In diesem Blogbeitrag werden wir uns ausführlich mit dem Thema öffentliche Aufträge, Vergabeverfahren und Teilnahmebedingungen auseinandersetzen. Wir werden auf relevante Gesetze, aktuelle Gerichtsurteile und wichtige Informationen für Unternehmen und Einzelpersonen eingehen, die sich an einem Vergabeverfahren beteiligen möchten.

Einführung

Öffentliche Aufträge sind Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und privaten Unternehmen oder Einzelpersonen, die bestimmte Leistungen wie Bauarbeiten, Lieferungen oder Dienstleistungen erfüllen sollen. Die öffentlichen Auftraggeber sind entweder staatliche Institutionen oder Organisationen, wie etwa Behörden und kommunale Unternehmen. Bei der Vergabe solcher Aufträge sind die für den öffentlichen Sektor geltenden Vergabevorschriften einzuhalten, um Transparenz und Chancengleichheit für alle Beteiligten zu gewährleisten.

Die gesetzlichen Regelungen für öffentliche Aufträge finden sich in Deutschland insbesondere im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), in der Vergabeverordnung (VgV) sowie in verschiedenen Vergabe- und Vertragshandbüchern (z.B. VOB, VOL, VOF).

Vergabeverfahren

Es gibt verschiedene Vergabeverfahren, die je nach Art, Umfang und Wert des öffentlichen Auftrags angewendet werden. Die Verfahren lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: die förmlichen und die informellen Verfahren.

Förmliche Vergabeverfahren

  • Offenes Verfahren: Hierbei können alle interessierten Unternehmen ein Angebot abgeben. Nach einer Prüfung der Eignung und der Angebote wählt der Auftraggeber den geeigneten Bieter aus und erteilt den Zuschlag.
  • Nicht offenes Verfahren: Bei diesem Verfahren können sich Unternehmen zunächst um die Teilnahme am Vergabeverfahren bewerben. Der Auftraggeber wählt anschließend eine begrenzte Anzahl geeigneter Unternehmen aus, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden.
  • Verhandlungsverfahren: Bei dieser Variante verhandeln die öffentlichen Auftraggeber direkt mit ausgewählten Bietern über die Einzelheiten des Vertrags. Dieses Verfahren ist nur unter bestimmten, gesetzlich festgelegten Bedingungen zulässig. Zu diesen Bedingungen zählen beispielsweise technische oder künstlerische Gründe und der Schutz von Rechten des geistigen Eigentums.
  • Wettbewerblicher Dialog: Das wettbewerbliche Dialogverfahren ist eine Kombination aus Verhandlungsverfahren und einem offenen Ideenwettbewerb. Es wird meist dann angewendet, wenn die Beschaffung besonders komplex ist und die richtige Lösung für den Auftraggeber nicht von vornherein klar erkennbar ist. Unternehmen, die für das Verfahren ausgewählt wurden, entwickeln dann in Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber Lösungsvorschläge, die als Grundlage für ein endgültiges Angebot dienen können.

Informelle Vergabeverfahren

Informelle Vergabeverfahren, auch bekannt als „unterhalb der Schwellenwerte“ liegende Verfahren, werden bei Auftragswerten eingesetzt, die unter den sogenannten EU-Schwellenwerten liegen. Diese Schwellenwerte sind festgelegt, um einheitliche Regelungen für den wirtschaftlichen Wettbewerb in der Europäischen Union sicherzustellen.

Bei den informellen Verfahren handelt es sich in der Regel um beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb oder um freihändige Vergaben. Der Auftraggeber wählt hierbei mehrere Unternehmen aus, die zu einem Angebot aufgefordert werden, oder verhandelt direkt mit einem Unternehmen und schließt einen Vertrag ab.

Teilnahmebedingungen

Um an einem Vergabeverfahren teilnehmen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Die Anforderungen an die Unternehmen können je nach Art des Auftrags variieren, aber es gibt einige allgemeine Teilnahmebedingungen, die für fast alle öffentlichen Aufträge gelten:

Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit: Unternehmen müssen ihre wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit nachweisen, beispielsweise durch Angaben zum Umsatz, zur Bilanz oder durch Bankerklärungen.

Technische und berufliche Leistungsfähigkeit: Unternehmen müssen auch ihre technische und berufliche Eignung für die Durchführung des öffentlichen Auftrags nachweisen können. Diese Eignung kann beispielsweise durch Referenzen, Zertifikate oder Qualitätsmanagementsysteme (wie etwa nach der ISO-Norm) belegt werden.

Rechtsform und Handelsregistereintrag: In der Regel müssen teilnehmende Unternehmen im Handelsregister eingetragen sein und eine passende Rechtsform für die Erbringung der Leistungen haben.

Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften: Die Unternehmen dürfen weder wegen Betrugs, Korruption, Geldwäsche, Steuerstraftaten noch wegen sonstigen Delikten vorbestraft sein. Auch die Einhaltung von umwelt- und sozialrechtlichen Vorschriften kann Teil der Teilnahmebedingungen sein.

Keine Ausschlussgründe: Unternehmen, die sich in einem Insolvenzverfahren befinden oder Schulden bei Sozialversicherungsträgern oder dem Finanzamt haben, können von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Weitere Ausschlussgründe können ein unzureichender Versicherungsschutz oder fehlende Zuständigkeiten im Unternehmen sein.

Rechtsschutz und Rechtsprechung

Der Rechtsschutz im Vergaberecht ist ein wichtiger Aspekt, da Unternehmen die Möglichkeit haben müssen, bei Unstimmigkeiten oder Verstößen gegen das Vergaberecht rechtliche Schritte einleiten zu können. In Deutschland sind die Vergabekammern und Vergabesenate bei den Oberlandesgerichten für den Rechtsschutz zuständig.

Unternehmen können bei diesen Institutionen einen Nachprüfungsantrag stellen, um die Rechtmäßigkeit eines Vergabeverfahrens überprüfen zu lassen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Unternehmen glaubt, aufgrund von fehlerhaften oder diskriminierenden Teilnahmebedingungen oder Auswahlkriterien von einem Vergabeverfahren ausgeschlossen worden zu sein.

In jüngerer Vergangenheit hat es einige bedeutende Gerichtsurteile gegeben, die das Vergaberecht betreffen:

  • Bundesgerichtshof (BGH) – Entscheidung VII ZR 46/17: Diese Entscheidung befasste sich mit dem komplexen Thema der „öffentlichen Aufträge in Gebietskörperschaften“. Der BGH hat in diesem Fall klargestellt, dass bei der Vergabe von Leistungen im öffentlichen Sektor die sogenannte Direktvergabe an eigene Gesellschaften der Gebietskörperschaften nur unter bestimmten Bedingungen zulässig ist.
  • Europäischer Gerichtshof (EuGH) – Entscheidung C-216/17: In diesem Urteil hat der EuGH festgestellt, dass die sogenannte „Fünf-Jahres-Regel“ für Vergabeverfahren im Bereich von Planungsleistungen rechtswidrig ist. Die Regel besagt, dass Referenzen aus der Vergangenheit nur dann im aktuellen Vergabeverfahren berücksichtigt werden dürfen, wenn die betreffenden Leistungen innerhalb der letzten fünf Jahre erbracht wurden.
  • Oberlandesgericht (OLG) München – Entscheidung Verg 4/18: Das OLG München hat in dieser Entscheidung klar gemacht, dass der Einsatz von Subunternehmern bei der Erbringung eines öffentlichen Auftrags grundsätzlich zulässig ist und nicht per se diskriminierend sei. Vielmehr sei es Aufgabe des Auftraggebers, die Eignung der Subunternehmer zu prüfen.

Auswahl- und Zuschlagskriterien

Die Auswahl- und Zuschlagskriterien sind entscheidend für den Ausgang eines Vergabeverfahrens und die Gewährleistung von Transparenz und Chancengleichheit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Sie müssen objektiv, nachvollziehbar und nicht diskriminierend sein.

Die Auswahlkriterien beziehen sich in der Regel auf die Eignung und Leistungsfähigkeit der Unternehmen (siehe auch Teilnahmebedingungen), während die Zuschlagskriterien auf den Inhalt der Angebote abzielen, beispielsweise auf Preis, Qualität, Umweltaspekte oder technische Merkmale.

Die Vergabestellen sind dazu verpflichtet, die jeweiligen Auswahl- und Zuschlagskriterien in den Vergabeunterlagen zu veröffentlichen, um eine transparente und faire Entscheidungsgrundlage für alle Beteiligten zu schaffen.

Nachweise und Dokumente

Für die Teilnahme an einem Vergabeverfahren sind in der Regel verschiedene Nachweise und Dokumente erforderlich. Einige der wichtigsten Dokumente sind:

  1. Leistungsbeschreibung: Die Leistungsbeschreibung ist ein zentrales Dokument im Vergabeverfahren, in dem die genauen Anforderungen an die auszuführende Leistung dargestellt werden. Sie muss präzise, vollständig und nicht diskriminierend formuliert sein, damit alle Unternehmen gleichermaßen die Möglichkeit haben, ein passendes Angebot abzugeben.
  2. Angebotsunterlagen: Die Angebotsunterlagen dienen dazu, die Informationen und Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers an die Bieter zu kommunizieren. Sie enthalten in der Regel die Vergabeunterlagen sowie die Teilnahmebedingungen und -anforderungen.
  3. Eigenerklärungen: In diesen Erklärungen bestätigen die Unternehmen, dass sie die erforderlichen Voraussetzungen für die Teilnahme am Vergabeverfahren erfüllen, beispielsweise durch das Vorliegen einer angemessenen wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit oder durch das Fehlen von Ausschlussgründen.

Wettbewerb und öffentliche Aufträge

Ein wesentliches Ziel des Vergaberechts ist es, den Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sicherzustellen. Daher müssen Vergabeverfahren transparent, diskriminierungsfrei und wirtschaftlich effizient gestaltet sein, um ein faires Miteinander der Unternehmen zu gewährleisten.

Ein effektiver Wettbewerb führt in der Regel zu einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis bei der Auftragsvergabe und damit zu einer effizienteren Verwendung öffentlicher Gelder. Dies kommt letztendlich dem Steuerzahler zugute.

Durch die Einhaltung der oben genannten Vergabevorschriften und -verfahren kann der Wettbewerb bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen gewahrt und gefördert werden. Sowohl öffentliche Auftraggeber als auch Unternehmen haben auf diese Weise die Möglichkeit, faire und wirtschaftlich effiziente Ergebnisse zu erzielen.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Können kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bei der Vergabe öffentlicher Aufträge mithalten?

KMU haben grundsätzlich die gleichen Chancen wie größere Unternehmen, allerdings müssen sie möglicherweise härter um ihre wirtschaftliche und technische Eignung kämpfen, um im Vergabeverfahren auf Augenhöhe mit großen Unternehmen zu konkurrieren.

Kann ein Unternehmen in einem laufenden Verfahren seine Rechte geltend machen, wenn es glaubt, benachteiligt zu sein?

Ja, ein Unternehmen kann bei einer Vergabekammer oder einem Vergabesenat einen Nachprüfungsantrag stellen, um seine Rechte geltend zu machen. Dies sollte jedoch sorgfältig abgewogen werden, da der Antragsteller auch die Kosten für die Überprüfung tragen muss, wenn der Antrag unbegründet ist.

Können Bieter Kosten für die Erstellung ihres Angebots erstattet bekommen?

Grundsätzlich besteht kein Anspruch auf Kostenerstattung für die Erstellung eines Angebots. In manchen Wettbewerbsverfahren gibt es jedoch eine Vergütung für das Einreichen von Planungsunterlagen oder anderem projektbezogenem Material

Die Welt der öffentlichen Aufträge

Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist ein komplexer, aber wichtiger Bereich, der die Grundlage für eine effiziente und effektive Verwendung öffentlicher Mittel schafft. Unternehmen und öffentliche Auftraggeber müssen daher die einschlägigen Vorschriften und Verfahren einhalten, um den Wettbewerb zu fördern und faire Ergebnisse zu erzielen.

Die Teilnahme an Vergabeverfahren kann sowohl für Auftraggeber als auch für Unternehmen eine anspruchsvolle Aufgabe sein, die ein tiefes Verständnis des Vergaberechts und der aktuellen Rechtsprechung erfordert. Eine fundierte Kenntnis der rechtlichen Grundlagen und eine sorgfältige Vorbereitung auf die Teilnahme an Vergabeverfahren können jedoch entscheidend dazu beitragen, den Geschäftserfolg in diesem Bereich zu maximieren.

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