Das Arzthaftungsrecht ist ein zentrales Thema für Patienten und Ärzte. Immer wieder kommt es zu Behandlungsfehlern, die schwerwiegende Folgen haben können. In diesem Blogbeitrag erläutere ich als erfahrener Rechtsanwalt, welche rechtlichen Grundlagen es im Arzthaftungsrecht gibt, wie Sie Ansprüche bei Behandlungsfehlern geltend machen können und welche Schritte Sie unternehmen sollten, um Ihre Rechte durchzusetzen. Dabei werde ich auf Gesetze, aktuelle Gerichtsurteile und häufig gestellte Fragen eingehen, um Ihnen einen umfassenden Überblick über das Thema zu geben.

Grundlagen des Arzthaftungsrechts

Im deutschen Recht gibt es keine speziellen Gesetze für das Arzthaftungsrecht. Die Haftung von Ärzten und anderen Heilberufen ergibt sich aus den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, insbesondere aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und dem Gesetz über die ärztliche Berufsordnung (MBO-Ä). Grundlage für die Haftung ist in der Regel ein Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient, der als Dienstvertrag gemäß §§ 611 ff. BGB einzustufen ist.

Behandlungsvertrag und Sorgfaltspflicht

Der Behandlungsvertrag verpflichtet den Arzt, die vereinbarte Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchzuführen, und den Patienten, die vereinbarte Vergütung zu zahlen. Da es sich um einen Dienstvertrag handelt, schuldet der Arzt grundsätzlich keinen Erfolg, sondern nur die sorgfältige und gewissenhafte Durchführung der Behandlung. Die Sorgfaltspflicht ergibt sich auch aus § 630a BGB, der besagt, dass der Arzt bei der Behandlung die im Zeitpunkt der Behandlung geltenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu Grunde legen muss.

Haftung für Behandlungsfehler

Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Arzt gegen die gebotene Sorgfalt verstoßen hat und dadurch dem Patienten ein Schaden entstanden ist. Ein Behandlungsfehler kann beispielsweise in einer fehlerhaften Diagnose, einer unzureichenden Aufklärung oder einer unsachgemäßen Therapie bestehen. Die Haftung für Behandlungsfehler ergibt sich aus § 630h BGB und umfasst sowohl die Haftung für Vorsatz als auch für Fahrlässigkeit.

Ansprüche des Patienten bei Behandlungsfehlern

Bei einem Behandlungsfehler hat der Patient grundsätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Der Schadensersatz umfasst dabei alle materiellen Schäden, die dem Patienten durch den Behandlungsfehler entstanden sind, wie zum Beispiel Kosten für Heilbehandlungen, Verdienstausfall oder Mehraufwendungen. Das Schmerzensgeld ist ein Ausgleich für die immateriellen Schäden wie Schmerzen, Leiden oder Beeinträchtigungen der Lebensqualität.

Beweislast und Beweislastumkehr

Grundsätzlich trägt im Arzthaftungsrecht der Patient die Beweislast für den Behandlungsfehler, den dadurch entstandenen Schaden und den ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden. Das bedeutet, dass der Patient nachweisen muss, dass der Arzt gegen seine Sorgfaltspflicht verstoßen hat und ihm dadurch ein Schaden entstanden ist.

Beweislastumkehr

In bestimmten Fällen kommt es jedoch zu einer Beweislastumkehr, das heißt, der Arzt muss nachweisen, dass er nicht gegen seine Sorgfaltspflicht verstoßen hat oder dass der Schaden nicht auf seinen Fehler zurückzuführen ist. Eine Beweislastumkehr kann beispielsweise in folgenden Situationen eintreten:

  • Grobe Behandlungsfehler: Wenn der Arzt einen schweren Fehler begangen hat, der ihm nicht unterlaufen dürfte, muss er nachweisen, dass der Schaden nicht auf diesen Fehler zurückzuführen ist.
  • Voll beherrschbares Risiko: Wenn ein Schaden eingetreten ist, der bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt regelmäßig nicht entstehen dürfte, muss der Arzt nachweisen, dass er die Sorgfaltspflicht eingehalten hat.
  • Verletzung von Dokumentationspflichten: Wenn der Arzt seine Dokumentationspflichten verletzt hat, kann dies ebenfalls zu einer Beweislastumkehr führen.

Durchsetzung von Ansprüchen bei Behandlungsfehlern

Die Durchsetzung von Ansprüchen bei Behandlungsfehlern ist oftmals ein schwieriges Unterfangen, da die Beweisführung komplex sein kann und die medizinischen Sachverhalte für Laien schwer verständlich sind. Daher ist es ratsam, sich bei der Geltendmachung von Ansprüchen anwaltliche Unterstützung zu suchen. Im Folgenden gebe ich Ihnen einen Überblick über die einzelnen Schritte, die Sie bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche unternehmen sollten.

Informationsbeschaffung und Dokumentation

Um Ihre Ansprüche erfolgreich durchzusetzen, ist es wichtig, alle relevanten Informationen und Unterlagen zu sammeln und zu dokumentieren. Dazu zählen unter anderem:

  • Ärztliche Befunde und Diagnosen
  • Arztbriefe und Entlassungsberichte
  • Operationsberichte
  • Röntgenbilder, MRT-Aufnahmen, Laborbefunde
  • Aufklärungsbögen und Einwilligungserklärungen
  • Rechnungen und Quittungen für ärztliche Leistungen und Medikamente

Sie haben gemäß § 630g BGB einen Anspruch darauf, Einsicht in Ihre Patientenakte zu nehmen und Kopien von den Unterlagen zu erhalten. Sollte der Arzt die Herausgabe verweigern, kann dies gerichtlich durchgesetzt werden.

Anwaltliche Beratung und außergerichtliche Geltendmachung

Nachdem Sie alle relevanten Informationen und Unterlagen gesammelt haben, sollten Sie sich an einen auf das Arzthaftungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt wenden. Dieser wird Ihre Unterlagen prüfen, den Sachverhalt bewerten und Ihnen eine Einschätzung geben, ob ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld besteht.

Der nächste Schritt ist die außergerichtliche Geltendmachung Ihrer Ansprüche. Ihr Rechtsanwalt wird in einem Schriftsatz den Behandlungsfehler darlegen, den entstandenen Schaden beziffern und den Arzt bzw. dessen Haftpflichtversicherung zur Zahlung auffordern. In vielen Fällen kann eine außergerichtliche Einigung erzielt werden, wenn der Arzt oder die Haftpflichtversicherung die Haftung anerkennen und zur Zahlung bereit sind.

Gutachten und gerichtliche Durchsetzung

Sollte eine außergerichtliche Einigung nicht möglich sein, bleibt in der Regel der Weg über das Gericht. Im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens wird in der Regel ein medizinisches Gutachten eingeholt, um den Behandlungsfehler und den entstandenen Schaden zu klären. Das Gericht beauftragt hierfür einen unabhängigen medizinischen Sachverständigen, der die Behandlung und den Schaden objektiv beurteilt.

Anhand des Gutachtens entscheidet das Gericht, ob der Arzt haftet und in welcher Höhe Schadensersatz und Schmerzensgeld zu zahlen sind. Der Prozess kann langwierig und kostspielig sein, daher ist es ratsam, sich vorab genau über die Erfolgsaussichten und die möglichen Kosten zu informieren.

Verjährung von Ansprüchen bei Behandlungsfehlern

Die Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verjähren gemäß § 630i BGB in der Regel nach drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Patient von dem Behandlungsfehler und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Unabhängig von der Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis verjähren Ansprüche in jedem Fall nach zehn Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.

Es ist daher wichtig, möglichst frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen und die Ansprüche geltend zu machen, um eine Verjährung zu verhindern.

Aktuelle Gerichtsurteile und Beispiele

Im Folgenden möchte ich Ihnen einige aktuelle Gerichtsurteile und Beispiele aus dem Bereich des Arzthaftungsrechts vorstellen, die die oben erläuterten Grundsätze und Probleme verdeutlichen:

BGH, Urteil vom 29.01.2019 – VI ZR 75/18

In diesem Fall ging es um die Frage, ob ein Arzt haftet, wenn er eine alternative Behandlungsmethode anwendet, die nicht dem aktuellen Stand der Medizin entspricht. Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Arzt grundsätzlich haftet, wenn er eine veraltete Methode anwendet, die nach den aktuellen medizinischen Erkenntnissen nicht mehr als sorgfältig und gewissenhaft angesehen werden kann.

OLG Hamm, Urteil vom 20.11.2018 – 26 U 3/18

Das Oberlandesgericht Hamm beschäftigte sich mit der Frage, inwieweit ein Arzt für einen Behandlungsfehler haftet, der von einem anderen Arzt im Rahmen einer nachfolgenden Behandlung verursacht wurde. Das Gericht entschied, dass der erste Arzt nur insoweit haftet, als der Schaden auf seinen eigenen Behandlungsfehler zurückzuführen ist und nicht auf den Fehler des zweiten Arztes.

LG München I, Urteil vom 25.10.2018 – 9 O 22132/17

In diesem Fall klagte eine Patientin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld, weil ihr Arzt sie nicht ausreichend über die Risiken eines chirurgischen Eingriffs aufgeklärt hatte. Das Landgericht München I entschied, dass der Arzt haftet, da er seine Aufklärungspflicht verletzt hatte und die Patientin bei ordnungsgemäßer Aufklärung den Eingriff nicht hätte durchführen lassen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wie kann ich feststellen, ob bei meiner Behandlung ein Fehler gemacht wurde?

Um festzustellen, ob bei Ihrer Behandlung ein Fehler gemacht wurde, sollten Sie sich zunächst an einen anderen Arzt wenden und eine Zweitmeinung einholen. Sollte dieser ebenfalls einen Fehler vermuten, ist es ratsam, sich an einen auf das Arzthaftungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu wenden, der den Sachverhalt prüft und gegebenenfalls ein medizinisches Gutachten einholt.

Welche Fristen muss ich bei der Geltendmachung von Ansprüchen beachten?

Die Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verjähren in der Regel nach drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Patient von dem Behandlungsfehler und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Unabhängig von der Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis verjähren Ansprüche in jedem Fall nach zehn Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.

Kann ich auch gegen ein Krankenhaus Klage erheben?

Ja, grundsätzlich können Sie auch gegen ein Krankenhaus Klage erheben, wenn Sie dort von einem angestellten Arzt fehlerhaft behandelt wurden. Das Krankenhaus haftet dabei für das Verhalten seiner angestellten Ärzte und Mitarbeiter. Sollte der Arzt jedoch selbstständig und nicht als Angestellter des Krankenhauses tätig sein, kann nur gegen den Arzt persönlich geklagt werden.

Kann ich Schadensersatz und Schmerzensgeld auch ohne Anwalt geltend machen?

Grundsätzlich können Sie Schadensersatz und Schmerzensgeld auch ohne anwaltliche Hilfe geltend machen. In der Praxis ist dies jedoch meistens nicht ratsam, da die Beweisführung und die rechtlichen Fragestellungen im Arzthaftungsrecht oftmals sehr komplex sind. Ein auf das Arzthaftungsrecht spezialisierter Rechtsanwalt kann die Erfolgsaussichten Ihres Falls einschätzen, die notwendigen Schritte unternehmen und Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche zur Seite stehen.

Was kostet ein Rechtsanwalt im Arzthaftungsrecht?

Die Kosten für einen Rechtsanwalt im Arzthaftungsrecht hängen von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel dem Streitwert, dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit und der Schwierigkeit des Falls. Grundsätzlich richtet sich die Vergütung eines Rechtsanwalts nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). In vielen Fällen können Sie mit Ihrem Rechtsanwalt auch eine individuelle Gebührenvereinbarung treffen.

Es ist ratsam, sich bereits im Erstgespräch über die voraussichtlichen Kosten zu informieren und gegebenenfalls eine Rechtsschutzversicherung in Anspruch zu nehmen, die die Kosten für die rechtliche Auseinandersetzung übernimmt.

Fazit

Das Arzthaftungsrecht ist ein komplexes Gebiet, das für Patienten und Ärzte gleichermaßen von großer Bedeutung ist. Bei Behandlungsfehlern können Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche entstehen, deren Durchsetzung jedoch oftmals schwierig ist. Um die Erfolgsaussichten Ihrer Ansprüche zu erhöhen, ist es ratsam, sich anwaltliche Unterstützung zu suchen und die notwendigen Schritte zur Geltendmachung und Durchsetzung Ihrer Rechte frühzeitig einzuleiten. Mit diesem umfassenden Blogbeitrag hoffe ich, Ihnen einen guten Überblick über das Arzthaftungsrecht und die damit verbundenen Fragestellungen gegeben zu haben.

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