Der Instanzenzug spielt im deutschen Rechtssystem eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, eine gerichtliche Entscheidung anzufechten und eine Überprüfung durch ein höheres Gericht herbeizuführen. In diesem umfassenden Beitrag erfahren Sie alles über die verschiedenen Rechtsmittelinstanzen, die beteiligten Gesetze, aktuelle Gerichtsurteile und häufige Fragen zum Thema Instanzenzug in Deutschland.

Inhalt

  1. Von den Grundlagen zum Instanzenzug
  2. Die Gerichtsbarkeiten und ihre Instanzenzug
  3. Rechtsmittel und ihre Voraussetzungen
  4. Aktuelle Gerichtsurteile zum Thema Instanzenzug
  5. Häufige Fragen zum Instanzenzug
  6. Fazit

Von den Grundlagen zum Instanzenzug

Bevor wir in die Details der verschiedenen Instanzen eintauchen, klären wir zunächst die grundlegenden Konzepte, die mit dem Instanzenzug verbunden sind.

Gesetzliche Grundlagen und Verfassungsrechtliche Verankerung

Der Instanzenzug ist verfassungsrechtlich in Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) verankert. Darin heißt es:

„Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen.“

Der Anspruch auf ein faires Verfahren ist in Artikel 103 GG gewährleistet, wobei die detaillierte Ausgestaltung des Instanzenzugs in den jeweiligen Gesetzen der einzelnen Gerichtsbarkeiten geregelt ist. Die wichtigsten Gesetze sind:

Zweck des Instanzenzuges

Der Instanzenzug verfolgt drei Hauptzwecke:

  1. Rechtsschutz: Er ermöglicht die Korrektur fehlerhafter gerichtlicher Entscheidungen und stellt so die Durchsetzung materiell gültiger Rechtsansprüche sicher.
  2. Rechtsfortbildung: Die höheren Gerichte haben die Aufgabe, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären, um eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten.
  3. Im Sozialgerichtsbarkeit: Die Instanzen sichern die Herstellung einer materialrechtlich „richtigen“ Entscheidung durch funktionale Spezialisierung und intensivere Rechtsfindung.

Die Gerichtsbarkeiten und ihre Instanzenzug

In Deutschland gibt es fünf Gerichtsbarkeiten:

In jeder Gerichtsbarkeit existiert eine eigene Instanzenstruktur, die sich in den jeweiligen Gesetzen wiederfindet sowie als vereinfachte Übersicht in folgenden Abschnitten heruntergebrochen ist:

Ordentliche Gerichtsbarkeit

Der Instanzenzug in der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist dreistufig:

  1. Amtsgericht (AG) – erste Instanz in Zivil- und Strafsachen
  2. Landgericht (LG) – zweite Instanz in Zivil- und Strafsachen sowie erste Instanz in bestimmten Zivil- und Strafsachen
  3. Oberlandesgericht (OLG) – dritte (Rechtsmittel-)Instanz in Zivil- und Strafsachen

Als oberstes Bundesgericht steht der Bundesgerichtshof (BGH) an der Spitze der ordentlichen Gerichtsbarkeit.

Verwaltungsgerichtsbarkeit

In der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist der Instanzenzug ebenfalls dreistufig:

  1. Verwaltungsgericht (VG) – erste Instanz
  2. Oberverwaltungsgericht (OVG) oder Verwaltungsgerichtshof (VGH) – zweite (Rechtsmittel-)Instanz
  3. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) – dritte (Revisions-)Instanz

Arbeitsgerichtsbarkeit

Der Instanzenzug in der Arbeitsgerichtsbarkeit gliedert sich ebenfalls in drei Stufen:

  1. Arbeitsgericht (ArbG) – erste Instanz
  2. Landesarbeitsgericht (LAG) – zweite (Berufungs-)Instanz
  3. Bundesarbeitsgericht (BAG) – dritte (Revisions-)Instanz

Sozialgerichtsbarkeit

Die Sozialgerichtsbarkeit weist ebenfalls einen dreistufigen Instanzenzug auf:

  1. Sozialgericht (SG) – erste Instanz
  2. Landessozialgericht (LSG) – zweite (Berufungs-)Instanz
  3. Bundessozialgericht (BSG) – dritte (Revisions-)Instanz

Finanzgerichtsbarkeit

In der Finanzgerichtsbarkeit besteht ein zweistufiger Instanzenzug:

  1. Finanzgericht (FG) – erste Instanz
  2. Bundesfinanzhof (BFH) – zweite (Revisions-)Instanz

Daneben besteht die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG), wenn der Beschwerdeführer geltend macht, durch die öffentliche Gewalt in seinen Grundrechten oder in einzelnen gleichheitsrechtsähnlichen Rechtspositionen verletzt zu sein.

Rechtsmittel und ihre Voraussetzungen

Rechtsmittel sind prozessuale Gestaltungsmittel, mit denen im Rahmen des Instanzenzuges eine gerichtliche Entscheidung angefochten und einer Überprüfung durch ein höheres Gericht unterzogen werden kann. Die verschiedenen Rechtsmittel in den einzelnen Gerichtsbarkeiten unterscheiden sich in ihren Voraussetzungen und Wirkungen. Im Folgenden erhalten Sie einen Überblick über die wichtigsten Rechtsmittel in den einzelnen Gerichtsbarkeiten:

Berufung in der Ordentlichen Gerichtsbarkeit und Arbeitsgerichtsbarkeit

  • Zulässigkeitsvoraussetzung:
    • Die Berufung muss statthaft sein: Die Sache ist berufungsfähig, wenn das erstinstanzliche Urteil nicht durch ein Anerkenntnis-, Versäumnis- oder Erkenntnisurteil ergangen ist und die Berufungsfrist eingehalten wurde.
    • Die Berufung ist zuzulassen, wenn der Streitwert der Berufung 600 Euro übersteigt oder das erstinstanzliche Gericht in seinem Urteil die Berufung zugelassen hat.
  • Begründetheit: Die Berufung ist begründet, wenn das erstinstanzliche Urteil auf einer Rechtsverletzung beruht oder die zugrundeliegenden Tatsachen falsch gewürdigt wurden.

Revision in der Ordentlichen Gerichtsbarkeit und Arbeitsgerichtsbarkeit

  • Zulässigkeitsvoraussetzungen:
    • Die Revision ist statthaft, wenn das angefochtene Urteil durch Berufung oder Berufungsrücknahme oder durch einen anderen Rechtszug entstanden ist und die Revisionsfrist eingehalten wurde.
    • Die Revision ist zuzulassen, wenn sie von einem Revisionsgericht zugelassen wurde, das angefochtene Urteil die Revision zugelassen hat oder ein Revisionsgrund vorliegt (z. B. grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder Divergenz).
  • Begründetheit: Die Revision ist begründet, wenn das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung beruht oder die Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts zu einer neuen Beurteilung der Sache führen.

Berufung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Sozialgerichtsbarkeit und Finanzgerichtsbarkeit

  • Zulässigkeitsvoraussetzungen: Die Berufung muss statthaft und in der vorgeschriebenen Form und Frist eingelegt worden sein. Darüber hinaus muss die Berufung zulässig sein, d. h. der Streitwert übersteigt die in den jeweiligen Gerichtsbarkeiten festgelegten Schwellenwerte und/oder das erstinstanzliche Gericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung oder Divergenz zugelassen.
  • Begründetheit: Die Berufung ist begründet, wenn das erstinstanzliche Urteil auf einer Rechtsverletzung beruht oder die zugrundeliegenden Tatsachen fehlerhaft gewürdigt wurden.

Revision in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Sozialgerichtsbarkeit und Finanzgerichtsbarkeit

  • Zulässigkeitsvoraussetzungen: Die Revision ist statthaft, wenn das angefochtene Urteil durch Berufung oder Berufungsrücknahme oder durch einen anderen Rechtszug entstanden ist und die Revisionszulassungs- und Revisionsfrist eingehalten wurde. Ferner muss ein Revisionsgrund vorliegen (z. B. grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz).
  • Begründetheit: Die Revision ist begründet, wenn das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung beruht oder die Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts gemäß den jeweiligen maßgeblichen Revisionsgründen zu einer neuen Beurteilung der Sache führen.

Nichtzulassungsbeschwerde in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Sozialgerichtsbarkeit und Finanzgerichtsbarkeit

  • Zulässigkeitsvoraussetzungen: Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft, wenn das angefochtene Urteil durch Berufung oder Berufungsrücknahme oder durch einen anderen Rechtszug entstanden ist, die Berufung nicht zugelassen ist und ein Beschwerdegrund vorliegt (z. B. grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Verfahrensmangel, Divergenz).
  • Begründetheit: Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet, wenn einer der genannten Beschwerdegründe vorliegt und das Revisionsgericht die Revision zulässt.

Verfassungsbeschwerde

  • Zulässigkeitsvoraussetzungen: Die Verfassungsbeschwerde ist statthaft, wenn der Beschwerdeführer geltend macht, durch die öffentliche Gewalt in seinen Grundrechten oder in einzelnen gleichheitsrechtsähnlichen Rechtspositionen verletzt zu sein. Zudem müssen der Rechtsweg erschöpft und alle anderen Möglichkeiten zur Durchsetzung der Rechte (z. B. einstweilige Anordnung) erfolglos gewesen sein.
  • Begründetheit: Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn tatsächlich eine Verletzung der geltend gemachten Grundrechte oder gleichheitsrechtsähnlichen Rechtspositionen durch die öffentliche Gewalt vorliegt.

Aktuelle Gerichtsurteile zum Thema Instanzenzug

Die folgenden aktuellen Gerichtsurteile veranschaulichen die verschiedenen Aspekte des Instanzenzugs und bieten Einblicke in die Rechtsprechung insbesondere im Hinblick auf die Zulässigkeit und Begründetheit von Rechtsmitteln.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Januar 2021 – VIII ZR 118/19: Unwirksame Klausel zur Abgeltung von Renovierungspflichten

Das erstinstanzliche Amtsgericht entschied zugunsten des Mieters und erklärte eine Klausel zur Abgeltung von Renovierungspflichten im Mietvertrag für unwirksam. Das Landgericht änderte die Entscheidung jedoch und wies die Berufung des Mieters zurück. Der Bundesgerichtshof hob schließlich das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück, wobei die Unwirksamkeit der Klausel bestätigt wurde. Dieses Urteil zeigt, wie der Instanzenzug zur Korrektur von gerichtlichen Entscheidungen beiträgt, um den materiellen Rechtsanspruch zu gewährleisten.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 864/21: Unzulässige Eigenheimzulage-Verfassungsbeschwerde

Ein Steuerpflichtiger erhob Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs, die eine Eigenheimzulage abgelehnt hatte. Nachdem der Steuerpflichtige alle Instanzen der Finanzgerichtsbarkeit ausgeschöpft hatte, wendete er sich an das Bundesverfassungsgericht. Die Verfassungsbeschwerde wurde jedoch als unzulässig verworfen, da es an einer ausreichenden Substantiierung und Begründung der behaupteten Grundrechtsverletzung fehlte.

Häufige Fragen zum Instanzenzug

Was ist der Instanzenzug?

Der Instanzenzug ist der Weg, den eine gerichtliche Entscheidung durch mehrere Gerichtsinstanzen nehmen kann, um eine Überprüfung und gegebenenfalls eine Korrektur der Entscheidung herbeizuführen. Dabei kommen in der Regel Rechtsmittel wie Berufung und Revision zum Einsatz.

Wie viele Gerichtsbarkeiten gibt es und welcher Instanzenzug ist üblich?

In Deutschland gibt es fünf Gerichtsbarkeiten: die ordentliche Gerichtsbarkeit, die Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Arbeitsgerichtsbarkeit, die Sozialgerichtsbarkeit und die Finanzgerichtsbarkeit. In den meisten Gerichtsbarkeiten besteht ein dreistufiger Instanzenzug, in der Finanzgerichtsbarkeit ein zweistufiger Instanzenzug.

Welche Rechtsmittel stehen im Instanzenzug zur Verfügung und welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Im Instanzenzug stehen verschiedene Rechtsmittel zur Verfügung, darunter Berufung, Revision, Nichtzulassungsbeschwerde und Verfassungsbeschwerde. Die Zulässigkeits- und Begründetheitsvoraussetzungen variieren je nach Rechtsmittel und Gerichtsbarkeit. In der Regel müssen Form- und Fristvoraussetzungen eingehalten werden, und es sind bestimmte Gründe für die Anfechtung der Entscheidung erforderlich, wie beispielsweise eine Rechtsverletzung oder eine fehlerhafte Tatsachenwürdigung.

Was passiert, wenn ein Rechtsmittel teilweise oder vollständig erfolgreich ist?

Wenn ein Rechtsmittel teilweise oder vollständig erfolgreich ist, kann das höhere Gericht die Entscheidung der unteren Instanz ändern oder aufheben. In einigen Fällen kann die Sache zur erneuten Entscheidung an das untere Gericht zurückverwiesen werden, um eine erneute Tatsachen- oder Rechtsprüfung vorzunehmen. Im Falle einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde kann das Bundesverfassungsgericht eine Rechtsverletzung feststellen und gegebenenfalls anordnen, dass die Sache erneut verhandelt werden muss.

Kann man einen Instanzenzug verhindern oder abkürzen?

In manchen Fällen ist es möglich, einen Instanzenzug durch eine gütliche Einigung oder einen Vergleich zwischen den Parteien zu verhindern oder abzukürzen. Zudem können bestimmte gesetzliche Voraussetzungen eine Abkürzung des Instanzenzugs bewirken, etwa das Verbot einer weiteren Berufung oder Revision in Fällen mit geringem Streitwert. Schließlich kann das Verhalten der Parteien während des Verfahrens – beispielsweise durch Anerkenntnis oder Rücknahme von Rechtsmitteln – den Instanzenzug verkürzen.

Wie lange dauert ein Instanzenzug im Durchschnitt?

Die genaue Dauer eines Instanzenzugs variiert je nach Art der Rechtssache, den beteiligten Gerichten und der Rechtsmaterie. Im Allgemeinen kann ein Instanzenzug mehrere Monate bis zu mehreren Jahren in Anspruch nehmen, insbesondere wenn es durch alle möglichen Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof oder Bundesverfassungsgericht geht.

Entstehen für die Parteien zusätzliche Kosten, wenn sie den Instanzenzug beschreiten?

Ja, der Instanzenzug ist grundsätzlich mit zusätzlichen Kosten verbunden. Die genauen Kosten hängen von verschiedenen Faktoren ab, wie beispielsweise den Gerichtsgebühren, den Anwaltskosten und den Streitwerten der jeweiligen Gerichtsbarkeit. Im Falle eines unterlegenen Rechtsmittels können auch die Kosten des gegnerischen Rechtsanwalts anfallen. Manche Verfahren können jedoch auch kostenfrei sein, wie zum Beispiel die Kosten für Prozesskostenhilfeberechtigte oder die Kosten für eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht.

Fazit

Der Instanzenzug ist ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Rechtssystems und ermöglicht es den Parteien, eine Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen durch höhere Gerichte herbeizuführen. In diesem Beitrag haben wir die wichtigsten Aspekte des Instanzenzuges erläutert, einschließlich der verschiedenen Gerichtsbarkeiten, der gängigen Rechtsmittel und der aktuellen Rechtsprechung. Zudem sind häufige Fragen zum Thema beantwortet worden.

Obwohl der Instanzenzug ein wertvolles Instrument zur Durchsetzung materieller Rechte und zur Rechtsfortbildung darstellt, sollten sich die Parteien auch der potenziellen verfahrensbedingten Kosten und der Dauer von mehrinstanzlichen Verfahren bewusst sein. Eine umfassende juristische Beratung ist daher in vielen Fällen von entscheidender Bedeutung, um die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abzuwägen und gegebenenfalls kostspielige Fehler zu vermeiden.

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