die Absicht, Gläubiger zu benachteiligen, sind keine Voraussetzung für eine Durchgriffshaftung.

Unterschied zwischen echter und unechter Durchgriffshaftung

Die echte Durchgriffshaftung wird von der unechten Durchgriffshaftung unterschieden:

  1. Im Falle eines Verstoßes gegen das GmbHG wird in der Regel eine echte Durchgriffshaftung angeordnet. Hierbei wird den eigentlich haftungsbeschränkten Gesellschaftern das Haftungsprivileg entzogen. Ohne Haftungsbeschränkung müssen sie genauso haften, wie Gesellschafter einer Personengesellschaft.
  2. Beispielsweise als Bürgschaftsvertrag, tritt die unechte Durchgriffshaftung in Kraft. Sie ist im Grunde eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern.

§ 13 Abs. 2 GmbHG beschränkt die Haftung der Gesellschafter auf das Vermögen des Unternehmens, sie haften also nicht persönlich für die Schulden der Gesellschaft.

Durch die Durchgriffshaftung wird die Haftungsbeschränkung der Gesellschaft außer Kraft gesetzt, was dazu führt, dass die Gesellschafter gegenüber den Gläubigern des Unternehmens persönlich haften.

Dies ist nach § 128 HGB zulässig: „Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.“

Ausnahmen gibt es nur, wenn eine „Vermögensvermischung“ vorliegt, d.h. wenn das Vermögen der Gesellschaft und das Vermögen der Gesellschafter nicht ausreichend voneinander unterschieden werden können.

Voraussetzungen für eine Durchgriffshaftung können auch gegeben sein:

  • in der Missbrauchslehre,
  • bei Schädigung mit Vorsatz,
  • im Falle einer Unterkapitalisierung und
  • bei der Normanwendung.

Tatbestände Durchgriffshaftung

Im Folgenden gehen wir auf die Besonderheiten der Haftungstatbestände, in Bezug auf die Durchgriffshaftung, ein.

Existenzvernichtender Eingriff – Erklärung

Die Existenzvernichtungshaftung legt fest, dass der Gesellschafter einer GmbH für die Schulden der Gesellschaft persönlich haftet, wenn er:

  1. Vermögenswerte der Gesellschaft entzieht, ohne entsprechenden Ausgleich, und ihr damit die Grundlage für das Erfüllen ihrer Verbindlichkeiten entzieht (dabei ist es unerheblich, ob er es verdeckt oder offen tut)
  2. ohne Rücksicht auf die Zweckbindung des gesellschaftlichen Vermögens handelt.

Denn die Inanspruchnahme des Haftungsprivilegs nach § 13 Abs. 2 GmbHG setzt voraus, dass das Gesellschaftsvermögen während der Lebensdauer der GmbH zunächst zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger eingesetzt wird.

Die oben beschriebenen Handlungen haben demnach den Entzug des Haftungsprivilegs zur Folge, da ein Missbrauch der Rechtsform GmbH vorliegt.

Neben den unmittelbaren Gesellschaftern können auch Mitgesellschafter und Mittäter, Anstifter und Gehilfen als Haftende in Betracht kommen.

Nur wenn der Gesellschafter nachweisen kann, dass der Gesellschaft im Vergleich zu ihrem Vermögensstand bei redlichem Verhalten lediglich ein geringer und ausgleichbarer Nachteil entstanden ist, hat er die Möglichkeit, sich einer Durchgriffshaftung zu entziehen.

Sphärenmischung oder Mischung von Vermögenswerten

Bei einer Vermögensmischung liegt ebenfalls eine Situation der Durchgriffshaftung vor. Dies hat zur Folge, dass der Alleingesellschafter haftet, wenn sein eigenes Vermögen mit dem des Unternehmens vermischt ist.

Insbesondere wenn die Vermögenstrennung durch eine unzureichende oder intransparente Buchführung verschleiert wird.

Sphärenmischung bedeutet, dass eine Gesellschaft und ihr einziger Gesellschafter so organisiert sind, dass die rechtliche Unterscheidung zwischen natürlicher und ihrer juristischer Person unmöglich wird.

Die rechtliche Trennung zwischen der Gesellschaft und ihren Eigentümern wird verschleiert, wenn das Unternehmen:

  • den gleichen Telefonanschluss,
  • die gleichen Geschäftsräume,
  • die gleichen Angestellten,
  • den gleichen Sitz hat.

Die Gesellschafter können sich gegenüber ihren Gläubigern nicht auf das Eigentum an allem berufen, was sie einmal als zum Vermögen des Unternehmens und das andere Mal als zu ihrem persönlichen Vermögen gehörend bezeichnen.

Missbrauch der Rechtsform der Gesellschaft

Ein Missbrauch der Gesellschaftsform GmbH liegt dann vor, wenn die Gründer des Unternehmens nicht in Erscheinung treten und unredliche Geschäftstätigkeiten verfolgen.

Auch wenn die Gesellschafter die rechtlichen Möglichkeiten beachten, um die Firma sachgerecht, d.h. im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben, zu gestalten, verfolgen sie mit der Nutzung entweder illegale Zwecke oder schädigen andere Personen in treuwidriger Weise.

Häufig werden aus diesem Grund sogenannte Strohmänner eingesetzt, die nur ihren Namen für die Firma zur Verfügung stellen, aber keine oder nur eine sehr geringe finanzielle Beteiligung an der Gesellschaft haben.

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