Der Gewinnabführungsvertrag (GAV) ist ein wesentliches Instrument zur Gestaltung von Unternehmensverbindungen und zur Umsetzung von steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Zielen. Er ermöglicht die Vereinheitlichung der Gewinn- und Verlustabführung innerhalb eines Konzerns. In diesem ausführlichen Blog-Beitrag widmen wir uns den rechtlichen Rahmenbedingungen, steuerlichen Aspekten und den wichtigsten gerichtlichen Entscheidungen zum Thema GAV.

Rechtliche Grundlagen für Gewinnabführungsverträge

Die rechtlichen Grundlagen für Gewinnabführungsverträge sind im deutschen Aktiengesetz (AktG), Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) und im Umwandlungsgesetz (UmwG) festgelegt. Im Folgenden geben wir eine Übersicht über die relevanten Gesetze und ihre Bestimmungen:

  • § 291 AktG: Diese Vorschrift bildet die Grundlage für Gewinnabführungsverträge zwischen Aktiengesellschaften und anderen Kapitalgesellschaften. Die Regelung verlangt, dass ein solcher Vertrag die Abführung des gesamten Gewinns an den Organträger vorsieht.
  • § 17 GmbHG: Diese Bestimmung ermöglicht Gewinnabführungsverträge zwischen einer GmbH als herrschendem Unternehmen und einer anderen Kapitalgesellschaft. Sie verweist dabei auf die Anwendung der Bestimmungen des Aktiengesetzes, insbesondere auf § 291 AktG.
  • § 14 Abs. 1 UmwG: Diese Norm bestimmt die Voraussetzungen für eine steuerliche Organschaft, welche neben der finanziellen Eingliederung auch die tatsächliche Durchführung von Gewinnabführungsverträgen fordert.

Anforderungen an einen wirksamen Gewinnabführungsvertrag

Um einen wirksamen GAV abzuschließen, müssen bestimmte formelle Anforderungen erfüllt sein:

  • Schriftform: Der Vertrag muss schriftlich abgefasst und von beiden Gesellschaften unterzeichnet werden.
  • Hauptversammlung/Beschlussfassung: Der GAV muss von der Hauptversammlung (bei Aktiengesellschaften) bzw. der Gesellschafterversammlung (bei GmbHs) mit einer qualifizierten Mehrheit beschlossen werden. Bei Aktiengesellschaften beträgt die erforderliche Mehrheit mindestens drei Viertel der vertretenen Stimmen (§ 295 Abs. 1 AktG), bei GmbHs richtet sich die Mehrheit nach den gesetzlichen und statutarischen Vorgaben (§ 54 GmbHG).
  • Notarielle Beurkundung: Die Zustimmung der Hauptversammlung bzw. der Gesellschafterversammlung zum GAV muss notariell beurkundet werden (§ 293 AktG bzw. § 17 Abs. 2 GmbHG).
  • Eintragung im Handelsregister: Der GAV ist erst mit seiner Eintragung im Handelsregister des beherrschten Unternehmens wirksam (§ 294 AktG).

Laufzeit und Kündigung des Gewinnabführungsvertrags

Gerade im Bereich der steuerlichen Organschaft spielt die Laufzeit des GAV eine wesentliche Rolle. Hierzu hat der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung Anforderungen entwickelt:

  • Mindestlaufzeit: Für eine steuerliche Anerkennung im Rahmen einer Organschaft ist eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren für den GAV erforderlich (BFH-Urteil vom 20.12.2006 – I R 6/06).
  • Kündigung aus wichtigem Grund: In der Regel enthält ein GAV eine Regelung, die eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund zulässt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen der Organschaft nicht mehr gegeben sind oder ein Umsatzgeschäft zum Verlust der Organschaft führt (BFH-Urteil vom 19.03.2003 – I R 9/02).
  • Ordentliche Kündigung: Ein GAV kann grundsätzlich ordentlich gekündigt werden, sofern der Vertrag dies vorsieht. Eine ordentliche Kündigung ist jedoch vor Ablauf der Mindestlaufzeit von fünf Jahren – bezogen auf die steuerliche Organschaft – regelmäßig nicht möglich (BFH-Urteil vom 30.07.2014 – I R 59/12).

Gewinnabführung und Verlustübernahme

Bei der Vereinbarung der Gewinnabführung und Verlustübernahme sind mehrere Aspekte und Rechtsgrundlagen zu beachten:

Gewinnabführung

  • Abführung des gesamten Gewinns (§ 291 AktG): Der GAV hat die Abführung des gesamten Gewinns des Organgesellschaft an den Organträger vorzusehen. Es handelt sich hierbei um den zulässigerweise verwendbaren Gewinn, der in der Bilanz des Organgesellschafts ausgewiesen wird.
  • Aufstellung eines Feststellungsplans: Zur Bestimmung der abzuführenden Gewinne wird ein Feststellungsplan aufgestellt, der die Betriebsabrechnungen, die Verrechnungsrechnungen und die Gewinnberechnungen enthält (§ 292 AktG).
  • Ausschüttungssperre: Gemäß § 301 AktG besteht für das Organgesellschaft eine Ausschüttungssperre in Höhe des Bilanzgewinns, der nach einem GAV an den Organträger abgeführt werden soll.

Verlustübernahme

  • Verlustübernahme (§ 302 AktG): Als Gegenleistung für die Gewinnabführung übernimmt der Organträger die etwaigen Verluste des Organgesellschaft. Die Verlustübernahme findet gemäß § 302 AktG Nennkapital-(Bilanz-)ansatzweise statt.
  • Verlustübernahme bei Konzernen: Bei Einbindung einer Tochtergesellschaft in einen Konzern kann die Verlustübernahmepflicht gemäß § 302 Abs. 3 AktG i.V.m. § 308 AktG bilanzmäßig vollzogen werden.
  • Organisationsmäßige Eingliederung einer Kapitalgesellschaft: Die organschaftliche Pflicht zur Verlustübernahme nach § 302 AktG i.V.m. § 17 Abs. 2 GmbHG besteht nur bei einer organisatorischen Eingliederung. Eine finanzielle Eingliederung allein genügt nicht zur Begründung der organschaftlichen Verlustübernahmepflicht (BGH-Urteil vom 20.03.2018 – II ZR 25/15).

Rechtsfolgen bei fehlerhafter Durchführung des GAV

Die fehlerhafte Durchführung eines GAV kann sowohl zivil- wie steuerrechtliche Folgen haben:

Zivilrechtliche Folgen

  • Anspruch auf Schadensersatz: Missachtet der Organträger seine Organpflichten und/oder führt er die vorgeschriebene Gewinnabführung bzw. Verlustübernahme nicht ordnungsgemäß durch, kann seitens der Organgesellschaft bzw. deren Minderheitsaktionären, ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden (§ 317 AktG).
  • Anspruch auf Gewinnabführung bzw. Verlustübernahme: Die Nichtdurchführung der vereinbarten Gewinnabführung bzw. Verlustübernahme begründet unter Umständen einen vertraglichen Anspruch (§ 311 Abs. 1 BGB).

Steuerrechtliche Folgen

  • Aberkennung der steuerlichen Organschaft: Wird die organschaftliche Gewinnabführung bzw. Verlustübernahme nicht ordnungsgemäß durchgeführt, kann dies zur Aberkennung der steuerlichen Organschaft führen. In solchen Fällen verliert die Organgesellschaft die Vorteile der umsatzsteuerfreien Verrechnungen sowie der Gewerbesteuer-Kürzungen, was zu erheblichen steuerlichen Nachteilen führen kann.
  • Steuerliche Verlustverrechnung: Werden im Rahmen des GAV Verluste der Organgesellschaft dem Organträger zugerechnet und diese Verluste infolge fehlerhafter Vertragsgestaltung nicht steuerlich anerkannt, kommt es zu einer Verlustberücksichtigungssperre bei der Organgesellschaft. Die Verluste können dann nicht mehr mit zukünftigen Gewinnen verrechnet werden.

Aktuelle Rechtsprechung und wichtige Urteile

Das Thema Gewinnabführungsverträge wird regelmäßig durch aktuelle Gerichtsentscheidungen konkretisiert und weiterentwickelt. Im Folgenden stellen wir einige markante Urteile dar:

  • Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 10.05.2017 – I R 93/15: Der BFH hat entschieden, dass eine im Betriebsabrechnungsbogen enthaltene Klausel, die keinen ausdrücklichen Vorwegabzug von Verlusten des Organgesellschaft vorsieht, zur Nichtanerkennung der steuerlichen Organschaft führt.
  • Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 20.03.2018 – II ZR 25/15: Der BGH hat klargestellt, dass eine Verlustübernahmepflicht nur besteht, wenn eine organisatorische Eingliederung vorliegt. Eine alleinige finanzielle Eingliederung ist dafür nicht ausreichend.
  • Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 13.06.2018 – I R 54/16: Der BFH hat entschieden, dass ein GAV auch wirksam ist, wenn er unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass die Eintragung im Handelsregister erfolgt. Diese Entscheidung hat erhebliche steuerliche Implikationen, da somit keine Diskrepanz zwischen Zivil- und Steuerrecht besteht.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Welche Gesellschaften können Gewinnabführungsverträge abschließen?

Gewinnabführungsverträge können grundsätzlich zwischen Kapitalgesellschaften, insbesondere Aktiengesellschaften (AG) und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), abgeschlossen werden. Eine Kombination aus AG oder GmbH als Organträger und Personengesellschaften oder Einzelkaufleuten ist hingegen nicht möglich.

Wie lange dauert ein Gewinnabführungsvertrag?

Die Mindestlaufzeit für einen GAV beträgt fünf Jahre. Eine kürzere Laufzeit führt zur Nichtanerkennung der steuerlichen Organschaft. Die maximale Laufzeit ist rechtlich nicht vorgegeben und kann individuell vereinbart werden.

Kann ein Gewinnabführungsvertrag rückwirkend abgeschlossen werden?

Ein GAV kann grundsätzlich nicht rückwirkend abgeschlossen werden, da er eine Zustimmung der Hauptversammlung bzw. Gesellschafterversammlung und eine Eintragung im Handelsregister benötigt. Eine rückwirkende Abführung von Gewinnen und Übernahme von Verlusten ist daher nicht möglich.

Welche Vorteile bietet ein Gewinnabführungsvertrag?

Ein GAV ermöglicht insbesondere eine einheitliche und zentralisierte Steuerung der Gewinne und Verluste innerhalb eines Konzerns. Dies bietet sowohl betriebswirtschaftliche Effizienzvorteile als auch steuerliche Vorteile, wie die Möglichkeit der umsatzsteuerfreien Verrechnung und die Kürzung der Gewerbesteuer.

Welche Nachteile hat ein Gewinnabführungsvertrag?

Ein GAV ist rechtlich komplex und erfordert eine sorgfältige Planung und Durchführung. Die Nichtbeachtung oder Fehlanwendung von rechtlichen Regelungen kann gravierende zivil- und steuerrechtliche Folgen nach sich ziehen, wie die Aberkennung der steuerlichen Organschaft oder Schadensersatzansprüche.

Fazit

Ein Gewinnabführungsvertrag ist ein wichtiges Instrument, um die Gewinn- und Verlustabführung innerhalb eines Konzerns zu gestalten und steuerliche Vorteile zu nutzen. Dabei sind die rechtlichen Rahmenbedingungen und aktuellen Gerichtsurteile von entscheidender Bedeutung, um eine wirksame Vertragsgestaltung und -durchführung zu gewährleisten. Die hier präsentierten Informationen und Beispiele sollen helfen, ein fundiertes Verständnis für das rechtliche Umfeld von GAVs zu entwickeln und bei deren Gestaltung Handlungssicherheit zu erlangen. Dennoch ist es in vielen Fällen ratsam, sich anwaltlich beraten zu lassen, um individuelle Fragestellungen und (steuer-)rechtliche Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen.

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