Als erfahrene Kanzlei ist uns bewusst, dass das deutsche Rechtssystem nicht immer einfach zu navigieren ist – insbesondere für Laien. Deshalb möchten wir Ihnen in diesem Blogbeitrag einen detaillierten Überblick über die verschiedenen Klagearten im deutschen Recht geben und mit zahlreichen Beispielen, Gesetzen, aktuellen Gerichtsurteilen und FAQs Ihre Kenntnisse erweitern. Somit können Sie selbst einschätzen, welche Klageform in einer bestimmten Situation angebracht sein könnte.

Bevor wir uns jedoch den einzelnen Klagearten widmen, möchte ich zunächst einige grundlegende Begriffe und Konzepte erläutern, die für das Verständnis der verschiedenen Klagearten relevant sind.

Allgemeine juristische Grundlagen

Das deutsche Rechtssystem unterscheidet grundsätzlich zwischen öffentlichen und privaten Rechtsangelegenheiten. Das öffentliche Recht befasst sich mit den Beziehungen zwischen dem Staat und seinen Bürgern, während das Privatrecht die Beziehungen zwischen Privatpersonen und Unternehmen regelt.

Weiterhin wird zwischen den folgenden Rechtsgebieten unterschieden:

Diese Einteilung ist wichtig, um die verschiedenen Arten von Klagen und ihre jeweilige Anwendbarkeit besser zu verstehen.

Klagearten im Zivilrecht

Das Zivilrecht regelt Streitigkeiten zwischen Privatpersonen und Unternehmen und umfasst somit das gesamte Privatrecht. Im Zivilrecht gibt es verschiedene Klagearten, die im Folgenden erläutert werden:

Leistungsklage

Die Leistungsklage ist die häufigste Klageart im Zivilrecht. Hier verschafft der Kläger sich eine gerichtliche Entscheidung, um eine Leistung vom Beklagten einzufordern. Dies kann z.B. die Zahlung einer Geldschuld oder die Übergabe einer Sache sein.

Ein aktuelles Urteil zu Leistungsklagen ist etwa das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Dieselgate-Skandal: BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19.

Feststellungsklage

Wird das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses streitig bzw. unsicher, kann die Feststellungsklage (§ 256 Zivilprozessordnung – ZPO) zur Klärung der Rechtslage eingesetzt werden. Die Feststellungsklage hat keine ausführende Wirkung, dient jedoch zur Rechtssicherheit der beteiligten Parteien.

Beispiel: Eine Versicherung verweigert die Zahlung aufgrund einer angeblichen vertraglichen Regelung. Der Versicherte ist jedoch anderer Meinung und erhebt Feststellungsklage, um gerichtlich klären zu lassen, ob die vertragliche Regelung besteht oder nicht.

Duldungsklage

Bei der Duldungsklage (§ 1004 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) zielt der Kläger darauf ab, dass der Beklagte eine direkt oder indirekt beeinträchtigende Handlung unterlässt oder duldet. Beispielsweise kann ein Grundstückseigentümer auf Unterlassen von Lärm oder Abstellen von Fahrzeugen auf seinem Grundstück klagen.

Gestaltungsklage

Die Gestaltungsklage dient der Veränderung von Rechtsverhältnissen. Sie ist nicht in einem bestimmten Gesetz verankert, sondern ergibt sich aus der Rechtsnatur verschiedener gesetzlicher Regelungen. Beispiele hierfür sind die Klage auf Ehescheidung, Erbauseinandersetzung oder Anfechtung von Willenserklärungen.

Klagearten im Strafrecht

Im Strafrecht steht die Durchsetzung von staatlichen Strafansprüchen im Vordergrund. Hier ist es in der Regel die Staatsanwaltschaft, die Klage einreicht. Trotzdem gibt es bestimmte Klagearten, die von Privatpersonen eingelegt werden können:

Privatklage

Bei der Privatklage (§§ 374-394 Strafprozessordnung – StPO) haben Privatpersonen die Möglichkeit, als Kläger selbstständig bestimmte Straftaten, wie zum Beispiel Beleidigung oder Hausfriedensbruch, zu verfolgen, wenn die Staatsanwaltschaft keine öffentlichen Klage erhebt.

Ein Beispiel hierfür ist der Fall eines Streits zwischen Nachbarn, bei dem einer der Nachbarn den anderen beleidigt. Geht die Staatsanwaltschaft diesem Vorwurf nicht nach, kann der beleidigte Nachbar selbst eine Privatklage einreichen, um den Tatbestand der Beleidigung gerichtlich zu verfolgen.

Nebenklage

Die Nebenklage (§§ 395-401 StPO) ermöglicht es Opfern bestimmter schwerwiegender Straftaten, sich dem Strafverfahren gegen den Täter als Nebenkläger anzuschließen und eigene Beweisanträge zu stellen oder Rechtsmittel einzulegen.

Beispiele für Straftaten, bei denen Nebenklage zulässig ist, sind etwa Körperverletzung, Vergewaltigung oder Raub. Ein aktuelles Urteil hierzu ist das Urteil des Landgerichts München I im Fall des Anschlags beim Oktoberfest 1980: LG München I, Urteil vom 26.11.2020, Az. 25 KLs 802 Js 12030/81.

Klagearten im Verwaltungsrecht

Das Verwaltungsrecht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen dem Staat, seinen Behörden und den Bürgern bei verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten. Im Verwaltungsrecht gibt es mehrere Klagearten, die im Folgenden erläutert werden:

Anfechtungsklage

Die Anfechtungsklage (§ 42 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) dient dazu, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob ein Verwaltungsakt rechtswidrig ist und aufgehoben werden muss.

Beispiel: Ein Bürger erhält einen Bescheid über die Erhöhung der Grundsteuer, hält diese Erhöhung jedoch für rechtswidrig. Er kann dann eine Anfechtungsklage einreichen, um die Rechtswidrigkeit und Aufhebung des Bescheids gerichtlich prüfen zu lassen.

Verpflichtungsklage

Mit der Verpflichtungsklage (§ 42 VwGO) kann ein Bürger gerichtlich durchsetzen, dass eine Behörde eine bestimmte Handlung vornehmen muss, etwa die Erteilung einer Baugenehmigung.

Fortsetzungsfeststellungsklage

Die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 VwGO) kommt zum Einsatz, wenn ein Verwaltungsakt schon erledigt ist (etwa durch Rücknahme), der Kläger jedoch grundsätzlich klären lassen möchte, ob dieser Verwaltungsakt rechtswidrig war. Diese Klageart dient oft der Vorbereitung einer Amtshaftungsklage.

Normenkontrollklage

Die Normenkontrollklage (§ 47 VwGO) ermöglicht es, Verordnungen und Satzungen auf ihre Rechtsmäßigkeit hin überprüfen zu lassen. Diese Klageart steht meist nur bestimmten juristischen Personen, etwa Gemeinden oder bestimmten Verbänden, zur Verfügung.

Klagearten im Arbeitsrecht

Das Arbeitsrecht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Hier gibt es neben den allgemeinen zivilrechtlichen Klagearten auch spezielle arbeitsrechtliche Klageformen:

Kündigungsschutzklage

Die Kündigungsschutzklage (§ 4 KündigungsschutzgesetzKSchG) ermöglicht es Arbeitnehmern, gegen eine aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Kündigung vorzugehen. Die Klage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden, damit das Arbeitsgericht die Rechtswirksamkeit der Kündigung überprüfen kann.

Entgeltklage

Die Entgeltklage dient der Durchsetzung von Lohnansprüchen des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, etwa wenn dieser den vereinbarten Lohn teilweise oder gar nicht zahlt.

Klagearten im Sozialrecht

Das Sozialrecht regelt die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland, wie etwa die gesetzliche Renten-, Kranken- und Unfallversicherung, sowie die Grundsicherung. Bei Streitigkeiten im Sozialrecht gibt es die Sozialgerichtsbarkeit mit eigenen Klagearten:

Anfechtungsklage im Sozialrecht

Die Anfechtungsklage im Sozialrecht (§ 54 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist vergleichbar mit der verwaltungsrechtlichen Anfechtungsklage und dient der Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten im Bereich des Sozialrechts, wie beispielsweise Bescheide über Sozialleistungen.

Verpflichtungsklage im Sozialrecht

Die Verpflichtungsklage im Sozialrecht (§ 54 SGG) zielt darauf ab, dass der Kläger durch eine gerichtliche Entscheidung Leistungen von einer Sozialbehörde bzw. einem Träger der Sozialversicherung einfordern kann, wenn diese verweigert wurden.

Untätigkeitsklage im Sozialrecht

Die Untätigkeitsklage im Sozialrecht (§ 88 SGG) hat das Ziel, der Untätigkeit einer Sozialbehörde bzw. eines Versicherungsträgers entgegenzuwirken, indem sie sich verpflichten müssen, über den ursprünglichen Antrag des Klägers zu entscheiden.

FAQ: Häufig gestellte Fragen zu Klagearten

Welche Klageart kommt im Familienrecht zum Einsatz?

Im Familienrecht kommen insbesondere Gestaltungsklagen zum Einsatz, da sie darauf abzielen, Rechtsverhältnisse, wie etwa eine Ehe oder eine Lebenspartnerschaft, zu verändern. Beispiele hierfür sind die Ehescheidung, die Aufhebung von Lebenspartnerschaften oder die Regelung von Sorge- und Umgangsrecht.

Welche Klageart ist bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht relevant?

Bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht greift häufig die Unterlassungsklage, da sie darauf abzielt, Wettbewerbsverstöße zukünftig zu unterbinden. Beispielsweise kann ein Unternehmen gegen ein anderes Unternehmen, das irreführende Werbeaussagen tätigt, eine Unterlassungsklage einreichen.

Wann sollte man eine Klage erheben?

Eine Klage sollte immer erst als letztes Mittel in Betracht gezogen werden. Zuvor sollte versucht werden, außergerichtliche Einigungen zu erzielen, beispielsweise durch Verhandlungen oder Mediation. Ein Rechtsanwalt kann hierbei beratend zur Seite stehen und beurteilen, ob eine Klage erfolgversprechend ist.

Welche Kosten entstehen bei einer Klage?

Die Kosten für eine Klage setzen sich im Wesentlichen aus Gerichts- und Anwaltskosten zusammen. Die Höhe der Kosten hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie etwa dem Streitwert, der Dauer des Verfahrens und dem anfallenden Arbeitsaufwand für den Anwalt. Für sozial Bedürftige gibt es die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen.

Wie lange dauert es, bis ein Urteil gefällt wird?

Die Dauer eines Gerichtsverfahrens ist von mehreren Faktoren abhängig, wie etwa der Komplexität des Falles, der Auslastung des zuständigen Gerichts und den zur Verfügung stehenden Beweismitteln. Es ist daher nicht möglich, eine allgemeine Aussage über die Dauer eines Verfahrens zu treffen. Es können jedoch im Einzelfall mehrere Monate oder sogar Jahre vergehen, bis ein rechtskräftiges Urteil vorliegt.

Klagearten kennen und verstehen

Die Kenntnis der verschiedenen Klagearten und ihrer Anwendung ist entscheidend für das Verständnis des deutschen Rechtssystems. Obwohl dies nur ein grober Überblick über die verschiedenen Klagearten und deren rechtliche Zusammenhänge ist, sollten Sie nun in der Lage sein, die Grundlagen der verschiedenen Klageformen besser zu verstehen und ihre Relevanz in unterschiedlichen Rechtsgebieten einzuordnen. Im Zweifelsfall ist es ratsam, sich an einen Rechtsanwalt zu wenden, um individuelle Fragen zu klären und eine professionelle Einschätzung zur Erfolgsaussicht einer Klage zu erhalten.

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