Im deutschen Recht gibt es viele Regelungen, die sich mit der Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern beschäftigen. Dieser Blog-Beitrag gibt einen umfassenden Überblick über die wichtigsten rechtlichen Aspekte, die bei einer Abberufung von Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern zu beachten sind. Wir beleuchten gesetzliche Bestimmungen, aktuelle Gerichtsurteile und praktische Beispiele, um einen detaillierten Einblick in dieses komplexe Thema zu bieten. Darüber hinaus werden auch häufig gestellte Fragen beantwortet, um Ihnen in Ihrem konkreten Fall weiterzuhelfen.

Was ist eine Abberufung?

Die Abberufung ist die vorzeitige Beendigung von Vorstands- oder Geschäftsführermandaten. Sowohl Vorstandsmitglieder als auch Geschäftsführer werden durch einen entsprechenden Beschluss bestellt und können ebenso durch einen solchen Beschluss wieder abberufen werden. Eine Abberufung kann aus verschiedensten Gründen erforderlich sein, beispielsweise wegen persönlicher oder sachlicher Gründe, Vertrauensverlust oder durch die Nichterfüllung von Unternehmenszielen. Es ist wichtig zu betonen, dass die Abberufung nur die Beendigung der Organstellung darstellt, jedoch nicht zwangsläufig die Beendigung des Anstellungsvertrags als solche.

Gesetzliche Regelungen zur Abberufung von Vorstandsmitgliedern

Die Abberufung von Vorstandsmitgliedern richtet sich insbesondere nach den Regelungen des Aktiengesetzes (AktG) sowie nach den sonstigen Vorschriften des Handelsrechts. Darüber hinaus spielen auch das GmbH-Gesetz und das BGB eine Rolle. Im Folgenden geben wir Ihnen einen Überblick über die relevanten Regelungen:

  • § 84 Abs. 3 AktG: Die Abberufung eines Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft erfolgt durch den Aufsichtsrat. Dabei muss für den Abberufungsbeschluss eine qualifizierte Mehrheit von mindestens drei Vierteln der Aufsichtsratsmitglieder vorliegen.
  • § 626 BGB: Hier wird die Möglichkeit der fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund normiert, die sowohl für Vorstands- als auch Geschäftsführeranstellungsverträge relevant ist. Wichtige Gründe können beispielsweise sein: dauernde Arbeitsunfähigkeit, Verstöße gegen Compliance-Regeln oder Strafverfahren wegen wirtschaftsstrafrechtlicher Delikte.
  • § 46 Nr. 5 GmbHG: Dem Geschäftsführer einer GmbH kann aufgrund besonderer Gründe, die in der Person des Geschäftsführers liegen, durch einen Gesellschafterbeschluss abberufen werden. Dabei muss die Abberufung zu diesem Zweck im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden.

Gesetzliche Regelungen zur Abberufung von Geschäftsführern

Die Abberufung von Geschäftsführern einer GmbH gestaltet sich im Wesentlichen nach den Regelungen des GmbH-Gesetzes und des BGB:

Aktuelle Gerichtsurteile zur Abberufung

Im Laufe der Jahre wurden vielfältige Gerichtsentscheidungen zur Abberufung von Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern gefällt. Hier wollen wir einige beispielhafte Urteile vorstellen, die das Verständnis vertiefen und verschiedene Fragestellungen besser veranschaulichen können.

  • Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 10 AZR 666/12: In diesem Fall hatte ein Geschäftsführer einen zeitlich unbefristeten Geschäftsführeranstellungsvertrag. Im Anschluss an eine Abberufung hatte das BAG entschieden, dass der Anstellungsvertrag nicht automatisch damit endet. Vielmehr muss eine ausdrückliche Kündigung, gegebenenfalls sogar fristlos, erfolgen, um den Anstellungsvertrag effektiv zu beenden.
  • Oberlandesgericht München, Urteil vom 18. November 2015 – 7 U 304/15: Hier ging es um die Anfechtung eines Abberufungsbeschlusses für ein Vorstandsmitglied. Der Beschluss wurde angefochten, weil das Vorstandsmitglied keine ausreichende Möglichkeit erhalten hatte, sich während der Aufsichtsratssitzung persönlich zu den Vorwürfen gegen seine Person zu äußern. Das OLG München hat entschieden, dass das Verfahren fehlerhaft war und die Abberufung damit unwirksam ist.
  • Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. März 2015 – 2 AZR 1038/13: Diese Entscheidung betraf die Rechte des Arbeitnehmers im Falle einer unwirksamen Kündigung des Arbeitsvertrags nach einer Abberufung. Das BAG hat klargestellt, dass das Arbeitsverhältnis nach einer unwirksamen Kündigung fortbesteht und der betroffene Geschäftsführer weiterhin Anspruch auf seine Gehaltszahlungen hat, selbst wenn keine Tätigkeit mehr ausgeübt wird.
  • Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 14. Mai 2015 – 9 U 143/13: Hier wurde die fristlose Kündigung eines Geschäftsführers wegen angeblicher wirtschaftlicher Fehlleistungen geprüft. Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass eine fristlose Kündigung wegen Vertragspflichtverletzungen nur dann zulässig ist, wenn eine erhebliche Verletzung der vertraglichen Pflichten vorliegt. Es konnte im konkreten Fall jedoch kein solcher gravierender Verstoß festgestellt werden, weshalb die fristlose Kündigung unwirksam war.

Praktische Beispiele und Empfehlungen zur Abberufung

Da es keine pauschale Antwort darauf gibt, wie eine Abberufung in jedem Einzelfall ablaufen sollte, stellen wir Ihnen hier einige praktische Beispiele und Empfehlungen vor, die Ihnen in unterschiedlichen Situationen weiterhelfen können.

  • Bei persönlichen Gründen, wie zum Beispiel einer dauerhaften Erkrankung oder vergleichbaren Lebensumständen, sind sowohl Vorstand als auch Geschäftsführer verpflichtet, den Aufsichtsrat bzw. die Gesellschafter über ihren tatsächlichen Gesundheitszustand zu informieren. Eine unwirksame Abberufung aufgrund einer bloßen Vermutung, dass das Vorstands- oder Geschäftsführermitglied dauerhaft arbeitsunfähig sei, ist unzulässig.
  • Bei strafrechtlichen Vorwürfen gegen ein Vorstands- oder Geschäftsführermitglied ist eine sofortige Abberufung nicht immer zwingend erforderlich. Vielmehr ist zunächst zu prüfen, ob der Tatvorwurf so schwerwiegend ist, dass eine sofortige Abberufung notwendig erscheint. Dabei sollte ebenfalls die Unschuldsvermutung berücksichtigt werden.
  • Bei sachlichen Gründen, wie zum Beispiel einer schlechten wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens, kann eine Abberufung nur dann in Betracht gezogen werden, wenn sich das persönliche Verschulden des jeweiligen Vorstands- oder Geschäftsführermitglieds nachweisen lässt.
  • Die Nichterreichung von vereinbarten Unternehmenszielen oder die Verfehlung Umsatz- oder Gewinnerwartungen sind grundsätzlich keine ausreichenden Gründe für eine Abberufung. Sollte jedoch die erfolgreiche Leitung des Unternehmens nachweislich ernsthaft gefährdet sein, kann dies als Grund für eine Abberufung herangezogen werden.

FAQs zur Abberufung von Vorständen und Geschäftsführern

Muss bei einer Abberufung des Geschäftsführers auch der Arbeitsvertrag gekündigt werden?

Die Abberufung des Geschäftsführers als Organ ist grundsätzlich von der Kündigung des Anstellungsvertrags zu trennen. Eine Abberufung allein führt nicht automatisch zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses. Hierfür ist eine gesonderte – in der Regel schriftliche – Kündigung erforderlich.

Wie wird die Abberufung eines Vorstandsmitglieds oder Geschäftsführers wirksam?

Die Wirksamkeit der Abberufung von Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern hängt von der form- und fristgerechten Einhaltung der entsprechenden gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen ab. Bei einer Aktiengesellschaft ist auf einen qualifizierten Aufsichtsratsbeschluss und bei einer GmbH auf einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss zu achten. Darüber hinaus kann im Anstellungsvertrag eine Vereinbarung getroffen werden, welche Form- und Fristvorgaben bei einer Kündigung einzuhalten sind.

Kann ein abberufenes Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer Schadensersatzansprüche gegen das Unternehmen geltend machen?

Auch nach einer Abberufung können unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatzansprüche durch das betroffene Vorstandsmitglied oder den Geschäftsführer gegen das Unternehmen entstehen, beispielsweise wenn die Abberufung unwirksam ist oder durch das Vorgehen bei der Abberufung die Fürsorgepflicht des Unternehmens verletzt wurde. Im Einzelfall ist dies jedoch entsprechend zu prüfen und hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Falles ab.

Können Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer gegen ihre Abberufung gerichtlich vorgehen?

Grundsätzlich stehen Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern Rechtsmittel gegen ihre Abberufung zur Verfügung. Sie können beispielsweise eine Anfechtungsklage erheben, wenn sie der Auffassung sind, dass der Abberufungsbeschluss unwirksam ist. Zudem besteht die Möglichkeit, eine Feststellungsklage zu erheben, um die Unwirksamkeit einer Kündigung des Anstellungsvertrages gerichtlich feststellen zu lassen.

Wie lange beträgt die Kündigungsfrist bei einer ordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages von Vorstandsmitgliedern oder Geschäftsführern?

Die Kündigungsfrist bei einer ordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages von Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern hängt von den vertraglichen Vereinbarungen ab. Gesetzlich ist hierfür keine bestimmte Kündigungsfrist festgelegt. In der Praxis sind Kündigungsfristen von drei bis sechs Monaten üblich. Wichtig ist, dass die Kündigungsfrist im Anstellungsvertrag klar und transparent vereinbart ist.

Fazit

Die Abberufung von Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern stellt eine komplexe und zuweilen schwierige Angelegenheit dar. Für alle Beteiligten sind die rechtlichen Aspekte, wie die einschlägigen gesetzlichen Regelungen, aktuelle Rechtsprechung und nicht zuletzt die vertraglichen Vereinbarungen, entscheidend.

Je nach individueller Situation können unterschiedliche Handlungsoptionen und Konsequenzen im Zusammenhang mit einer Abberufung bestehen. Es empfiehlt sich daher, bei einer bevorstehenden oder erfolgten Abberufung anwaltlichen Rat einzuholen, um die besten Handlungsoptionen und möglichen rechtlichen Konsequenzen abwägen zu können.

Unser umfassender Überblick gibt Ihnen bereits eine solide Grundlage für das Verständnis der wichtigen Aspekte im Zusammenhang mit der Abberufung von Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern. Bei konkreten Fragestellungen und Anliegen empfehlen wir jedoch immer eine individuelle Beratung durch einen Rechtsanwalt.

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