Das deutsche Gerichtssystem kennt mehrere Gerichtsinstanzen und Gerichtbarkeiten. Der vorliegende Blog-Beitrag beschäftigt sich mit dem Landgericht, welches in der deutschen Zivil- und Strafgerichtsbarkeit nach dem Amtsgericht die nächste Gerichtsinstanz ist. Es wird auf die Organisation des Landgerichts, seine Zuständigkeiten in Zivil- und Strafsachen sowie auf den Rechtszug, d.h. die Rechtsmittel Berufung und Revision, eingegangen. Dabei werden aktuelle Gerichtsentscheidungen sowie häufig gestellte Fragen behandelt. Ziel ist es, eine umfassende und gut verständliche Informationsquelle zum Thema Landgericht zu liefern.

Organisation und Aufbau des Landgerichts

Im deutschen Gerichtssystem gibt es über 100 Landgerichte, die als ordentliche Gerichte für Zivil- und Strafsachen zuständig sind. Sie sind den Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof untergeordnet. Ein Landgericht ist in der Regel für einen bestimmten Landgerichtsbezirk zuständig, der aus mehreren Amtsgerichtsbezirken besteht. Landgerichte sind in Zivil- und Strafkammern unterteilt, die über Fälle entscheiden.

Die Zivilkammern des Landgerichts

Die Zivilkammern des Landgerichts sind für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zuständig. Es gibt sowohl Kammern für allgemeine Zivilsachen als auch Spezialkammern, zum Beispiel für Handels-, Wettbewerbs-, Marken- oder Urheberrechtssachen. Eine Zivilkammer setzt sich aus drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern zusammen.

Die Strafkammern des Landgerichts

Die Strafkammern des Landgerichts sind für die Verhandlung von Strafsachen zuständig. Hierzu zählen auch die großen Strafkammern (Schwurgericht), für die besonders schwere Strafsachen (z.B. Mord, Totschlag) reserviert sind. Eine Strafkammer besteht aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen.

Zuständigkeit des Landgerichts in Zivilsachen

In Zivilsachen gibt es zum einen die sachliche Zuständigkeit, welche sich nach dem Streitwert und der Art der Rechtssache richtet, und zum anderen die örtliche Zuständigkeit, die das zuständige Gericht am Wohnsitz oder Sitz des Beklagten bestimmt.

Sachliche Zuständigkeit in Zivilsachen

  • In erster Instanz sind Landgerichte gemäß § 23 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) zuständig, wenn der Streitwert der Klage 5.000 Euro übersteigt. Dies betrifft etwa Streitigkeiten im Zusammenhang mit Miet- und Pachtverhältnissen, Schadensersatzforderungen, Vertragsstreitigkeiten etc.
  • In Fällen, in denen ein Registergericht beteiligt ist, sind die Landgerichte gemäß § 23 Nr. 2 ZPO ebenfalls zuständig, unabhängig vom Streitwert. Dies betrifft etwa Fälle, in denen es um die Gründung oder Auflösung einer Gesellschaft oder um Eintragungen ins Handels- oder Genossenschaftsregister geht.
  • Als Spezialgerichte sind Landgerichte gemäß § 23a Nr. 1 und Nr. 2 ZPO auch für bestimmte Fälle des gewerblichen Rechtsschutzes (z.B. Wettbewerbsstreitigkeiten, Patentstreitigkeiten) zuständig.

Örtliche Zuständigkeit in Zivilsachen

  • Die örtliche Zuständigkeit richtet sich in der Regel nach dem Sitz des Beklagten (§ 12 ZPO).
  • In bestimmten Fällen kann der Kläger zwischen dem Gericht seines eigenen Wohnsitzes und dem Gericht des Wohnsitzes des Beklagten wählen (sogenanntes Wahlgerichtsstandsrecht, § 29 ZPO), etwa wenn es um Streitigkeiten aus Verträgen, Mieten oder Pachten geht.

Zuständigkeit des Landgerichts in Strafsachen

In Strafsachen ist das Landgericht sowohl als erstinstanzliches Gericht als auch als Rechtsmittelgericht in bestimmten Fällen zuständig.

Zuständigkeit in erster Instanz in Strafsachen

  • Das Landgericht ist gemäß § 74 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in erster Instanz für schwere Strafsachen zuständig, die nicht in die Zuständigkeit des Amtsgerichts fallen, wie z.B. schwere Körperverletzung, Raub, Vergewaltigung.
  • Für besonders schwere Strafsachen, wie Mord oder Totschlag, ist die große Strafkammer gemäß § 74 Abs. 2 GVG zuständig.

Zuständigkeit als Rechtsmittelgericht in Strafsachen

  • Das Landgericht ist gemäß § 312 StPO als Rechtsmittelgericht für Berufungen gegen Urteile des Amtsgerichts zuständig.
  • Des Weiteren entscheidet das Landgericht gemäß § 332 StPO über Revisionen gegen Urteile der Amtsgerichte, wenn das Landgericht in erster Instanz zuständig gewesen wäre.

Der Rechtszug: Berufung und Revision vor dem Landgericht

Vor dem Landgericht können sowohl Berufungen als auch Revisionen eingelegt werden.

Die Berufung vor dem Landgericht

Gegen Urteile des Amtsgerichts kann in Zivilsachen gemäß § 511 ZPO und in Strafsachen gemäß § 312 StPO Berufung eingelegt werden. Ziel der Berufung ist eine vollständige Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils durch das Landgericht, wobei neue Beweismittel vorgebracht werden können.

  • In Zivilsachen muss die Berufung gemäß § 517 ZPO innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils eingelegt und gemäß § 520 ZPO innerhalb von zwei Monaten begründet werden.
  • In Strafsachen muss die Berufung gemäß § 314 StPO innerhalb einer Woche nach Verkündung oder Zustellung des Urteils eingelegt werden. Die Berufungsbegründung hat in der Regel mündlich in der Berufungsverhandlung zu erfolgen (§ 321 StPO).
  • Die Berufung kann auf Rechtsfehler (Fehler im erstinstanzlichen Urteil bei der Anwendung des materiellen Rechts) und auf tatsächliche Fehler (Fehler bei der Beweiswürdigung) gestützt werden.
  • Häufige Gründe für eine Berufung sind Verfahrensfehler, eine fehlerhafte Beweiswürdigung oder unrichtige Rechtsanwendung durch das Amtsgericht.

Die Revision vor dem Landgericht

Die Revision ist das zweite Rechtsmittel, das vor dem Landgericht eingelegt werden kann. Allerdings ist die Revision nur auf Rechtsfehler beschränkt und es können keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht werden. Ziel der Revision ist die Überprüfung, ob das erstinstanzliche Urteil auf Rechtsfehlern beruht, die das Urteil aufheben oder ändern können.

  • In Zivilsachen muss die Revision gemäß § 544 ZPO innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils eingelegt und gemäß § 551 ZPO innerhalb von zwei Monaten begründet werden.
  • In Strafsachen hat die Revision gemäß § 341 StPO unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb einer Woche nach Zustellung des Urteils, eingelegt und gemäß § 344 StPO innerhalb eines Monats begründet werden.
  • Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Revision unterscheiden sich in Zivil- und Strafsachen und hängen teilweise von den Gründen für die Revision ab (z.B. absolute Revisionsgründe, relative Revisionsgründe).
  • Häufige Revisionsgründe sind zum Beispiel Verstöße gegen die richterliche Begründungspflicht, unrichtige Auslegung oder Anwendung von Gesetzesbestimmungen, Verstöße gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs oder Verfahrensfehler.

Aktuelle Gerichtsurteile und ihre Bedeutung

Nachfolgend werden einige aktuelle Gerichtsurteile des Landgerichts und ihre Bedeutung für die Rechtsprechung kurz vorgestellt und erläutert:

Landgericht Berlin, Urteil vom 14. Dezember 2018 (67 S 342/18)

In diesem Urteil entschied das Landgericht Berlin, dass eine formularmäßige Vereinbarung einer Mindestmietdauer von einem Jahr in einem gewerblichen Mietvertrag unwirksam ist, da sie den Mieter unangemessen benachteilige. Dieses Urteil ist von Bedeutung für die Auslegung von Mietvertragsklauseln und die Anwendung der gesetzlichen Regelung zur Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 307 BGB).

Landgericht Hamburg, Urteil vom 24. Juli 2020 (324 O 376/19)

Das Landgericht Hamburg urteilte, dass ein Influencer für das Veröffentlichen von Links zu Online-Shops und damit verbundene Werbung ohne entsprechende Kennzeichnung als kommerzielle Kommunikation auf Instagram gewerberechtlich abgemahnt werden kann. Dieses Urteil ist für die rechtliche Bewertung von Influencer-Marketing und die Frage der erforderlichen Kennzeichnung von Werbung von Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen zum Landgericht

Frage: Welches Gericht ist für meine Klage zuständig, das Amtsgericht oder das Landgericht?

Antwort: Die Zuständigkeit richtet sich nach der Art der Rechtssache und dem Streitwert. Bei einem Streitwert von bis zu 5.000 Euro ist in der Regel das Amtsgericht zuständig, bei einem höheren Streitwert das Landgericht. Es gibt jedoch auch Ausnahmen, z.B. für bestimmte Fälle des gewerblichen Rechtsschutzes oder in Registerangelegenheiten.

Frage: Innerhalb welcher Frist muss ich Berufung einlegen?

Antwort: In Zivilsachen beträgt die Frist für die Berufungseinlegung einen Monat nach Zustellung des vollständigen Urteils, in Strafsachen eine Woche nach Verkündung oder Zustellung des Urteils.

Frage: Welche Rechtsmittel sind vor dem Landgericht möglich?

Antwort: Vor dem Landgericht können sowohl die Berufung als auch die Revision eingelegt werden.

Frage: Was ist der Unterschied zwischen Berufung und Revision?

Antwort: Die Berufung dient der vollständigen Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils, während die Revision nur auf Rechtsfehler beschränkt ist. Bei der Berufung können auch neue Beweismittel vorgebracht werden, bei der Revision hingegen nicht.

Fazit

Das Landgericht nimmt in der deutschen Gerichtslandschaft eine wichtige Position ein. Es ist sowohl in erster Instanz für bestimmte Zivil- und Strafsachen zuständig als auch in zweiter Instanz als Rechtsmittelgericht. Vor dem Landgericht können Berufungen und Revisionen eingelegt werden, die allerdings an unterschiedliche Voraussetzungen und Fristen gebunden sind. Aktuelle Gerichtsurteile des Landgerichts zeigen die praxisnahe und vielfältige Rechtsprechung auf Landgerichtsebene. Für Rechtsuchende ist es wichtig, die Zuständigkeit und die Rechtsmittel des Landgerichts zu kennen und bei Bedarf anwaltliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

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