Die russischen ADRs (American Depositary Receipts) sind in den letzten Jahren nochmals verstärkt in den Fokus der AnlegerInnen gerückt. Insbesondere Gazprom, das größte russische Unternehmen und einer der weltweit größten Gasproduzenten, steht dabei im Fokus. Im Rahmen dieses Beitrags möchten wir Ihnen als kompetenter und erfahrener Rechtsanwalt einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand zum Umtausch russischer ADRs geben.

Wir beleuchten hierbei die gesetzlichen Grundlagen, zeigen anhand von aktuellen Gerichtsurteilen die derzeitige Rechtslage auf und gehen auf die verschiedenen Mechanismen und Regulierungen ein, die für AnlegerInnen von Bedeutung sind. Durch die Integration von häufig gestellten Fragen (FAQs) in diesen Blog-Beitrag möchten wir Ihnen eine möglichst vollständige Informationsquelle bieten, um einen fundierten Überblick über dieses spannende Thema zu gewährleisten.

Grundlagen der ADRs und russischer Unternehmen

Bevor wir detailliert auf die Thematik des Umtauschs von russischen ADRs eingehen, möchten wir zunächst kurz auf das Grundkonzept der ADRs und die Besonderheiten russischer Unternehmen eingehen. Wenn Sie bereits mit diesen Begrifflichkeiten und Konzepten vertraut sind, können Sie direkt zur nächsten Überschrift springen.

Was sind ADRs?

ADRs sind American Depositary Receipts, also amerikanische Hinterlegungsscheine, die es ermöglichen, ausländische Aktien an US-amerikanischen Börsen zu handeln. Diese ADRs werden häufig von US-amerikanischen Banken ausgegeben und bieten Anlegern eine einfachere Möglichkeit, in ausländische Unternehmen zu investieren, ohne sich direkt am ausländischen Aktienmarkt beteiligen zu müssen. ADRs sind in den USA im Grundsatz den regulären Aktien gleichgestellt und werden nach US-amerikanischem Aktienrecht behandelt.

Die Schlüsselelemente eines ADRs sind:

  • Die ausländische Aktie, auf der das ADR basiert
  • Die Hinterlegungsstelle, meist eine US-amerikanische Bank, die die ADRs ausgibt und verwaltet
  • Das Verhältnis zwischen der ausländischen Aktie und dem ADR, d. h. wie viele ausländische Aktien einem ADR entsprechen

Besonderheiten russischer Unternehmen und deren ADRs

Russische Unternehmen, die ADRs an US-amerikanischen Börsen handeln, unterliegen aufgrund der besonderen geopolitischen und wirtschaftlichen Bedingungen Russlands besonderen Risiken und Chancen. Die russische Wirtschaft ist stark von Rohstoffen und Energie abhängig, was für AnlegerInnen sowohl interessante Möglichkeiten als auch erhebliche Risiken birgt.

Aufgrund der zunehmenden internationalen Sanktionen gegen Russland, insbesondere seit den Ereignissen in der Ukraine im Jahr 2014, sind ADRs russischer Unternehmen wie Gazprom, Rosneft, Sberbank und Lukoil teilweise erheblichen regulatorischen und politischen Risiken ausgesetzt. Neben den geopolitischen Fragen kommen auch Aspekte wie Corporate Governance, Transparenz und Managementqualität bei russischen Unternehmen häufig zum Tragen.

Gesetzliche Grundlagen zum Umtausch von russischen ADRs

Der Umtausch von russischen ADRs unterliegt sowohl russischem als auch internationalem Recht. Im Folgenden skizzieren wir die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen, die für den Umtauschprozess von Bedeutung sind.

Russisches Recht

Im russischen Recht ist der Umtausch von ADRs grundsätzlich zulässig. Gemäß Artikel 189 des russischen Zivilgesetzbuchs („Кодекс Российской Федерации об административных правонарушениях“) können Aktionäre ihre ausländischen Aktien gegen ADRs eintauschen, sofern das emittierende Unternehmen den Umtausch zulässt und alle notwendigen Zustimmungen vorliegen.

Die russische Zentralbank und die russische Börsenaufsicht spielen eine wichtige Rolle bei der Regelung des Umtauschs von ADRs. Insbesondere müssen sie die Ausgabe von ADRs und den Umtausch von ausländischen Aktien in ADRs genehmigen, um sicherzustellen, dass der Umtausch im Einklang mit den russischen Gesetzen und Regulierung erfolgt.

Internationales Recht und Regelungen

Auf internationaler Ebene gelten verschiedene Regelungen, die den Handel und Umtausch von ADRs betreffen. Zu den wichtigsten Regelungen gehören:

  • Die Regelungen der U.S. Securities and Exchange Commission (SEC) im Zusammenhang mit dem Handel von ADRs und ausländischen Aktien an US-Börsen
  • Die Regelungen von internationalen Börsen und Handelsplattformen, an denen die ADRs gehandelt werden
  • Die Regulierung von grenzüberschreitendem Aktienhandel durch die World Federation of Exchanges (WFE)
  • Die Regulierung von Clearing- und Abwicklungssystemen durch die Bank for International Settlements (BIS)

Konkret betreffen diese Regelungen verschiedene Aspekte des Handels und Umtauschs von ADRs, wie z. B. die Ausgabe, Hinterlegung und Verwahrung von ausländischen Aktien, das Verhältnis zwischen den ausländischen Aktien und den ADRs, sowie die Rechte und Pflichten der an dem Umtauschprozess beteiligten Parteien.

Aktuelle Gerichtsurteile zum Umtausch russischer ADRs

In den letzten Jahren gab es einige wichtige Gerichtsurteile, die den Umtausch russischer ADRs betreffen. Wir haben für Sie die bedeutendsten Urteile kurz zusammengefasst und analysiert.

Yukos-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Im Fall Yukos gegen Russland (Beschwerdenummern 14902/04, 100/07, 769/08 and 1109/10) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Jahr 2014 entschieden, dass Russland die Menschenrechte der ehemaligen Aktionäre von Yukos verletzt hat. Die Aktionäre von Yukos hatten in ihrer Klage geltend gemacht, dass die Zerschlagung des Unternehmens durch die russischen Behörden und die anschließende Versteigerung der Vermögenswerte willkürlich und nicht im Einklang mit dem Recht auf Schutz des Eigentums erfolgt sei.

Der EGMR entschied, dass Russland den Aktionären von Yukos eine Entschädigung in Höhe von etwa 1,9 Milliarden Euro zahlen muss. Dieses Urteil hatte auch Auswirkungen auf die ADRs von Yukos, da einige Aktionäre versuchten, den Umtausch ihrer ADRs gegen ihre ursprünglichen Aktien durchzusetzen, um die Entschädigung direkt zu erhalten.

Urteil des US-amerikanischen Bundesbezirksgerichts für den Südbezirk von New York

Im Fall White Lily LLC gegen Gazprom (12 Civ. 6036 (ALC)) hat das US-amerikanische Bundesbezirksgericht für den Südbezirk von New York entschieden, dass Gazprom-Aktionäre ihre ADRs nicht gegen ihre ursprünglichen Aktien eintauschen können, ohne die Zustimmung von Gazprom selbst. Die Klägerin hatte argumentiert, dass die Weigerung von Gazprom, den Umtausch zu ermöglichen, gegen ihre Anlegerrechte verstoße.

Das Gericht entschied jedoch zugunsten von Gazprom und stellte fest, dass das Unternehmen nicht verpflichtet sei, den Umtausch zuzulassen, solange es den ADR-Inhabern alternative Wege zur Verfügung stellt, um ihre Rechte und Interessen wahrzunehmen. Dieses Urteil zeigt, dass ADR-Inhaber nicht zwangsläufig das Recht auf den Umtausch ihrer ADRs gegen die ursprünglichen Aktien haben und dass im Einzelfall eine individuelle Prüfung des jeweiligen Emittenten erforderlich ist.

FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Umtausch russischer ADRs

Im Folgenden haben wir für Sie einige der häufigsten Fragen zum Thema Umtausch russischer ADRs zusammengestellt und beantwortet.

Was sind die wichtigsten Vorteile von ADRs gegenüber direkt gehaltenen ausländischen Aktien?

ADRs bieten Anlegern mehrere Vorteile gegenüber dem direkten Halten ausländischer Aktien, insbesondere:

  • Einfacherer Handel an US-amerikanischen Börsen
  • Vermeidung von ausländischen Steuern
  • Vermeidung von Wechselkursrisiken
  • Erhöhte Transparenz und Rechtssicherheit aufgrund der Anwendung von US-amerikanischem Aktienrecht

Welche Risiken sind mit ADRs verbunden?

Es gibt auch Risiken, die mit ADRs verbunden sind, insbesondere:

  • ADR-Inhaber haben im Allgemeinen weniger direkte Einflussmöglichkeiten auf das Unternehmen im Vergleich zu Aktionären, die direkt im ausländischen Aktienmarkt investiert sind
  • Der Wert von ADRs kann durch Wechselkursschwankungen beeinflusst werden
  • Aufgrund der geopolitischen Situation in Russland sind russische ADRs generell anfälliger für politische und regulatorische Risiken

Wie erfolgt der Umtausch von ADRs gegen ausländische Aktien?

Der Umtausch von ADRs gegen ausländische Aktien erfolgt in der Regel durch den sogenannten „Depositary“, bei dem es sich meist um eine US-amerikanische Bank handelt. Der Depositary führt in der Regel den Umtauschvorgang durch und verwaltet auch die ADRs. Der Umtausch von ADRs gegen ausländische Aktien erfordert allerdings die Zustimmung des jeweiligen emittierenden Unternehmens und unterliegt den jeweiligen gesetzlichen und regulatorischen Bestimmungen.

Ist es möglich, ADRs gegen ausländische Aktien einzutauschen, wenn das Unternehmen dies nicht zulässt?

Wie bereits im Abschnitt über aktuelle Gerichtsurteile erwähnt, wurde in einem Urteil des US-amerikanischen Bundesbezirksgerichts für den Südbezirk von New York entschieden, dass Gazprom-Aktionäre ihre ADRs nicht gegen ihre ursprünglichen Aktien eintauschen können, ohne die Zustimmung von Gazprom selbst. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass es im Allgemeinen nicht möglich ist, ADRs gegen die ursprünglichen Aktien einzutauschen, wenn das emittierende Unternehmen dies nicht zulässt. Dennoch muss jeder Fall individuell geprüft werden, um die Erfolgsaussichten eines solchen Umtauschs zu bewerten.

Fazit

Der Umtausch russischer ADRs ist ein komplexes Thema, das sowohl für AnlegerInnen als auch für emittierende Unternehmen von großer Relevanz ist. Die gesetzlichen, regulatorischen und politischen Rahmenbedingungen spielen dabei eine ebenso große Rolle wie die individuellen Umstände der beteiligten Akteure. Mit diesem Beitrag hoffen wir, Ihnen einen umfassenden Überblick über die aktuellen Entwicklungen und Fragestellungen in diesem Bereich gegeben zu haben, um Ihnen eine fundierte Entscheidungsgrundlage über den Handel mit russischen ADRs zu bieten.

Russische ADRs bieten Chancen und Risiken für AnlegerInnen und erfordern daher eine sorgfältige Prüfung, um den optimalen Handlungsansatz zu finden. Es ist ratsam, dass Sie sich von einem kompetenten und erfahrenen Rechtsanwalt beraten lassen, um Ihre individuellen Interessen in Bezug auf den Handel und Umtausch von russischen ADRs zu wahren und bestmögliche Ergebnisse zu erzielen.

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