In diesem ausführlichen Blog-Beitrag werden wir das wichtige Thema Fahrlässigkeit im deutschen Strafrecht behandeln. Hierzu geben wir nicht nur eine Definition von Fahrlässigkeit, sondern auch einen umfassenden Einblick in die rechtlichen Grundlagen, Bedeutung und Konsequenzen von Fahrlässigkeit im deutschen Rechtssystem. Zusätzlich besprechen wir relevante Gesetze und Gerichtsurteile, liefern anschauliche Beispiele für fahrlässiges Handeln und beantworten häufig gestellte Fragen.

Definition von Fahrlässigkeit

Fahrlässigkeit ist im deutschen Strafrecht neben der Vorsatz eine Form des Verschuldens und kann als Grundlage für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit dienen. Fahrlässiges Handeln ist gegeben, wenn der Täter eine Sorgfaltspflicht verletzt und dadurch einen Schaden verursacht, der bei Beachtung dieser Pflicht nicht eingetreten wäre.

  • Fahrlässigkeit gemäß § 276 Abs. 2 BGB: Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
  • Fahrlässigkeit im Strafrecht: Fahrlässiges Handeln ist gemäß § 15 StGB nur dann strafbar, wenn das Gesetz die Fahrlässigkeit ausdrücklich mit Strafe bedroht.

Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit

Der Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit liegt in der inneren Einstellung des Täters zur Tat. Beim Vorsatz handelt der Täter wissentlich und willentlich. Er ist sich bewusst, dass er gegen gesetzliche Vorgaben verstößt und handelt dennoch absichtlich. Bei fahrlässigem Handeln hingegen handelt der Täter unabsichtlich und meist aus Nachlässigkeit.

Vorsätzliches Handeln

Vorsätzliches Handeln liegt nach § 15 StGB vor, wenn der Täter mit Wissen und Willen gegen eine Pflicht verstößt und dadurch einen Schaden verursacht. Es gibt zwei Formen des Vorsatzes:

Direkter Vorsatz: Der Täter ist sich der Konsequenzen seines Handelns bewusst und beabsichtigt sie (z. B. bewusste Körperverletzung).

Eventualvorsatz: Der Täter sieht die Konsequenzen seines Handelns als mögliche Folgen an und nimmt sie billigend in Kauf (z. B. Das Anzünden eines Autos, wobei auch die Erkenntnis besteht, dass dadurch Menschenleben gefährdet werden könnten).

Fahrlässiges Handeln

Fahrlässiges Handeln nach § 15 StGB ist diejenige Handlung, bei der der Täter eine Sorgfaltspflicht verletzt, ohne die Konsequenzen seines Handelns zu erkennen oder beabsichtigen. Fahrlässigkeit wird in zwei verschiedenen Formen unterschieden:

Einfache Fahrlässigkeit: Der Täter handelt unachtsam und sieht die möglichen Folgen seines Handelns nicht (z. B. Unaufmerksamkeit im Straßenverkehr, die zu einem Unfall führt).

Grobe Fahrlässigkeit: Der Täter handelt in besonders schwerem Maße nachlässig und hätte die Folgen seines Handelns erkennen müssen (z. B. das Fahren mit stark überhöhter Geschwindigkeit in einer Fußgängerzone).

Rechtsgrundlagen und Gesetze

Die Grundlagen der Fahrlässigkeit im deutschen Strafrecht finden sich in verschiedenen Vorschriften des StGB und anderer Gesetze. Nachfolgend wird eine Auswahl der relevantesten Gesetze dargestellt:

  • § 15 StGB (Vorsatz und Fahrlässigkeit): Grundsätzlich sind nur vorsätzliche Handlungen strafbar – Fahrlässigkeit ist nur dann strafbar, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht.
  • § 222 StGB (Fahrlässige Tötung): Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines anderen verursacht, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
  • § 229 StGB (Fahrlässige Körperverletzung): Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
  • § 315c StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs): Dieser Paragraf bestraft sowohl vorsätzliches als auch fahrlässiges Handeln, das den Straßenverkehr erheblich gefährdet oder eine Unfallgefahr für andere verursacht.
  • § 81 StGB (Brandstiftung): Fahrlässig begangene Brandstiftung wird nach § 81 StGB als eigener Straftatbestand mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft..
  • § 26a Abs. 2 Medizinproduktegesetz (MPG): Fahrlässige Handlungen im Umgang mit Medizinprodukten sind strafbar, wenn dadurch eine Person gefährdet wird und das Produkt nicht den vorgeschriebenen Anforderungen entspricht.

Beispiele für fahrlässiges Handeln im Alltag

Fahrlässigkeit kann in zahlreichen alltäglichen Situationen auftreten. Folgende Beispiele verdeutlichen die Vielfalt fahrlässigen Handelns:

  1. Autofahren unter Alkoholeinfluss: Das Lenken eines Kraftfahrzeugs in alkoholisiertem Zustand kann zur fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs führen, wenn der Fahrer aufgrund seiner Alkoholisierung die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 315c StGB).
  2. Unzureichende Baustellenabsicherung: Verantwortliche Personen, die eine Baustelle nicht ordnungsgemäß sichern, können wegen fahrlässiger Körperverletzung belangt werden, wenn dadurch Passanten zu Schaden kommen (§ 229 StGB).
  3. Nichteinhaltung von Hygienevorschriften: Wenn zum Beispiel ein Arzt Hygienevorschriften nicht beachtet und hierdurch einen Patienten mit einer Infektion ansteckt, kann dies als fahrlässige Körperverletzung gewertet werden (§ 229 StGB).
  4. Verstoß gegen Arbeitsschutzvorschriften: Ein Arbeitgeber, der Arbeitsplatzsicherheitsregeln missachtet und dadurch Unfälle oder Verletzungen verursacht, kann wegen fahrlässiger Körperverletzung belangt werden (§ 229 StGB).
  5. Unbeaufsichtigte Kerzen: Wer brennende Kerzen unbeaufsichtigt lässt und dadurch einen Brandschaden verursacht, kann wegen fahrlässiger Brandstiftung bestraft werden (§ 81 StGB).

Aktuelle Gerichtsurteile zur Fahrlässigkeit

Gerichtsurteile in Deutschland können dazu beitragen, das Verständnis der Fahrlässigkeit im Strafrecht zu vertiefen. Die folgenden Urteile sind Beispiele dafür, wie in der Rechtsprechung mit Fällen fahrlässigen Handelns umgegangen wird:

Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 30.05.2019, Az. 4 StR 567/18: Die fahrlässige Tötung eines Menschen infolge von Handlungen unter Alkoholeinfluss ist als besonders schwerer Fall einzustufen, wenn die erhebliche Alkoholisierung des Täters im Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen steht.

Oberlandesgericht (OLG) Celle, Urteil vom 29.04.2021, Az. 19 U 229/20: Ein Autofahrer, der einen Abbiegefehler begeht, begeht unter Umständen auch eine fahrlässige Körperverletzung, sofern ein anderer Verkehrsteilnehmer verletzt wird.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 09.02.2017, Az. 1 U 316/15: In diesem Fall wurde ein Aufsichtsratsmitglied einer Bank wegen fahrlässiger Kreditvergabe zu Schadensersatz verurteilt. Dem Aufsichtsratsmitglied wurde vorgeworfen, die gebotene Sorgfalt verletzt zu haben, indem es seinem Überwachungspflichten nicht ausreichend nachgekommen war.

Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf, Urteil vom 08.08.2018, Az. 27 K 12577/17: Ein Polizeibeamter, der beim Autobahnpolizeirevier Dienst tut, hat sich wegen fahrlässiger Körperverletzung schuldig gemacht, weil er Falschfahrer im Polizeifunk nicht rechtzeitig gemeldet hat und dies zu einem schweren Unfall führte.

FAQs zum Thema Fahrlässigkeit

Im Folgenden werden häufig gestellte Fragen zum Thema Fahrlässigkeit im deutschen Strafrecht beantwortet. Dies soll dazu dienen, das Verständnis der Materie zu vertiefen und eine Hilfestellung im Umgang mit fahrlässigen Handlungen zu bieten.

Ist Fahrlässigkeit immer strafbar?

Nein, Fahrlässigkeit ist nur dann strafbar, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht (vgl. § 15 StGB). In vielen Fällen ist fahrlässiges Handeln jedoch zivilrechtlich relevant und kann zu Schadensersatzansprüchen führen (vgl. § 276 Abs. 2 BGB).

Wie kann ich Fahrlässigkeit nachweisen?

Fahrlässigkeit kann nachgewiesen werden, indem man den konkreten Sachverhalt analysiert und dabei aufzeigt, dass der Täter eine ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat. Hierbei spielen Zeugenaussagen, Gutachten und andere Beweismittel eine wichtige Rolle. Ein Rechtsanwalt kann bei der Beweisführung in einem Rechtsstreit oder Strafverfahren helfen.

Wie hoch sind die Strafen bei fahrlässigen Handlungen?

Die Strafen bei fahrlässigen Handlungen hängen von der Schwere der Tat ab und können Geldstrafen oder Freiheitsstrafen umfassen. Bei fahrlässiger Tötung liegt die Höchststrafe bei einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren (§ 222 StGB), während die Höchststrafe bei fahrlässiger Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren ist (§ 229 StGB).

Wann verjähren fahrlässig begangene Straftaten?

Die Verjährungsfrist für fahrlässig begangene Straftaten beträgt gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB grundsätzlich drei Jahre. Die Frist beginnt mit der Begehung der Tat – Ausnahmen gelten jedoch, z. B. bei der fahrlässigen Herbeiführung einer Umweltgefährdung, bei der eine fünfjährige Verjährungsfrist anzusetzen ist. In bestimmten Fällen, beispielsweise im Zusammenhang mit komplexen Wirtschaftsstraftaten, kann die Verjährung gehemmt oder unterbrochen werden.

Worin unterscheidet sich fahrlässiges Handeln von einer Ordnungswidrigkeit?

Während fahrlässiges Handeln eine strafbare Handlung ist, die aufgrund einer Sorgfaltspflichtverletzung entsteht, ist eine Ordnungswidrigkeit ein rechtswidriges, aber dennoch vorwerfbares Verhalten, das in der Regel weniger schwer wiegt als eine Straftat. Ordnungswidrigkeiten werden meist mit Bußgeldern geahndet und haben in der Regel keine strafrechtlichen Folgen, auch wenn die Handlung fahrlässig begangen wurde. Ein Beispiel hierfür wäre das Falschparken.

Fazit

Fahrlässigkeit ist im deutschen Strafrecht neben dem Vorsatz eine wichtige Form des Verschuldens, die zu einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit führen kann. Fahrlässiges Handeln ist geprägt von einer Verletzung der Sorgfaltspflicht, die zu einem Schaden führt, der bei Beachtung dieser Pflicht nicht eingetreten wäre. Neben der einfachen Fahrlässigkeit kann auch grobe Fahrlässigkeit für eine Strafbarkeit herangezogen werden, bei der ein besonders schweres Maß an Nachlässigkeit vorliegt.

In diesem Artikel haben wir Definition, Rechtsgrundlagen, Beispiele und Gerichtsurteile behandelt, die ein fundiertes Verständnis von Fahrlässigkeit im deutschen Strafrecht ermöglichen. Dabei wurde auch die Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit erläutert, die für eine differenzierte rechtliche Bewertung von zentraler Bedeutung ist.

Abschließend sollten Sie sich bei rechtlichen Fragen oder Problemen zur Fahrlässigkeit stets an einen erfahrenen und kompetenten Rechtsanwalt wenden, der Sie in Ihrem individuellen Fall beraten und unterstützen kann.

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