Rechtsstreitigkeiten können eine erhebliche finanzielle Belastung für alle Parteien darstellen. Doch wer trägt eigentlich die Kosten und warum? Die Antworten auf diese Fragen hängen von den verschiedenen Faktoren des jeweiligen Falles ab. In diesem umfassenden Leitfaden werfen wir einen Blick auf die rechtlichen Ausführungen, Kostentragungspflicht, aktuelle Gerichtsurteile und beantworten häufig gestellte Fragen zum Thema Parteikosten im Rechtsstreit.

Gesetzliche Grundlagen der Parteikosten

Um zu verstehen, wer die Kosten eines Rechtsstreits trägt und warum, müssen wir zunächst einen Blick auf die gesetzlichen Grundlagen werfen. Im deutschen Recht regeln insbesondere die Zivilprozessordnung (ZPO) und das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) die Kostenverteilung im Rechtsstreit.

Darstellung in der Zivilprozessordnung (ZPO)

Die ZPO enthält mehrere Vorschriften zur Kostenverteilung im Rechtsstreit, besonders wichtige sind die folgenden:

  • § 91 ZPO: Grundsatz der Kostenerstattung
  • § 92 ZPO: Verhältnis der Kostenverteilung bei teilweisem Obsiegen
  • § 93 ZPO: Kostentragungspflicht bei sofortiger Anerkenntnis
  • § 100 ZPO: Kostentragungspflicht bei Klageänderung

Darstellung im FamFG – Kosten in Familiensachen und freiwilliger Gerichtsbarkeit

Für Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten die Bestimmungen des FamFG, insbesondere:

  • § 81 FamFG: Kostenentscheidung nach billigem Ermessen
  • § 83 FamFG: Kostentragungspflicht bei übereinstimmenden Teilanerkenntnissen
  • § 84 FamFG: Kostentragung bei Zurücknahme des Antrags

Verschiedene Parteikostenarten und deren Berechnung

Die Parteikosten im Rechtsstreit lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen, die für die Kostentragungspflicht und deren Berechnung relevant sind:

Anwaltskosten: Dies sind die Gebühren, die für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Rahmen des Rechtsstreits anfallen. Sie richten sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) und dem jeweiligen Streitwert.

Gerichtskosten: Dabei handelt es sich um Kosten, die für die Inanspruchnahme des Gerichts und seiner Dienste entstehen. Diese Kosten richten sich ebenfalls nach dem Streitwert und sind im Gerichtskostengesetz (GKG) und dem Kostenverzeichnis geregelt.

Sachverständigengebühren und Gutachterkosten: Wenn im Rahmen des Verfahrens Sachverständige oder Gutachter hinzugezogen werden, entstehen weitere Gebühren. Die Kosten richten sich nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) bzw. den individuellen Vereinbarungen mit den Gutachtern.

Dolmetscher- und Übersetzungskosten: Wenn Übersetzungen oder Dolmetscherleistungen erforderlich sind, können auch diese Kosten entstehen, die nach dem JVEG oder anderen Gebührenordnungen berechnet werden.

Grundsatz der kostenrechtlichen Erfolgslast

Nach § 91 ZPO trägt die unterliegende Partei des Rechtsstreits die Kosten des Verfahrens, also die Auslagen und die Anwaltskosten des Prozesses. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass die Partei, die den Rechtsstreit gewinnt, grundsätzlich ihre eigenen Kosten sowie die entgegenstehenden Parteikosten ersetzt bekommt.

Die Bestimmung der „unterliegenden Partei“ hängt von der Entscheidung des Gerichts ab, das in der Regel in Form eines Urteils oder (vergleichsweise) eines Vergleichs getroffen wird. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass es auch Fälle gibt, in denen keine Partei eindeutig gewinnt oder verliert. In solchen Fällen wird die Kostentragungspflicht oft anteilig, gemäß § 92 ZPO, festgelegt.

Beispiele für die Kostenverteilung im Rechtsstreit

Beispiel 1: Erfolg im Rechtsstreit

In einem Rechtsstreit macht der Kläger einen Anspruch von 10.000 Euro geltend und obsiegt vollständig. Das Gericht verurteilt den Beklagten zur Zahlung von 10.000 Euro und zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits. Der Beklagte hat somit nicht nur den geltend gemachten Betrag, sondern auch die Anwaltskosten des Klägers und die Gerichtskosten zu tragen.

Beispiel 2: Teilerfolg im Rechtsstreit

Der Kläger macht einen Anspruch von 10.000 Euro geltend, das Gericht entscheidet jedoch, dass nur ein Anspruch von 5.000 Euro begründet ist. Die Parteien haben in diesem Fall einen Teilerfolg erzielt, sodass die Kosten des Verfahrens anteilig, gemäß § 92 ZPO, aufgeteilt werden. So könnte das Gericht beispielsweise anordnen, dass der Kläger 50 % der Kosten und der Beklagte ebenfalls 50 % der Kosten zu tragen haben.

Beispiel 3: Erfolg durch Anerkenntnis des Anspruchs

Der Kläger erhebt Klage über 10.000 Euro. Vor dem Gerichtstermin erkennt der Beklagte den Anspruch des Klägers vollständig an. In diesem Fall hätte der Beklagte laut § 93 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da er den Anspruch sofort hätte anerkennen können und somit der Rechtsstreit hätte vermieden werden können.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Kostenverteilung im Rechtsstreit

Gerichtsurteile können auch Auswirkungen auf die Kostenverteilung in Rechtsstreitigkeiten haben. Eine Auswahl aktueller und relevanter Entscheidungen bietet Ihnen einen Einblick in die rechtliche Praxis und kann dabei helfen, das Verständnis für die Kostenverteilung in bestimmten Rechtsfällen zu vertiefen:

Urteil 1: Kostenverteilung bei Klageerhebung trotz Schlichtungsbemühungen

In diesem Verfahren entschied der BGH, dass ein Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, wenn er trotz laufender Schlichtungsbemühungen eine Klage erhebt und dadurch das Ergebnis des außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens abwartet. Damit bestätigte das Gericht die Bedeutung der Schlichtung als möglichen Weg zur kostengünstigen und schnellen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten.

Urteil 2: Kostenverteilung bei erfolgreichem Widerspruch gegen einen Mahnbescheid

Das Amtsgericht München urteilte, dass auch bei einem erfolgreichen Widerspruch gegen einen Mahnbescheid die Kosten entsprechend des (mutmaßlichen) Obsiegens in einem Hauptsacheverfahren verteilt werden können. Damit soll verhindert werden, dass die Kosten im Mahn- und Vollstreckungsbescheidverfahren in jedem Fall vom Gläubiger getragen werden und Schuldner keinen Anreiz haben, unberechtigte Forderungen abzuwehren.

Urteil 3: Kostenverteilung bei streitiger Gerichtskostenvorschussfestsetzung

  • Gericht: Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg
  • Aktenzeichen: 9 W 1/19
  • Datum: 7. Januar 2019

In diesem Verfahren entschied das OLG Brandenburg, dass bei einer streitigen Festsetzung des Gerichtskostenvorschusses im Berufungsverfahren die unterliegende Partei die Kosten für die Klärung dieses Streits trägt. Diese Entscheidung zeigt, dass auch vermeintlich geringfügige Streitpunkte im Kostenrecht einer rechtlichen Beurteilung zugänglich sind und der Grundsatz der Erfolgslast bei der Kostenverteilung auch in solchen Fällen Anwendung findet.

Häufig gestellte Fragen zur Kostentragung im Rechtsstreit

Müssen die Parteien bei einem Vergleich die Kosten des Rechtsstreits teilen?

Bei einem gerichtlichen Vergleich enthalten die getroffenen Vereinbarungen im Allgemeinen auch eine Regelung zur Kostenverteilung des Rechtsstreits. Diese kann variieren, etwa eine hälftige Teilung der Kosten, eine Aufteilung nach Obsiegen und Unterliegen oder eine andere Aufteilung, auf die sich die Parteien einigen. Bei außergerichtlichen Vergleichen ist es empfehlenswert, ebenfalls eine Regelung zur Kostenverteilung zu finden.

Kann ich eine Rechtsschutzversicherung abschließen, um die Kosten eines Rechtsstreits zu decken?

Ja, eine Rechtsschutzversicherung kann helfen, die finanziellen Risiken eines Rechtsstreits zu minimieren, indem sie, je nach Vertrag, die Anwalts- und Gerichtskosten sowie ggf. weitere Kosten (z. B. Sachverständigenkosten) trägt. Jedoch ist zu beachten, dass Versicherungen oft Wartezeiten vorsehen und bereits bestehende oder absehbare Rechtsstreitigkeiten oft ausgeschlossen sind.

Was ist das Kostenrisiko und wie kann ich es minimieren?

Das Kostenrisiko bezeichnet das finanzielle Risiko, das mit einem Rechtsstreit verbunden ist, insbesondere die Unwägbarkeit in Bezug auf die Parteikosten. Um dieses Risiko zu minimieren, können verschiedene Strategien angewendet werden:

  • Abschluss einer Rechtsschutzversicherung
  • Vorabeine anwaltliche Beratung zu den Erfolgsaussichten des Rechtsstreits einholen
  • Außergerichtliche Einigung oder Mediation anstreben
  • Prozesskostenhilfe oder Beratungshilfe beantragen, wenn die persönlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind

Was ist Prozesskostenhilfe und wer kann sie beantragen?

Prozesskostenhilfe (PKH) ist eine staatliche Unterstützung für Personen mit geringem Einkommen, die ihre Rechte vor Gericht geltend machen wollen, aber die Kosten eines Rechtsstreits nicht oder nur zum Teil selbst tragen können. Sie umfasst je nach individueller finanzieller Situation die teilweise oder vollständige Übernahme der Gerichts- und Anwaltskosten.

Um Prozesskostenhilfe zu erhalten, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein, wie zum Beispiel:

  • Nachweis der Bedürftigkeit durch Offenlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
  • Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder -verteidigung
  • Keine mutwillige Inanspruchnahme der Rechtspflege

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe muss schriftlich und mit den erforderlichen Unterlagen beim zuständigen Gericht gestellt werden. Eine Ablehnung des Antrags kann unter bestimmten Voraussetzungen angefochten werden.

Wer trägt die Kosten für einen außergerichtlichen Vergleich?

Bei einem außergerichtlichen Vergleich handelt es sich um eine einvernehmlich getroffene Vereinbarung der Parteien zur Beilegung eines Rechtsstreits. In der Regel wird in der Vereinbarung auch eine Regelung zur Kostenverteilung getroffen. Häufig werden die Kosten dabei hälftig geteilt oder entsprechend dem Grad des Obsiegens bzw. Unterliegens aufgeteilt. Eine gesetzliche Regelung zur Kostenverteilung bei außergerichtlichen Vergleichen gibt es jedoch nicht, sodass die Parteien hier flexibel in ihrer Vereinbarung sein können.

Parteikosten erklärt

Die Kostenverteilung im Rechtsstreit ist sowohl von gesetzlichen Regelungen als auch von den Umständen des jeweiligen Falles abhängig. Parteikosten setzen sich aus verschiedenen Faktoren zusammen und können durch rechtliches Know-how und Gerichtsurteile beeinflusst werden. Der Grundsatz der Erfolgslast und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Kostenverteilung tragen dazu bei, die finanziellen Risiken eines Prozesses besser einschätzen und minimieren zu können, beispielsweise durch den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung oder die Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe.

Da das Kostenrecht komplex und von Fall zu Fall unterschiedlich ist, ist es ratsam, bei Fragen zur Kostentragung im Rechtsstreit professionelle Unterstützung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen. Dieser kann nicht nur individuelle Hilfestellung leisten, sondern auch in Sachen Kostenmanagement und Erfolgsaussichten im Rechtsstreit beraten.

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