Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung der Wirtschaft und des täglichen Lebens spielen Softwareprodukte eine immer wichtigere Rolle. Ob im Privatbereich oder in Unternehmen – Standardsoftware ist allgegenwärtig. Aus Sicht einer Anwaltskanzlei, die sich auf IT-Recht spezialisiert hat, möchten wir in diesem Blog-Beitrag die Vor- und Nachteile von Standardsoftware beleuchten. Dabei werden wir aktuelle Gesetzesbestimmungen und Gerichtsurteile berücksichtigen, um Ihnen einen umfassenden Überblick über die Thematik zu geben.

Definition und Abgrenzung: Standardsoftware vs. Individualsoftware

Zunächst wollen wir die Begriffe Standardsoftware und Individualsoftware definieren und abgrenzen, um ein besseres Verständnis für die Thematik zu schaffen. Der Hauptunterschied liegt in der Art und Weise, wie die Software entwickelt und bereitgestellt wird.

  • Standardsoftware ist eine Software, die für eine breite Masse an Kunden entwickelt wird und keine individuellen Anpassungen in ihrem Funktionsumfang bietet. Beispiele dafür sind Microsoft Office, Adobe Photoshop oder SAP.
  • Individualsoftware hingegen wird speziell für einen bestimmten Kunden oder Anwenderkreis entwickelt und in ihren Funktionen auf die individuellen Bedürfnisse und Anforderungen zugeschnitten.

Bei Standardsoftware handelt es sich in der Regel um vorgefertigte Softwareprodukte, die sofort eingesetzt werden können. Individualsoftware ist hingegen oft das Ergebnis eines längeren Entwicklungsprozesses, der auf individuelle Kundenbedürfnisse abgestimmt ist.

Vorteile der Standardsoftware

Standardsoftware bietet eine Vielzahl von Vorteilen für Unternehmen und Privatpersonen. Zu den wichtigsten zählen:

  • Kosteneffizienz: Die Anschaffung von Standardsoftware ist in vielen Fällen kostengünstiger als die Entwicklung einer Eigenlösung. Dies liegt daran, dass die Entwicklungskosten auf eine größere Anzahl von Nutzern umgelegt werden können. Zudem entfallen besonders hohe Entwicklungskosten, die bei der Realisierung von Individualsoftware anfallen können.
  • Schnelle Bereitstellung: Standardsoftware kann sofort eingesetzt werden, ohne dass ein aufwändiger Entwicklungsprozess notwendig ist. Dies führt zu einer schnelleren Implementierung von neuen Systemen und ermöglicht es Unternehmen, den Betrieb schnellstmöglich wieder aufzunehmen.
  • Pflege und Wartung durch den Hersteller: Da Standardsoftware vom Hersteller entwickelt und vertrieben wird, übernimmt dieser auch die Pflege und Updates der Software. Dadurch müssen Unternehmen nicht zusätzlich eigene IT-Fachkräfte für Wartungsaufgaben einstellen.
  • Formulierungsgeschützte Verträge: Die meisten Hersteller von Standardsoftware bieten standardisierte und formulierungsgeschützte Verträge an. Solche Verträge verschaffen dem Nutzer rechtliche Sicherheit, da sie oftmals auf aktueller Rechtsprechung und Gesetzgebung basieren.

Trotz dieser Vorteile gibt es auch einige Nachteile bei der Nutzung von Standardsoftware, die im Weiteren erörtert werden.

Nachteile der Standardsoftware

Die Verwendung von Standardsoftware ist nicht immer die beste Lösung für jedes Unternehmen oder jede Situation. Daher möchten wir auch die Nachteile dieser Art von Software darstellen:

  • Eingeschränkte Individualisierung: Standardsoftware ist vorgefertigt und nicht auf spezielle Anforderungen des Nutzers zugeschnitten. Dadurch können die enthaltenen Funktionen und Möglichkeiten zwar viele Bedürfnisse abdecken, es bleibt jedoch immer die Gefahr, dass wichtige Anforderungen nicht erfüllt werden.
  • Abhängigkeit vom Hersteller: Bei der Nutzung von Standardsoftware besteht eine Abhängigkeit vom Softwarehersteller. Dies kann sowohl beim Support und der Wartung der Software als auch bei eventuellen Preiserhöhungen zu Problemen führen.
  • Eingeschränkte Flexibilität: Standardsoftware bietet in der Regel weniger Flexibilität als Individualsoftware, da ihre Funktionen in einem festgelegten Rahmen bleiben. Dies kann die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens im Umgang mit neuen Anforderungen einschränken.
  • Softwarelizenzen und Rechtsunsicherheit: Die Nutzung von Standardsoftware erfolgt in der Regel über den Erwerb von Softwarelizenzen. Dabei können unklare oder strittige Lizenzbedingungen zu rechtlichen Problemen führen, etwa wenn es um die Nutzung der Software durch Dritte oder über die erlaubte Anzahl von Installationen geht.

Der rechtliche Rahmen im Umgang mit Standardsoftware

Im Umgang mit Standardsoftware sind verschiedene rechtliche Aspekte zu beachten. Dazu zählen:

  • Vertragsrecht: Der Erwerb und die Nutzung von Standardsoftware sind im Regelfall von einem Softwarelizenzvertrag geregelt. In diesem Vertrag sollten alle wichtigen Punkte wie Nutzungsrechte, Haftung, Gewährleistung und Kündigungsfristen klar geregelt sein.
  • Urheberrecht: Als immaterielle Schöpfung genießt Software Urheberrechtsschutz. Es ist daher wichtig, auf die Einhaltung der urheberrechtlichen Vorgaben zu achten und die Rechte und Pflichten der beteiligten Parteien zu klären.
  • Datenschutz: Insbesondere bei der Verwendung von Cloud-basierten Standardsoftwarelösungen sollte darauf geachtet werden, dass die Software den gesetzlichen Datenschutzvorgaben entspricht, insbesondere der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
  • Arbeitnehmerdatenschutz: Wenn Standardsoftware zur Verarbeitung von Daten über Arbeitnehmer eingesetzt wird, sind arbeitsrechtliche Datenschutzbestimmungen zu beachten und gegebenenfalls die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen.
  • Compliance: Unternehmen müssen sicherstellen, dass die Nutzung von Standardsoftware mit internen und externen Compliance-Vorgaben vereinbar ist. Dies kann zum Beispiel regelmäßige Überprüfungen der Software oder die Einrichtung eines IT-Sicherheitsmanagements erfordern.

Aktuelle Gerichtsurteile im Zusammenhang mit Standardsoftware

Im Folgenden möchten wir einige interessante und aktuelle Gerichtsurteile im Zusammenhang mit Standardsoftware vorstellen:

  • Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Juli 2013 – I ZR 30/12 („UsedSoft II“): In dieser Entscheidung stellte der BGH klar, dass der Weiterverkauf von gebrauchten Softwarelizenzen grundsätzlich zulässig ist, wenn der Hersteller seine Zustimmung zur erstmaligen Veräußerung der Software erteilt hat und keine weiteren Beschränkungen im Lizenzvertrag vorgesehen sind.
  • Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Dezember 2017 – I ZR 186/16 („Plug-in-Angebot“): Der BGH entschied, dass das Angebot eines Internetdienstes, der es ermöglicht, urheberrechtlich geschützte Software von den Servern der Hersteller direkt auf den Rechner des Kunden zu laden, keine Urheberrechtsverletzung darstellt, wenn die Kunden über eine entsprechende gültige Lizenz verfügen.
  • Oberlandesgericht München, Urteil vom 18. April 2019 – 29 U 635/18: In diesem Fall entschied das OLG München, dass eine ansonsten ordnungsgemäße Urheberrechtswarnung an einen Kunden ohne Wissen des Betroffenen an dessen E-Mail-Adresse, die in einem geschlossenen Kundenbereich hinterlegt war und nicht persönlich zugeordnet werden konnte, keine hinreichende Kenntnis des Kunden von der Rechtsverletzung begründet und somit keine unzulässige Geschäftspraktik darstellt.
  • Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. November 2020 – I ZR 267/15 („Störerhaftung für Clickbaiting“): Der BGH entschied, dass ein Softwarehersteller für Verstöße gegen das Urheberrecht auf seiner Plattform haften kann, wenn er gezielt zu illegalen Inhalten führt, um finanzielle Vorteile daraus zu ziehen. Das Gericht stellte jedoch klar, dass eine solche Haftung nur unter bestimmten Voraussetzungen greift, insbesondere wenn der Hersteller Kenntnis von den Rechtsverletzungen hat.

FAQs: Häufig gestellte Fragen zur Standardsoftware

In diesem Abschnitt wollen wir auf einige der häufigsten Fragen eingehen, die uns im Zusammenhang mit Standardsoftware gestellt werden.

Ist die Nutzung von Open-Source-Software eine Alternative zur Standardsoftware?

Open-Source-Software kann durchaus eine Alternative zur Standardsoftware sein, da sie oft kostenlos ist und in vielen Fällen einen ähnlichen Funktionsumfang bietet. Bei der Nutzung von Open-Source-Software gilt es jedoch, die jeweiligen Lizenzbedingungen zu beachten, da diese oft besondere Anforderungen an die Weiterverbreitung oder Anpassung der Software stellen. Zudem besteht bei Open-Source-Software oft kein Anspruch auf Support oder Updates durch den Hersteller.

Was muss ich beim Abschluss von Software-as-a-Service (SaaS)-Verträgen beachten?

Bei SaaS-Verträgen handelt es sich um Dienstleistungsverträge, bei denen der Anbieter die Software über das Internet zur Verfügung stellt, anstatt sie direkt auf den Rechnern der Nutzer zu installieren. Daher sind im Rahmen solcher Verträge insbesondere die Fragen des Datenschutzes, der Datensicherheit und der Verfügbarkeit der Software zu klären. Zudem sollten die Vertragsparteien auf eine klare Regelung der Nutzungsrechte und der Haftung achten.

Woran erkenne ich, ob meine Standardsoftware DSGVO-konform ist?

Als Nutzer von Standardsoftware sollten Sie darauf achten, dass das Produkt den Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entspricht, insbesondere in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten. Mögliche Indikatoren für eine DSGVO-konforme Lösung sind die Zertifizierung durch unabhängige Prüfstellen, die transparente Information des Herstellers über eingesetzte Technologien und Verfahren sowie die Bereitschaft des Herstellers, eine Auftragsverarbeitungsvereinbarung abzuschließen.

Wie schütze ich als Unternehmen meine Individualsoftware-Anpassungen bei Standardsoftware?

Wenn Sie als Unternehmen Anpassungen an einer Standardsoftware vornehmen, um sie besser auf Ihre Bedürfnisse abzustimmen, sollten Sie darauf achten, dass diese Anpassungen im Rahmen der Softwarelizenz zulässig sind. Zudem empfiehlt es sich, die individuellen Anpassungen urheberrechtlich schützen zu lassen, um eine unerlaubte Nutzung durch Dritte zu verhindern.

Woran erkenne ich, ob ich ein gültiges Nutzungsrecht an einer Standardsoftware habe?

Ein gültiges Nutzungsrecht an einer Standardsoftware ergibt sich in der Regel aus dem Abschluss eines Softwarelizenzvertrages mit dem Hersteller. Sie sollten daher darauf achten, dass Sie über einen solchen Vertrag verfügen und die darin enthaltenen Nutzungsbedingungen einhalten. Zudem können im Vertrag geregelte Aktivierungs- oder Registrierungsverfahren ein Indikator für ein gültiges Nutzungsrecht sein.

Fazit und Ausblick zur Standardsoftware

Standardsoftware bietet viele Vorteile im Vergleich zur Individualsoftware, insbesondere im Hinblick auf die schnelle Verfügbarkeit und Kosteneffizienz. Allerdings gibt es auch Nachteile, vor allem in Bezug auf die Individualisierung und Flexibilität. Im rechtlichen Kontext müssen Unternehmen immer wieder auf aktuelle Gesetzesbestimmungen und die neuesten Gerichtsurteile achten, um die Nutzung von Standardsoftware – sei es als Anwender oder Hersteller – bestmöglich absichern zu können.

Aus unserer Sicht als Rechtsanwälte ist es wichtig, die Vor- und Nachteile von Standardsoftware im jeweiligen Einzelfall abzuwägen und die rechtlichen Rahmenbedingungen im Auge zu behalten. Gerne beraten und unterstützen wir Sie bei allen rechtlichen Fragen rund um das Thema Standardsoftware und helfen Ihnen dabei, sichere und erfolgreiche Lösungen für Ihr Unternehmen oder Ihre persönlichen Anforderungen zu finden.

Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen bundesweit und im deutschsprachigen Ausland zur Verfügung.

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